Prof. Dr. Hartmut Bieg, Prof. Dr. Gerd Waschbusch
Rn. 60
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Nach § 271 Abs. 1 Satz 5 gilt die Mitgliedschaft in einer eG nicht als Beteiligung i. S. d. RL-Vorschriften des Dritten Buchs des HGB (vgl. Bieg/Waschbusch (2017), S. 233f.). Bedauerlicherweise findet sich im Gesetz aber kein Hinweis auf den stattdessen zu wählenden Bilanzposten. Wie die folgenden Erörterungen zeigen werden, täte der Gesetzgeber allerdings gut daran, in § 271 Abs. 1 einen entsprechenden Zuordnungshinweis für Genossenschaftsanteile einzufügen. Die jetzige Situation ist ein hervorragendes Beispiel für ein vom Gesetzgeber zu verantwortendes, sinnlos Ressourcen bindendes Arbeitsbeschaffungsprogramm für HGB-Kommentatoren. Es stellt sich nämlich die Frage, ob der Gesetzgeber mit der Regelung des § 271 Abs. 1 Satz 5 nur einen Ausweis in dem Bilanzposten "Beteiligungen", nicht jedoch einen Ausweis in einem anderen Posten des Finanz-AV untersagen wollte oder ob er sich überhaupt gegen einen Ausweis von Genossenschaftsanteilen im AV und somit für deren generellen Ausweis im UV aussprechen wollte. Bei der Beantwortung dieser Fragen ist von den Konsequenzen eines Ausweises in dem Beteiligungsposten auszugehen. Tatsächlich ist diese im damaligen Gesetzgebungsverfahren bis zuletzt umstrittene Regelung nicht zu verstehen, solange man allein den Bilanzausweis der Mitgliedschaftsrechte an einer eG i. A. und nicht an einer Kreditgenossenschaft im Speziellen im Auge hat.
Rn. 61
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Der Ausweis der Mitgliedschaftsrechte an einer eingetragenen Kreditgenossenschaft im Beteiligungsposten hätte nämlich für den Ausweis der Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dieser Genossenschaft zur Folge gehabt, dass sie als "Ausleihungen an UN, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht" bzw. als "Verbindlichkeiten gegenüber UN, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht" auszuweisen gewesen wären. Insbesondere wegen der Anteile an Kreditgenossenschaften kam es deshalb letztlich zur Regelung des § 271 Abs. 1 Satz 5. Über dieses Verbot kann man sich auch dann nicht hinwegsetzen, wenn die "Anteile von nicht untergeordneter Bedeutung sind und es sich um eine Daueranlage handelt" (vgl. so aber HB-RP (1995), § 271 HGB, Rn. 3 (auch Zitat)).
Rn. 62
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Zum einen soll mit dem gesonderten Ausweis der Forderungen an bzw. der Verbindlichkeiten gegenüber Beteiligungs-UN zum Ausdruck gebracht werden, dass die Forderungen und Verbindlichkeiten wegen der bestehenden UN-Verbindung möglicherweise nicht zu normalen Bedingungen zustande gekommen sind; dies aber ist bei einer bloßen Mitgliedschaft in einer (Kredit-)Genossenschaft nicht anzunehmen. Zum anderen wären auf diese Weise, falls lediglich Geschäftsverbindungen zu nur einer Kreditgenossenschaft unterhalten werden, die Kontostände bei diesem Institut unter diesen Umständen aus der Bilanz des Bankkunden ersichtlich.
Rn. 63
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass der Gesetzgeber mit seinem Verbot, Mitgliedschaftsrechte an einer eG im Beteiligungsposten auszuweisen, nicht gleichzeitig den Ausweis der üblicherweise langfristig gehaltenen (Dauerbesitzabsicht) und nur schwer veräußerlichen (fehlende Veräußerungsmöglichkeit) Genossenschaftsanteile im UV vorschreiben wollte. Für die Zuordnung zum AV oder UV gelten die üblichen Zuordnungskriterien (vgl. HdR-E, HGB § 271, Rn. 32ff.).
Rn. 64
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die unverbrieften Genossenschaftsanteile dürften damit nur in Ausnahmefällen als "Anteile an verbundenen UN" (Aktivposten III. 1.) auszuweisen sein (vgl. auch Bonner-HdR (2017), § 271 HGB, Rn. 54).
Rn. 65
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
In allen anderen Fällen stehen für den Ausweis der Genossenschaftsanteile im Finanz-AV somit nur zwei (Aktiv-)Posten zur Verfügung: "Wertpapiere des AV" (III. 5.) sowie "sonstige Ausleihungen" (III. 6.). Der unter Bezugnahme auf das AktG 1965 mitunter geforderte Ausweis der Genossenschaftsanteile in einem zusätzlichen vom Bilanzersteller einzufügenden Bilanzposten (vgl. so ADS (1997), § 266, Rn. 81; KK-RLR (2011), § 266 HGB, Rn. 106; WP-HB (2023), Rn. F 392), ist abzulehnen, zumal der Gesetzgeber diesen Bilanzposten hätte vorsehen können, wenn er dies gewollt hätte.
Rn. 66
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Es ist ohne Weiteres ersichtlich, dass die Genossenschaftsanteile eigentlich keinem der beiden oben genannten Posten (vgl. HdR-E, HGB § 271, Rn. 65) zugerechnet werden können. Einerseits verbietet bereits die fehlende Verbriefung der Anteile den Ausweis unter den "Wertpapiere[n] des AV". Da die Genossenschaftsanteile eine Kap.-Eignerposition repräsentieren, verbietet sich andererseits aber auch der Ausweis unter den – exklusiv Gläubigerrechten vorbehaltenen – "sonstigen Ausleihungen". Die notwendige Folge ist, dass jede Entscheidung für den Bilanzausweis in einem der beiden Posten willkürlich und letztlich hinsichtlich der Postenbezeichnung unzutreffend und somit angreifbar ist.
Rn. 67
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Wenn hier empfohlen wird, die Genossenschaftsanteile...