A. Vorbemerkungen
I. Zweck der Vorschriften
Rn. 1
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Die §§ 15–19 des AktG enthalten Definitionen des Begriffs der verbundenen UN sowie der wesentlichen Formen von UN-Verbindungen (vgl. bereits Kropff (1965), S. 26ff., zum AktG 1965). Diese Vorschriften stehen im Zusammenhang mit den Regelungen der §§ 291–328 AktG (zuvor: §§ 291–338), die sich mit dem Recht der UN-Verträge (vgl. §§ 291–307 AktG), der Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von UN (vgl. §§ 308–318 AktG), eingegliederten Gesellschaften (vgl. §§ 319–327 AktG), dem Ausschluss von Minderheitsaktionären (vgl. §§ 327a–327f AktG) sowie wechselseitig beteiligten UN (vgl. § 328 AktG) befassen (i. d. S. sei bezüglich der Altregelungen der §§ 329–338 zur "Rechnungslegung im Konzern" i. d. F. des AktG 1965 verwiesen auf Kropff (1965), S. 435ff.). Beide Teilbereiche bilden gemeinsam das im Aktiengesetz kodifizierte – untechnisch als solches bezeichnete – Konzernrecht und widmen sich den durch UN-Verbindungen entstehenden gesellschaftsrechtlichen Fragen (vgl. zum Begriff des Konzernrechts (i. w. S.) auch MünchKomm. AktG (2019), § 15, Rn. 6). Die Bedeutung dieser Vorschriften geht über die Rechtsform der AG (bzw. KGaA und SE) hinaus und betrifft auch die GmbH, da das GmbHG keine entsprechenden Regelungen aufweist.
Der Begriff des verbundenen UN wird auch in anderen Gesetzen außerhalb des Gesellschaftsrechts vielfach erwähnt. Hervorzuheben ist dabei das kollektive Arbeits- ebenso wie Mitbestimmungsrecht. Zu erwähnen sind hier insbesondere die Regelungen des § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sowie der §§ 5, 32 MitbestG. In diesem Zusammenhang befasst sich eine bemerkenswerte Anzahl von Entscheidungen im arbeitsgerichtlichen Instanzenzug mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Konzern vorliegt und ein Konzernbetriebsrat eingerichtet werden muss.
Als Folge des wirtschaftlichen Trends nach externem Wachstum durch UN-Konzentrationen sah sich der Gesetzgeber einer nachhaltigen Strukturveränderung im Wirtschaftsleben gegenüber. Die AG mit einer Vielzahl von Aktionären mit jeweils relativ geringem Kap.-Einsatz war bzw. ist in der UN-Praxis nur noch selten anzutreffen. Das dem AktG 1937 vorstehende Leitbild einer autonomen Publikumsgesellschaft, deren Vorstände einen hohen Grad an Unabhängigkeit besitz(t)en, erwies sich vermehrt als praxisfremd. Die zunehmende Verflechtung von UN hatte zur Folge, dass an die Stelle vieler kleiner Aktionäre ein oder wenige Großanteilseigner traten und immer mehr UN der Einflussnahme anderer Personen als ihrer Organe unterlagen (vgl. zur geschichtlichen Entwicklung des Rechts der verbundenen UN im AktG insbesondere Emmerich/Habersack (2020), § 1, Rn. 16ff.; HB-GesR (2020/IV), § 69, Rn. 1; WP-HB (2021), Rn. C 1). Der Gesetzgeber sah sich daher genötigt, den damit verbundenen Gefahren für andere Aktionäre und die Gläubiger zu begegnen, um Leitungsmacht und Verantwortlichkeit wieder in Einklang zu bringen (vgl. Kropff (1965), S. 373ff.). Im Einzelnen verfolgt(e) der Gesetzgeber dabei folgende Zielsetzungen:
- Offenlegung der UN-Verbindungen,
- Sicherung der Gesellschafter und Gläubiger sowie
- Sicherung des UN selbst gegen Benachteiligungen durch den ausgeübten Einfluss eines anderen UN.
Rn. 2
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
In der Praxis findet man UN-Verflechtungen der unterschiedlichsten Art und Intensität. Der Gesetzgeber hat dem Rechnung tragend zunächst versucht, die Arten von UN-Verbindungen zu systematisieren. In den §§ 15ff. AktG werden besondere Gruppen von UN-Verbindungen definiert, nämlich:
- in Mehrheitsbesitz stehende UN und mit Mehrheit beteiligte UN (vgl. § 16 AktG),
- abhängige und herrschende UN (vgl. § 17 AktG),
- Konzern-UN (vgl. § 18 AktG),
- wechselseitig beteiligte UN (vgl. § 19 AktG) sowie
- Vertragsteile eines UN-Vertrags (vgl. §§ 291f. AktG).
Die Aufzählung ist allerdings unvollständig, weil die Eingliederung in § 15 AktG nicht erwähnt ist. Eingegliederte UN gelten nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG unwiderlegbar als Konzern-UN und gehören damit automatisch zum Kreis der verbundenen UN, ohne dass dies einer besonderen Erwähnung bedarf.
Rn. 3
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Aufbauend auf dieser Systematik werden in einer Reihe von Bestimmungen, die über das ganze AktG verstreut sind, Rechtsfolgen geknüpft, die teils für alle Verbundtypen gleichermaßen gelten, teils nur für einzelne Verbindungsformen, wobei die artenspezifischen Regelungen an die Intensität des jeweiligen Verbindungstyps anknüpfen. Zu den Rechtsfolgen, die, vorausgesetzt dass zumindest eine AG, KGaA oder SE im Kreis der verbundenen UN enthalten ist, für alle Typen von verbundenen UN gelten, zählen dabei insbesondere folgende Vorschriften (vgl. für eine detaillierte Aufstellung der Rechtsfolgen betreffend die Verbundtatbestände HdR-E, AktG §§ 15–19, Rn. 35ff.):