Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
Rn. 19
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Der Gesetzgeber nimmt mit der Auflistung von allg. Bewertungsgrundsätzen in den Nr. 1–6 des § 252 Abs. 1 keine Rangordnung oder sonstige Systematisierung vor (vgl. Müller, in: FS Goerdeler (1987), S. 397 (405); aber zum Stetigkeitsgebot Müller, in: FS Goerdeler (1987), S. 397 (406); ADS (1995), § 252, Rn. 6; Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 2). Es werden lediglich "bestimmte allgemeine Bewertungsgrundsätze hervorgehoben" (BT-Drs. 10/4268, S. 99).
Rn. 20
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Eine gewisse Dominanz des Vorsichtsprinzips wird in weiten Teilen des Schrifttums allerdings nicht bestritten (vgl. ADS (1995), § 252, Rn. 60; Ballwieser/Küting/Schildbach, BFuP 2004, S. 529 (546); Bigus, ZfbF 2007, S. 567f.); HGB-PraxisKomm. (2020), § 252, Rn. 41; Coenenberg/Haller/Schultze (2018), S. 42; Fülbier/Gassen/Sellhorn, ZfB 2008, S. 1317 (1318); Leffson (1987), S. 465ff.; Moxter (2003), S. 33ff.; Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 30; auch HdR-E, HGB § 252, Rn. 75ff.; a. A. Bonner HGB-Komm. (2011), § 252, Rn. 142). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Grundsatz in Nr. 4 zwar einige zentrale Aspekte des allg. Vorsichtsprinzips beinhaltet, nicht jedoch mit diesem identisch ist. Der Grundsatz nach Nr. 4 beinhaltet streng genommen den Grundsatz der allg. Bewertungsvorsicht bei Bestehen eines Schätzspielraums (vgl. z. B. Leffson (1987), S. 465ff.; Beck-HdR, B 161 (2011), Rn. 22), das Imparitäts- und Realisationsprinzip. Das allg. Vorsichtsprinzip greift indes weiter und bezieht sich sowohl auf den Bilanzansatz als auch auf die Bewertung und schließt bezüglich der Bewertung neben den in Nr. 4 kodifizierten Prinzipien noch spezielle Regeln zur vorsichtigen Erst- und Folgebewertung (vgl. z. B. § 253) mit ein (vgl. mit a. A. wohl Müller, in: FS Goerdeler (1987), S. 397 (403)). Mit der Bilanz-R ist der dieser Norm zugrunde liegende Art. 6 allerdings breiter ausgestaltet worden und bezieht im einleitenden Halbsatz unter lit. c) explizit den Ansatz mit ein.
Rn. 21
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Das Verhältnis der allg. Bewertungsgrundsätze könnte z. T. auch konkurrierenden Charakter erlangen. Im Schrifttum zu § 252 werden hier insbesondere die Grundsätze der Nr. 4 und 6 sowie der Nr. 4 und 5 genannt (vgl. insbesondere ADS (1995), § 252, Rn. 6). Eine Abwägung dieser Grundsätze kann nur im einzelnen Konfliktfall erfolgen. Ein generelles Primat des in Nr. 4 kodifizierten Grundsatzes existiert hier allerdings nicht, zumal es notwendig erscheint, präzise zu identifizieren, ob und welcher Aspekt des in Nr. 4 kodifizierten Vorsichtsprinzips tatsächlich betroffen ist. Ein Konkurrenzverhältnis zu dem Grundsatz der allg. Bewertungsvorsicht ist z. B. schwer vorstellbar (vgl. bspw. für einen etwaigen Konflikt zwischen Nr. 4 und Nr. 6 Forster, in: FS v. Wysocki (1985), S. 29 (37f.)). Spätestens seit der Überführung des in Nr. 6 kodifizierten Grundsatzes der Methodenbeibehaltung von einer Soll- in eine Muss-Vorschrift durch das BilMoG kann einer grds. nachrangigen Bedeutung auch dieser Vorschrift nicht mehr das Wort geredet werden.