Rn. 9
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Den Begriff des Geheimnisses bestimmen sowohl subjektive als auch objektive Merkmale. Es muss sich um das UN betreffende, nicht offenkundige Tatsachen handeln. Das UN muss bezüglich dieser Tatsachen ein objektives Geheimhaltungsinteresse haben und diese nicht offenbaren wollen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1981, XZR 71/80, NJW 1982, S. 937f.); Heymann (2020), § 333 HGB, Rn. 15; Scholz-GmbHG (2021), § 85, Rn. 14ff.). Als offenkundig gilt eine Tatsache stets dann, wenn sie bereits allg. bekannt ist oder auf eine solche Weise zugänglich ist, dass jeder daran Interessierte die Möglichkeit hat, unter normalen Verhältnissen (z. B. auch durch das Internet) Kenntnis von der Tatsache zu erlangen. Als nicht offenkundig gilt hingegen eine Tatsache, deren Kenntnis auf einen eng begrenzten Personenkreis beschränkt ist. An die Zusammensetzung dieses Personenkreises sind keine besonderen Anforderungen zu stellen, ausschlaggebend ist lediglich die Zahl der Personen; denn wenn der Personenkreis so ausgeweitet ist, dass er jeden Interessierten einschließt und somit die Tatsache dem beliebigen Zugriff eines jeden, der daran Interesse hat, preisgegeben ist, so ist sie offenkundig. Die bloße Kenntnis von Umständen durch Betriebsangehörige, einzelne Kunden oder Lieferanten führt hingegen noch nicht zur Offenkundigkeit (vgl. RG, Urteil vom 02.07.1909, V 441/09, RGSt 42, S. 394 (396)).
Rn. 10
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"Das Geheimhaltungsinteresse wird objektiv bestimmt durch die Maßstäbe sachgemäßer Unternehmensführung. Geheimhaltungsinteresse ist zu bejahen, wenn der Gesellschaft durch Offenbarung materieller oder immaterieller Schaden droht" (Baumbach/Hueck (2017), § 85 GmbHG, Rn. 9). Es ist dagegen unerheblich, ob es sich um ein rechtlich schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse oder sitten- bzw. rechtswidriges Geheimnis handelt, wie etwa die Teilnahme an einer Kartellabsprache (vgl. Scholz-GmbHG (2021), § 85, Rn. 24ff.; Otto (1997), § 404 AktG, Rn. 16). Da der Prüfer nicht als Organ der Rechtspflege tätig ist, ist auch die Offenbarung eines sittenwidrigen Geheimnisses tatbestandsmäßig (vgl. Heymann (2020), § 333 HGB, Rn. 17).
Rn. 11
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Ferner ist der Wille zur Geheimhaltung, also der Wille des Geheimnisinhabers, andere von der Kenntnis einer Tatsache auszuschließen, erforderlich. Umstritten ist jedoch, ob dieser Geheimhaltungswille ausdrücklich oder konkludent erklärt worden sein muss oder es genügen soll, dass der vermutliche Wille zur Geheimhaltung evident ist. Nach zutreffender Meinung ist der Geheimhaltungswille nicht für jedes einzelne Geheimnis positiv nachzuweisen, da dies auch im Einzelfall nicht nachweisbar wäre. Ausschlaggebend muss daher sein, ob die Geheimhaltung einer Tatsache grds. im UN-Interesse begründet ist, mithin ein objektives Geheimhaltungsinteresse vorliegt (vgl. so Baumbach/Hueck (2017), § 85 GmbHG, Rn. 10). Dieser durch das Geheimhaltungsinteresse begründete Geheimhaltungswille endet erst mit der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung eines Offenbarungswillens (vgl. Heymann (2020), § 333 HGB, Rn. 18f.). Ein solcher Offenbarungswille muss durch die für die Geschäftsführung zuständigen Organe geäußert werden. Die zugewiesenen Geschäftsführungsbereiche sind dabei zu beachten. Gibt es hingegen einen ausdrücklich geäußerten Geheimhaltungswillen (vgl. z. B. § 321a Abs. 3 Satz 1), so muss auch dieser Geheimhaltungswille vom objektiven Geheimhaltungsinteresse getragen sein. Eine willkürlich durch keinerlei sachliche Gründe gebotene Geheimniskrämerei verdient keinen strafrechtlichen Schutz (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 333 HGB, Rn. 6).
Rn. 12
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Mit der Offenbarung wird das Geheimnis beseitigt. Eine Offenbarung muss jedoch durch pflicht- und ordnungsgemäße Geschäftsführung erfolgen, denn durch eine pflichtwidrige Offenbarung verliert die Tatsache weder ihren Geheimnischarakter noch ihren Geheimniswert für das UN (vgl. Baumbach/Hueck (2017), § 85 GmbHG, Rn. 10). Hat die pflichtwidrige Offenbarung hingegen dazu geführt, dass das Geheimnis bereits allg. bekannt geworden ist, so ist auch der Geheimnischarakter verloren (vgl. Heymann (2020), § 333 HGB, Rn. 21).