Prof. Dr. Christoph Hütten, Dr. Julia Zicke
Rn. 13
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
§ 329 Abs. 1 verlangt die Überprüfung der "Vollzähligkeit" der eingereichten Unterlagen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass allein zu prüfen ist, ob die Zahl der tatsächlich eingereichten Unterlagen unabhängig von ihrer Art der Zahl der einzureichenden Unterlagen entspricht; vielmehr ist auch die Art der eingereichten Unterlagen zu prüfen, d. h., ob es sich überhaupt um einen JA, einen Lagebericht etc. handelt (vgl. auch bereits BT-Drs. 10/317, S. 99). Dieses Niveau der Prüfung kann bereits bei der Offenlegung von Zweigniederlassungen europäischer KapG aufgrund der Fremdsprache und des anderen rechtlichen Hintergrunds eine beträchtliche Herausforderung darstellen (vgl. HdR-E, HGB § 325a, Rn. 37ff.; HdR-E, HGB § 329, Rn. 44ff.).
Rn. 14
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Kontrolle, ob es sich bei den übermittelten Unterlagen auch tatsächlich um die offenzulegenden Unterlagen handelt, beschränkt sich jedoch auf eine oberflächliche Durchsicht. So muss und darf die das UN-Register führende Stelle bspw. das Fehlen eines JA nur dann annehmen, wenn keines der eingereichten Schriftstücke den Eindruck vermittelt, ein JA zu sein. Dies dürfte – im Extremfall – immer dann gegeben sein, wenn weder eine Bilanz noch eine GuV oder nur eines der Instrumente identifiziert werden kann (vgl. MünchKomm. HGB (2020), § 329, Rn. 7). Außerdem hat die das UN-Register führende Stelle bereits dann vom Fehlen des JA auszugehen, wenn der Anhang fehlt. Die Rechenwerke und der Anhang bilden gemäß § 264 Abs. 1 eine Einheit; fehlt einer dieser Bestandteile, liegt kein JA vor (vgl. LG Bonn (2009)). Dass bei Fehlen der Bilanz vom Fehlen des JA auszugehen ist, ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber in § 329 Abs. 2 der das UN-Register führende Stelle zwar ein Auskunftsrecht zur Bestimmung der Größenklasse des betroffenen UN einräumt (vgl. HdR-E, HGB § 329, Rn. 24ff.), hierbei jedoch die BS nicht zu den einforderbaren Informationen zählt und damit deutlich macht, dass er stets von der Vorlage einer Bilanz ausgeht.
Rn. 15
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Auch die Form- und Formatvorschriften des § 328 gehören nicht zum Gegenstand der Überprüfung (vgl. MünchKomm. HGB (2020), § 329, Rn. 8). Die Befolgung der in § 328 Abs. 1a Satz 2 kodifizierten Pflicht zur Wiedergabe des BV bzw. Versagungsvermerks (vgl. HdR-E, HGB § 328, Rn. 42ff.) ist jedoch zu prüfen. Grund hierfür ist, dass der BV bzw. Versagungsvermerk in § 325 Abs. 1 gesondert aufgeführt wird und nicht etwa einen Bestandteil des JA darstellt. Damit ist der Vermerk selbst einer der Unterlagen, deren Vorhandensein von der das UN-Register führenden Stelle i. R.d. Vollständigkeitsprüfung zu kontrollieren ist (vgl. MünchKomm. HGB (2020), § 329, Rn. 8; Lutter/Hommelhoff (2020), Anhang zu § 42a GmbHG, Rn. 41f.). Inwieweit jedoch die Formulierung des übermittelten BV bzw. Versagungsvermerks jener entspricht, die vom AP zum Abschluss seiner Prüfung gewählt wurde, fällt nicht unter den Prüfungsumfang der das UN-Register führenden Stelle.
Rn. 16
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Selbst wenn die das UN-Register führende Stelle i. R.d. Durchsicht inhaltliche oder formelle Fehler in den übermittelten Unterlagen feststellt, muss und darf sie hieraus nicht die Konsequenz ziehen, die betroffene Unterlage als nicht übermittelt zu erachten. Einen Extremfall stellte bis zur Reform der Offenlegungsvorschriften durch das sog. Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) vom 07.06.2015 (BGBl. I 2015, S. 1245ff.) die Einreichung einer sog. "Nullbilanz" dar, d. h. die Einreichung bzw. Übermittlung einer Bilanz, deren Posten nur mit dem Wert Null ausgewiesen werden. Diese Praxis ist nach heutiger Rechtslage nicht mehr sinnvoll und auch kaum mehr möglich (vgl. HdR-E, HGB § 325, Rn. 164).
Rn. 17
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Fraglich ist, wie die das UN-Register führende Stelle zu verfahren hat, wenn ein UN nicht alle offenzulegenden Unterlagen gleichzeitig, sondern einzelne Unterlagen früher als andere einreicht. Da § 325 Abs. 1 die Offenlegung des festgestellten oder gebilligten JA verlangt und der Feststellung bzw. Billigung die AP vorausgeht, die ihrerseits auch den Lagebericht umfasst, könnte man argumentieren, dass die das UN-Register führende Stelle erwarten muss, dass JA, Lagebericht und BV gleichzeitig übermittelt werden (vgl. so z. B. BfJ (2022): "Gemeinsam mit dem (festgestellten oder gebilligten) Jahresabschluss und dem Lagebericht ist auch der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers oder der Vermerk über dessen Versagung innerhalb der Jahresfrist offenzulegen." § 328 Abs. 3 (letzter Halbsatz) regelt jedoch explizit den Fall, dass das Testat des AP später als der Abschluss offengelegt wird. Daher genügt es nach hier vertretener Auffassung, wenn Abschluss, Lagebericht und BV vor Ablauf der vorgegebenen Frist übermittelt sind, selbst wenn sie nicht zusammen übermittelt werden (vgl. auch Merkt/Osbahr, DB 2018, S. 1477 (1479), die ebenfalls eine nachträgliche Übermittlung des BV für zulässig erachten)....