Rn. 28

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Sind die Voraussetzungen der abstrakten Aktivierungs- bzw. Passivierungsfähigkeit erfüllt und liegen keine Gründe vor, die die konkrete Aktivierungs- bzw. Passivierungsfähigkeit verhindern, dann ergibt sich für die entsprechenden VG, Schulden und RAP aus dem Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 auch die grds. Bilanzierungspflicht. Die Einschränkungen des Vollständigkeitsgrundsatzes infolge von Bilanzierungswahlrechten und -verboten werden zusammengefasst in nachstehender Übersicht dargestellt (vgl. zu den Aktivierungs- und Passivierungswahlrechten ausführlich Wöhe (1997), S. 694ff., 715ff., 764ff., sowie in knapper Form Kussmaul/Lutz, WiSt 1993, S. 440ff.). Außerdem sind aufgrund des Wesentlichkeitsgrundsatzes geringwertige Anlagegüter, deren AHK 250 EUR nicht übersteigt, nicht bilanzierungspflichtig (vgl. Kussmaul (2020), S. 92; Mujkanovic, StuB 2008, S. 25 (26)).

Übersicht: Einschränkung der Vollständigkeit

 

Rn. 29

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Als Bestandteil der sog. materiellen Stetigkeit ergibt sich aus § 246 Abs. 3 das Prinzip der Ansatzstetigkeit, wonach die auf den "vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Ansatzmethoden [...] beizubehalten" sind. Dieser Grundsatz soll dazu beitragen, die Transparenz des JA (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 105) und damit die Vergleichbarkeit aufeinanderfolgender JA zu gewährleisten. In Anlehnung an die Terminologie in § 252 Abs. 1 Nr. 6 zur Bewertungsstetigkeit verwendet der Gesetzgeber den Begriff der "Ansatzmethode". Dieser lässt sich i. d. S. interpretieren, dass nicht nur gesetzliche Ansatzwahlrechte in der Folgezeit beizubehalten sind, sondern auch Ermessensspielräume, die über den Ansatz – unabhängig vom Vorliegen eines Ansatzgebotes oder eines Ansatzwahlrechtes – entscheiden, im Zeitablauf einheitlich auszuüben sind (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. II, S. 41 (44, 46); fernerhin Bieg et al. (2009), S. 33).

Die zeitliche Dimension ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach der Vergleich mit dem "vorhergehenden JA" angestellt wird; nach der sich hieraus ergebenden, sog. "interperiodischen Ansatzstetigkeit" darf ein im VJ für einen bestimmten immateriellen VG, für ein Disagio, für aktive latente Steuern oder für Pensionsrückstellungen i. S. d. Art. 28 EGHGB ausgeübtes Ansatzwahlrecht im Folgejahr nicht wieder von Neuem ausgeübt werden (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. II, S. 41 (45)). Eine interperiodische Ansatzstetigkeit setzt eine gewisse Regelmäßigkeit des zeitlichen Anfalls eines bestimmten Bilanzierungswahlrechtes voraus (die Rede ist von dem Vergleich mit dem "vorhergehenden" JA); für bspw. unregelmäßig anfallende Disagios dürfte der Ansatzstetigkeitsgrundsatz daher nicht gelten (vgl. dazu Küting/Tesche, DStR 2009, S. 1491ff.).

Analog zur Interpretation des Bewertungsstetigkeitsprinzips wird dem Ansatzstetigkeitsprinzip neben der zeitlichen auch eine sachliche Dimension zugestanden (vgl. etwa ADS (1998), § 255, Rn. 250; HdR-E, HGB § 252, Rn. 141); folglich sollen "Ansatzwahlrechte [...] sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht nur einheitlich" (BilMoG-HB (2009), Kap. II, S. 41 (45)) ausübbar sein, sofern es sich um gleiche oder gleichartige Bilanzierungsobjekte handelt (sog. Art- und Funktionsgleichheit). Faktisch existiert somit für gleiche oder gleichartige Bilanzierungsobjekte im selben Jahr sowie für Neuzugänge im folgenden Jahr dann kein Ansatzwahlrecht, wenn diese gegenüber den bereits bilanzierten oder gerade nicht bilanzierten, aber im UN vorhandenen Bilanzierungsobjekten als gleich oder gleichartig anzusehen sind.

Die enge Auslegung der Ansatzstetigkeit wird abgeleitet zum einen aus der Zwecksetzung des sie begründenden Gesetzes, welches eine Erhöhung der Transparenz und demgemäß eine bessere Informationsvermittlung des JA verfolgt (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 105), und zum anderen in Anlehnung an die Interpretation des Bewertungsstetigkeitsgebotes, welches die Aussagefähigkeit und Willkürfreiheit des JA bezweckt (vgl. ADS (1998), § 252, Rn. 103; BilMoG-HB (2009), Kap. II, S. 41 (45), mit Verweisen auf HdR-E, HGB § 252, Rn. 141).

Bei der Entscheidung über das Vorliegen gleicher oder gleichartiger Bilanzierungsobjekte dürfte allerdings ein gewisser Ermessensspielraum existieren; während eine "Art- und Funktionsgleichheit [...] hinsichtlich des Ansatzes [...] aktiver latenter Steuern und des Ansatzes von Pensionsrückstellungen, die unter das Passivierungswahlrecht des Art. 28 EGHGB fallen, immer zu bejahen" (BilMoG-HB (2009), Kap. II, S. 41 (45)) sein dürfte, liegt es wohl im Ermessen des Bilanzierenden, zu beurteilen, inwiefern verschiedene Disagien ebenso wie selbst erstellte immaterielle VG des AV als gleichartig anzusehen sind (vgl. zudem BilMoG-HB (2009), Kap. II, S. 41 (45), wonach bei Disagien eine grds. Gleichartigkeit befürwortet wird). Bspw. dürfte das Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle VG des AV aufgrund der großen Unterschiedlichkeit verschiedener dort vorzufindender immateriel...

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