Dr. Klaus-Hermann Dyck, Prof. Dr. Sven Hayn
1. Konzeption als Korrekturposten zum Eigenkapital
Rn. 188
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Der aktivisch auszuweisende Fehlbetrag stellt eine rein rechnerische Korrekturgröße zum EK dar, die sich ergibt, wenn die Summe sämtlicher EK-Posten i. S. v. § 266 Abs. 3 A. negativ ist (vgl. grundlegend dazu auch Küting/Grau, DB 2014, S. 729ff.). Er weist eindeutig nicht den Charakter eines VG auf und kann diesen Charakter auch nicht in Abhängigkeit von einzelnen Transaktionen oder Entscheidungen annehmen. Er ist nicht als Bilanzierungshilfe anzusehen und darf auch nicht mit dem Jahresfehlbetrag bzw. Bilanzverlust eines GJ verwechselt werden (vgl. ADS (1997), § 268, Rn. 86). Der Ausweis dieses Betrags unter den Aktiva ist, obwohl es sich eben eindeutig nicht um ein Aktivum handelt, zwingend vorgeschrieben, um den Ausweis eines Negativbetrags in der Hauptspalte der Passivseite zu vermeiden.
Die RL-Vorschriften sehen mit § 272 weitere ergänzende Vorschriften zum bilanziellen Ausweis des EK vor. Im Hinblick auf den bilanziellen Ausweis von ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kap. sind nach § 272 Abs. 1 Satz 2 die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kap. von dem Posten "Gezeichnetes Kap." offen abzusetzen. Der verbleibende Betrag ist als Posten "Eingefordertes Kap." in der Hauptspalte der Passivseite auszuweisen. Der eingeforderte, aber noch nicht eingezahlte Betrag ist unter den Forderungen gesondert auszuweisen und entsprechend zu bezeichnen. Damit wurde im Zuge des BilMoG das zuvor existierende Ausweiswahlrecht, ausstehende Einlagen im Wege eines Brutto- oder Nettoausweises zeigen zu dürfen, abgeschafft. Gleichzeitig wurde die passivische Verrechnung der nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen mit dem Posten "Gezeichnetes Kap." i. S.e. Nettoausweises zwingend vorgeschrieben (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 140ff.). Sie stellen damit einen passivischen Korrekturposten zum EK dar. Zur Verdeutlichung soll das nachfolgende Fallbeispiel dienen (in Anlehnung an: HB-BilMoG (2010), Kap. 2/7/1, S. 409 (412ff.).
Sachverhalt:
Eine AG hat ihr Kap. durch Ausgabe von 1 Mio. Aktien zum Nennwert und Ausgabebetrag von 10 EUR pro Aktie erhöht. Davon waren 5 EUR pro Aktie sofort einzuzahlen. Der Vorstand fordert von den zunächst nicht eingezahlten Beträgen bis zum Abschlussstichtag 3 EUR pro Aktie ein (Zahlenangaben nachstehend jeweils in: TEUR).
Die AG setzt die nicht eingeforderten Einlagen i. H. v. 2 Mio. EUR offen vom (erhöhten) Kap. ab und weist ein um 8 Mio. EUR angestiegenes eingefordertes Kap. aus. Das eingeforderte Kap. fällt gegenüber dem gezeichneten Kap. in der Bruttodarstellung um 2 Mio. EUR niedriger aus. Die eingeforderten Einlagen von 3 Mio. EUR sind unter den Forderungen auszuweisen.
Durch den derweil verpflichtenden Nettoausweis von ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kap. wird das EK vergleichsweise schneller verbraucht (vgl. auch HdR-E, HGB § 268, Rn. 192). Im Hinblick auf die bilanzielle Behandlung von eigenen Anteilen haben sich die Ausweisvorschriften ebenfalls durch das BilMoG geändert. Die Änderungen finden ihre konkrete Berücksichtigung in den Abs. 1a und 1b des § 272. Hiernach sind künftig zurückerworbene eigene Anteile – unabhängig vom Erwerbszweck – zwingend als Korrekturposten zum EK auszuweisen. Dazu ist der rechnerische Wert der erworbenen eigenen Anteile in einer Vorspalte offen von dem Posten "Gezeichnetes Kap." abzusetzen. Zur Verdeutlichung soll nachfolgende Darstellung dienen:
2. Entstehungsursachen des Fehlbetrags
Rn. 189
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Formulierung des § 268 Abs. 3 ist hinsichtlich der möglichen Ursachen für die Entstehung eines nicht durch EK gedeckten Fehlbetrags nicht zweifelsfrei. Der erste Halbsatz von § 268 Abs. 3 lautet: "Ist das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht und ergibt sich ein Überschuß der Passivposten über die Aktivposten". Dadurch ergeben sich bezüglich der Entstehungsursachen zwei Probleme: Zum einen ist unklar, ob das Bindewort "und" als ein additives oder als ein alternatives "und" zu verstehen ist; zum anderen kann ein Überschuss der Passiv- über die Aktivposten wegen der aus den Prinzipien der doppelten Buchführung sich zwingend ergebenden betragsmäßigen Gleichheit der beiden Bilanzseiten eigentlich nicht auftreten.
a) Verlust als Entstehungsursache
Rn. 190
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Der Begriff "Verlust" ist den RL-Vorschriften fremd; außer in § 268 Abs. 3 wird dieser Begriff nicht weiter verwendet. Gemeint sein kann hiermit eigentlich nur der Jahresfehlbetrag bzw. die Aggregation mehrerer Jahresfehlbeträge im Verlustvortrag (vgl. HdR-E, HGB § 268, Rn. 33ff.). Der Tatbestand, dass in den RL-Vorschriften eine Vielzahl von Begriffen für negative Jahresergebnisse bzw. aggregierte negative Jahresergebnisse verwendet wird, kann als Ursache für die Verwendung des Begriffs "Verlust" in § 268 Abs. 3 angesehen werden. Als Verlust soll demnach allg. der Überschuss der Aufwendungen über die Erträge bezeichnet werden. Ein Zeitraum ist nicht zwingend abzugrenzen; es ist lediglich zu beachten, dass die Aufwendungen den Erträgen gegenübergestellt werden, die der wie auch ...