Rn. 10

Stand: EL 23 – ET: 07/2016

Mit der Zulassung von Verbrauchsfolgeverfahren sollten dem Kaufmann Bewertungserleichterungen eingeräumt werden für den Fall, dass die Bewertung von Vorräten praktisch unmöglich ist oder nur mit großem Aufwand durchgeführt werden kann. Damit ist hier ebenso wie bei der Fest- oder Gruppenbewertung eine Ausnahme vom Prinzip der Einzelbewertung gesetzl. geregelt. Sinn der Vorschrift ist es aber nicht nur, Vereinfachungen gegenüber einer Bewertung nach den allg. Bestimmungen zuzulassen. Das Wort "Bewertungsvereinfachung" wird ausschließlich in der Überschrift des § 256 verwendet und dient damit nur zur allg. Charakterisierung der Vorschrift. Der Wortlaut des § 256 setzt nicht das tatsächliche Eintreten einer Bewertungsvereinfachung voraus und stellt nicht auf einen bestimmten Vereinfachungszweck ab; dies gilt auch für die in Satz 2 aufgeführten Methoden der Fest- und Gruppenbewertung.

Neben dem offensichtlichen Hauptzweck einer Bewertungsvereinfachung hat § 256 ebenfalls zum Ziel, dem Kaufmann Erleichterungen zu gewähren, wenn die "normale" Bewertung des Vorratsvermögens entweder die Vermögens- oder die Ertragslage verfälscht. Der Kaufmann hat dann die Möglichkeit, durch die Wahl einer der zugelassenen Verbrauchsfolgen die Darstellung individuell zu korrigieren und den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen. Da § 256 zwei Verbrauchsfolgen zulässt, ergibt sich dieser Nebenzweck jeweils aus dem Effekt der einzelnen Verbrauchsfolge. So können bei der Lifo-Methode bei stark schwankenden Marktpreisen für bestimmte Vorräte Scheingewinne und anschließende Scheinverluste, die ein WJ belasten, sich aber im Laufe eines längeren Zeitraums ausgleichen, geglättet oder bei laufenden Preissteigerungen unrealisierte Scheingewinne aus der Bewertung vermieden werden, um die Substanz zu erhalten. Dies ist als Nebeneffekt vom Gesetzgeber gewollt und auch mit dem Nominalwertprinzip vereinbar (vgl. i.E. zur Diskussion über die Zielsetzung der Lifo-Methode HdR-E, HGB § 256, Rn. 16 ff.).

 

Rn. 10a

Stand: EL 23 – ET: 07/2016

Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, dass die Bewertungsvereinfachung alleiniger Gesetzeszweck des § 256 sei (vgl. BFH-Urt. v. 20.06.2000, BStBl. II 2001, S. 636 ff.; ebenso bezogen auf die Lifo-Methode z. B. Hüttemann, R./Meinert, C. 2013, S. 1865). Ein ausdrücklicher Hinweis in der Gesetzesbegründung auf den – von der jeweiligen Verbrauchsfolgeart abhängigen – Nebenzweck fehlt, ist aber auch nicht unbedingt erforderlich. Der gewollte Nebenzweck ergibt sich aus der Gesetzeshistorie und der jahrlangen Anwendung der Lifo-Methode in der Praxis, die dem Gesetzgeber bewusst war und ihn zur Aufnahme einer entspr. gesetzl. Regelung bereits im AktG 1965 bewog. Der BFH weist zwar zu Recht darauf hin, dass subjektive Erwägungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten nur in Ausnahmefällen Bedeutung haben. Dies ist aber hier der Fall, da § 155 Abs. 1 Satz 3 AktG 1965 die vorher in der Praxis anerkannten Bewertungsmethoden legalisierte und der damit erzielte Nebeneffekt bekannt war; § 256 führt dies fort.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Bilanzierung HGB/EStG Kommentare Online enthalten. Sie wollen mehr?