Rn. 62

Stand: EL 42 – ET: 05/2024

Die Norm gibt ein Organisationsziel vor und verpflichtet den Gesamtvorstand aller AG zu geeigneten Maßnahmen. Wie in § 91 Abs. 1 AktG für die Buchführung wird ein Einzelaspekt der in § 76 Abs. 1 AktG kodifizierten Leitungsverantwortung konkretisiert: Dem gesamten Vorstand wird die Schaffung eines Organisationsstandards auferlegt, der die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen ermöglicht. Hierzu ist insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten. Spricht man im Falle von Abs. 1 von der Buchführungspflicht, so kann für Abs. 2 von einer Bestandssicherungspflicht gesprochen werden (vgl. Bartone (2001), Rn. 6140). Durch die explizite Aufnahme der Verpflichtung in das Gesetz wird ein Teilaspekt der allg. Leitungspflicht betont (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 91, Rn. 4). Das einzurichtende Risikofrüherkennungs- ebenso wie Überwachungssystem dienen der Insolvenz- und Krisenprophylaxe (vgl. Schichold, in: FS Otte (2001), S. 397 (398)). Die Gesamtverantwortung betrifft auch hier den Vorstand als Organ und somit auch jedes einzelne Vorstandsmitglied inkl. der stellvertretenden Vorstandsmitglieder (vgl. Bommert (2008), Rn. 67; Hölters-AktG (2022), § 91, Rn. 1). Unterstellt man eine Geltung dieser Vorschrift für GmbH, so fällt diese Organisationspflicht ebenfalls in die Gesamtverantwortung der Geschäftsführer (vgl. Daum (2001), Rn. 52).

 

Rn. 63

Stand: EL 42 – ET: 05/2024

Der Wortlaut der Vorschrift lässt zunächst offen, worauf sich die Überwachungsaufgabe des Vorstands bezieht. Diese könnte sowohl die bestandsgefährdenden Risiken als auch die Maßnahmen und ihre Eignung betreffen, weshalb es im Folgenden einer konkretisierenden Auslegung bedarf (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 91, Rn. 5). Bei der Analyse dieser Fragestellung erweist sich der Blick auf die o. a. Entstehungsgeschichte als hilfreich, da die endgültige Formulierung lediglich eine Verkürzung des ursprünglichen RefE darstellt (vgl. auch Claussen, DB 1998, S. 177 (181)). Somit ist dem Überwachungssystem die Aufgabe zuzuordnen, die Einhaltung der vom Vorstand einzurichtenden Maßnahmen zu überwachen, blieb doch die funktionale Intention gegenüber dem RefE unverändert (vgl. HdR-E, AktG § 91, Rn. 109ff.; Zimmer/Sonneborn (2001), Rn. 187).

 

Rn. 64

Stand: EL 42 – ET: 05/2024

Anzumerken ist, dass der Begriff des Überwachungssystems durch die bisherige Rspr. inhaltlich ebenso wenig hinreichend konkretisiert worden ist wie die Begriffe "Risiko" und "Risikomanagementsystem" (vgl. Amling/Bischof, ZIR-Sonderheft 2a/1999, S. 44 (55); Lück (1999), S. 142; Schäfer (2001), S. 1; Vogler/Gundert, DB 1998, S. 2377).

 

Rn. 65

Stand: EL 42 – ET: 05/2024

Neben der Konkretisierung der allg. Leitungspflicht erfolgt eine ebensolche für die Sorgfaltspflichten des Vorstands i. S. d. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber in seiner Begründung des RegE darauf hingewiesen hat, dass der Pflichtenumfang in Abhängigkeit von Größe, Branche, Struktur und Kap.-Marktzugang eines UN variiert (vgl. auch ADS (2001), § 91 AktG, Rn. 8ff.). "Die Verpflichtung des Vorstands, für ein angemessenes Risikomanagement und für eine angemessene interne Revision zu sorgen, soll verdeutlicht werden. Es handelt sich um eine gesetzliche Hervorhebung der allgemeinen Leitungsaufgabe des Vorstands gemäß § 76 AktG, zu der auch die Organisation gehört. Die Verletzung dieser Organisationspflicht kann zur Schadensersatzpflicht führen" (BT-Drs. 13/9712, S. 15). Die Formulierung der Begründung des RegE ist jedoch nicht dahingehend auszulegen, dass die interne Revision eine Pflichtinstitution darstellt, derer es zur Pflichterfüllung zwingend bedarf; vielmehr geht es hierbei um die Betonung des Erfordernisses funktionierender, unabhängiger Prüfungsmechanismen, nicht aber um die Verpflichtung zur Einrichtung einer Sonderabteilung. Das einzurichtende Überwachungssystem kann jedoch je nach Komplexität der UN-Tätigkeit oder Größe einer AG sinnvoll durch interne Revision und Controlling erweitert werden (vgl. Amling/Bischof, ZIR-Sonderheft 2a/1999, S. 44 (46); Gernoth, DStR 2001, S. 299 (300); für die kleine AG Bommert (2008), Rn. 106f.). Der internen Revision kann etwa die Beurteilung des IKS zugewiesen werden. Ihre Handlungen manifestieren sich in der Überprüfung der Vollständigkeit, Wirksamkeit und Zuverlässigkeit der Kontrollmaßnahmen. Über die Revisionsberichte können dem Vorstand somit Informationen zur Ausgestaltung, Mängelbeseitigung oder Verbesserung vorgelegt werden (vgl. AK "Interne Revision in der Versicherungswirtschaft" (1999), ZIR 1999, S. 185 (195f.); überdies Kromschröder/Lück, DB 1998, S. 1573 (1575f.); Linsi, ST 2000, S. 723 (725ff.); zu den konkreten organisatorischen Anforderungen HdR-E, AktG § 91, Rn. 112f.).

Der Vergleich mit der dargelegten Situation vor Inkrafttreten des KonTraG sowie die nachfolgenden Ausführungen verdeutlichen, dass der Zweck dieser Norm in der Konkretisierung der Vorstandspflichten im Aktienrecht sowie in der Schaff...

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