Dr. Klaus-Hermann Dyck, Prof. Dr. Sven Hayn
1. Regelungszweck und Regelungsinhalt
a) Regelungszweck
Rn. 256
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Ausschüttungssperren sollen dem Gläubigerschutz dienen (vgl. BT-Drs. 10 067/16, S. 35, 50; kritisch dazu NWB HGB-Komm. (2022), § 268, Rn. 156ff.). Davon erfasst sind die nach den klassischen GoB noch nicht realisierten Erträge aus der Bilanzierung bestimmter Aktiva. In Höhe dieser Beträge, abzgl. hierfür gebildeter passiver latenter Steuern, sind Ausschüttungen frei verfügbarer EK-Bestandteile unzulässig. Die Ausschüttungssperren verhindern, dass die aus dem Ansatz respektive der Bewertung der Posten resultierenden und mit Unsicherheit behafteten Erträge ausgeschüttet werden.
b) Regelungsinhalt
Rn. 257
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Konkret ist für KapG (respektive denen qua § 264a gleichgestellte PersG; vgl. speziell dazu van der Laage, WM 2012, S. 1322 (1324ff.)) in § 268 Abs. 8 eine Ausschüttungssperre für
- in der Bilanz ausgewiesene selbst geschaffene immaterielle VG des AV, abzgl. der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern,
- den Betrag der wahlweise gebildeten aktiven latenten Steuern (wenngleich der Wortlaut nur auf den Aktivüberhang, um den die aktiven latenten Steuern die passiven latenten Steuern übersteigen, abstellt; vgl. HdR-E, HGB § 268, Rn. 271ff.) sowie
- die Differenz aus (höherem) Zeitwert und AHK (wenngleich der Wortlaut nur auf die AK abstellt) der zur Deckung der Altersversorgungsverpflichtungen nach § 246 Abs. 2 Satz 2 vorhandenen VG, abzgl. der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern,
kodifiziert. Die Höhe der Ausschüttungssperre wird demnach grds. nach dem bilanziellen Ansatz der VG oder Sonderposten bemessen, da es sich um eine bilanzorientierte Ausschüttungssperre handelt (vgl. HdR-E, HGB § 268, Rn. 255).
Rn. 258
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Das deutsche Steuerrecht kennt keine Ausschüttungssperre. Die handelsrechtlichen Ausschüttungssperren gemäß § 268 Abs. 8 führen zu keinen steuerlichen Konsequenzen (vgl. zu den potenziellen Auswirkungen auf steuerliche Organschaften Gelhausen/Althoff, WPg 2009, S. 629 (634f.)).
aa) Ausschüttungssperre aus der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens
Rn. 259
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Der Gesetzgeber hat im Zuge des BilMoG in § 248 Abs. 2 Satz 1 ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle VG des AV verankert, nachdem zuvor im HGB ein Aktivierungsverbot bestand (vgl. HdR-E, HGB § 248, Rn. 17ff.). Das Wahlrecht ermöglicht es UN, selbst geschaffene immaterielle VG des AV zu aktivieren, womit ein erheblicher Dokumentationsaufwand einhergeht (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 7f.). Die Aktivierung von selbst geschaffenen Marken, Drucktiteln, Verlagsrechten sowie ähnlichen Werten und Rechten ist gemäß § 248 Abs. 2 Satz 2 – analog zu IAS 38 – verboten.
Rn. 260
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Im Falle der Ausübung des Aktivierungswahlrechts richten sich die HK eines immateriellen VG nach § 255 Abs. 2a i. V. m. § 255 Abs. 2 (vgl. ausführlich HdR-E, HGB § 255, Rn. 388ff.). Als HK eines selbst geschaffenen VG gelten in speziell diesem Kontext die bei dessen Entwicklung jeweils anfallenden Aufwendungen (= Entwicklungskosten). Sie stellen daher die spezifischen HK selbst geschaffener immaterieller VG des AV dar.
Rn. 261
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Generell ist festzuhalten, dass im Normengefüge der IFRS eine Ausschüttungssperre nicht bekannt ist. Im Gegensatz zum deutschen Bilanzrecht ist somit die Aktivierung von selbst erstellten immateriellen Vermögenswerten nach IFRS nicht mit einer Ausschüttungssperre versehen. Weil selbst geschaffenen immateriellen Anlagegütern "nur schwer ein objektiver Wert" (BR-Drs. 344/08, S. 106) zugewiesen werden kann, muss im deutschen Bilanzrecht bei der Aktivierung solcher VG eine Ausschüttungssperre nach § 268 Abs. 8 Satz 1 ("Werden selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in der Bilanz ausgewiesen, so dürfen Gewinne nur ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags mindestens den insgesamt angesetzten Beträgen abzüglich der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern entsprechen.") gebildet werden. Die Problematik der Zuweisung eines objektiven Werts gründet in den Ermessensspielräumen, die mit der Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen VG verbunden sind: Neben der Trennung der Forschungs- von der Entwicklungsphase ist eine Entscheidung hinsichtlich des Aktivierungszeitpunkts innerhalb der Entwicklungsphase durch den Bilanzierenden vorzunehmen. Beide Entscheidungen haben eine Auswirkung auf die Höhe des Wertansatzes der selbst geschaffenen immateriellen VG. Indem die Aktivierung selbst geschaffener immaterieller VG mit einer Ausschüttungssperre belegt wird, unterstreicht der deutsche Gesetzgeber die Problematik der objektiven Wertermittlung ebenso wie der begrenzten Nachvollziehbarkeit der Werthaltigkeit jenes Bilanzpostens.
Rn. 262
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Höhe der Ausschüttungssperre auf selbst geschaffene immaterielle VG des AV bezieht sich nicht auf den vollen Betrag der aktivierten VG, sondern bestimmt sich aus der Differe...