Rn. 4

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Das AktG 1937 kannte keine den §§ 311ff. AktG vergleichbare Vorgängerregelung. Schon vor Inkrafttreten der Aktienrechtsreform 1965 hatte sich jedoch die Ansicht durchgesetzt, dass die Schädigung einer abhängigen Gesellschaft ohne Nachteilsausgleich unzulässig sei (vgl. KK-AktG (2004), Vorbemerkungen zu § 311, Rn. 1; Luchterhandt, ZHR 1970, S. 1 (8)). Der RefE zur Aktienrechtsnovelle ging noch von einem Verbot jeder nachteiligen Weisung ohne UN-Vertrag aus und sah eine scharfe Erfolgshaftung des herrschenden UN und seiner Organmitglieder für jede von ihm veranlasste nachteilige Maßnahme der abhängigen Gesellschaft vor (vgl. hierzu eingehend Dettling (1997), S. 213ff., 224ff.). Schon der RegE des Jahres 1960 (vgl. BT-Drs. IV/171) hatte auf die heftige Kritik der Wirtschaft diese strenge Haltung gelockert und den Ausgleich von Nachteilen durch Vorteile aus einem Vertrag zugelassen. In Kauf genommen wurde, dass das herrschende UN nicht nur durch Ausübung seiner Gesellschaftsrechte, sondern auch außerhalb der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft einwirken konnte (vgl. BT-Drs. IV/171, S. 215). Aufgrund eines eindeutigen Bekenntnisses zum Schädigungsverbot (vgl. Dettling (1997), S. 279ff.) musste der Kompensationsvertrag aber noch "mit dem nachteiligen Geschäft oder der nachteiligen Maßnahme" so eng zusammenhängen, dass beide "wirtschaftlich als ein einheitliches Geschäft anzusehen" waren. Diese Beschränkung des Nachteilsausgleichs auf einheitliche Geschäfte wurde i. R.d. Beratungen im Wirtschafts- und Rechtsausschuss des BT dann nochmals gelockert und ein Ausgleich innerhalb des GJ erlaubt. Nach Ansicht der Mehrheit der Mitglieder des Rechtsausschusses werden die Interessen, die über die §§ 300ff. AktG gewahrt werden sollten, auch dann noch genügend geschützt, wenn die Vor- und Nachteile innerhalb einer Rechnungsperiode ausgeglichen werden müssen (vgl. BT-Drs. IV/3296, S. 48f.; zum Ganzen Dettling (1997), S. 308ff.).

 

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Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die verabschiedete Regelung ist ein Kompromiss, der zwar schließlich die nahezu einhellige Zustimmung des BT fand, der aber die Uneinigkeit der Beteiligten nicht allein in vielen Detailfragen, sondern auch im Grundsätzlichen nur mühsam überdeckt. Die Interpretationsschwierigkeiten, welche der Regelungskomplex bis heute aufwirft, sind die zwangsläufige Folge dieser heterogenen Zielsetzungen. Der Gesetzgeber hat das Recht der nur faktisch verbundenen UN im AktG trotz der verbreiteten Kritik lange unangetastet gelassen. Erst i. R.d. Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.04.1998 (BGBl. I 1998, S. 786ff.) kam es zur Einfügung eines durch das Euro-Einführungsgesetz (EuroEG) vom 09.06.1998 (BGBl. I 1998, S. 1242ff.) sowie das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005 (BGBl. I 2005, S. 2802ff.) wieder geänderten § 315 Satz 2 AktG, der die Effektivität der konzernrechtlichen Sonderprüfung erhöhen sollte. Er ermöglicht den Antrag einer Aktionärsminderheit auf Bestellung eines Sonderprüfers auch dann, wenn nicht die engen Voraussetzungen des § 315 Satz 1 Nr. 1–3 AktG vorliegen, aber sonstige Tatsachen den Verdacht einer Nachteilszufügung rechtfertigen. Zu weiteren Änderungen des § 315 AktG, die über die durch das EuroEG und UMAG vorgenommenen hinausgingen, kam es in verfahrensrechtlicher Hinsicht durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) vom 17.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2586ff.). Das Kapitalgesellschaften- & Co.-Richtlinie-Gesetz KapCoRiLiG vom 24.02.2000 (BGBl. I 2000, S. 154ff.) hatte sodann wiederum zur Folge, dass der Prüfungsbericht des AP nun dem AR statt dem Vorstand vorzulegen ist (vgl. § 313 Abs. 2 Satz 3 AktG). Darüber hinaus ist der AP nach § 314 Abs. 4 AktG n. F. zur Teilnahme an den Verhandlungen des AR oder eines Ausschusses über den Abhängigkeitsbericht verpflichtet, um dort über seine Prüfung zu berichten.

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