A. Einführung
Rn. 1
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
In Ergänzung zu § 58 AktG enthält § 174 AktG die Regelungen zur formellen Kompetenz der HV i. R.d. Gewinnverwendung. Hierbei ist die Feststellung von der Gewinnverwendung zu unterscheiden. Bei der Beschlussfassung ist die HV an den festgestellten JA gebunden. Die Gliederung des Gewinnverwendungsbeschlusses entspricht mit etwas anderer Reihenfolge § 170 Abs. 2 AktG, erweitert um den "zusätzliche[n] Aufwand auf Grund des Beschlusses" (Posten Nr. 5). Schließlich wird in § 174 Abs. 3 AktG klargestellt, dass der Beschluss nicht zu einer Änderung des festgestellten JA führt, sondern sich etwaige Änderungen vielmehr erst im Folgejahr auswirken.
B. Gewinnverwendungsbeschluss durch die Hauptversammlung (§ 174 Abs. 1 AktG)
I. Zuständigkeit der Hauptversammlung (Satz 1)
Rn. 2
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Die HV ist nach § 174 Abs. 1 Satz 1 AktG zuständig für die Beschlussfassung über den Bilanzgewinn. Er ergibt sich gemäß § 158 Abs. 1 AktG aus dem Jahresergebnis (Jahresüberschuss/-fehlbetrag) unter Berücksichtigung von VJ-Ergebnissen sowie etwaigen Einstellungen in bzw. Entnahmen aus Rücklagen (vgl. HdR-E, AktG § 158, Rn. 1ff.). Hier ergibt sich der enge Zusammenhang zu § 58 AktG und den dort geregelten Kompetenzen zur Einstellung in insbesondere andere Gewinnrücklagen (zu Einzelheiten vgl. HdR-E, AktG §§ 58, 150, Rn. 1ff.; ferner AktG-GroßKomm. (2006), § 174, Rn. 6ff.).
Rn. 3
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Das Zuständigkeitsrecht der HV ist ein alleiniges, welches durch die Satzung nicht entzogen oder abgeändert werden kann (MünchKomm. AktG (2018), § 174, Rn. 4). Hiervon zu unterscheiden ist die Möglichkeit der HV, über den Jahreserfolg anderweitig wirksam zu verfügen, z. B. durch (Teil-)GAV (vgl. §§ 291, 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG) oder eine Gewinngemeinschaft (vgl. § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Zu beachten ist, dass auch in diesen Fällen allein die HV über den Bilanzgewinn entscheiden kann, wenngleich der abzuführende Gewinn bereits in der GuV als Aufwand zu erfassen war (vgl. § 277 Abs. 3 Satz 2; BeckOK-HGB (2020), § 277, Rn. 5); insoweit kann in bilanztechnischer Hinsicht regelmäßig kein Bilanzgewinn entstehen kann, es sei denn, es werden Altrücklagen aufgelöst (vgl. zutreffend AktG-GroßKomm. (2006), § 174, Rn. 10, m. w. N.).
Rn. 4
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§ 174 Abs. 1 Satz 1 AktG betrifft nur den Bilanzgewinn, nicht einen etwaigen Bilanzverlust. Über die Verwendung eines etwaigen Bilanzverlusts ist nicht durch die HV zu entscheiden (Hüffer-AktG (2020), § 174, Rn. 2; Rousseau/Wasse NZG 2010, S. 535 (537)).
II. Bindung der Hauptversammlung an den festgestellten Jahresabschluss (Satz 2)
Rn. 5
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Nach § 174 Abs. 1 Satz 2 AktG ist die HV an den festgestellten JA gebunden. Zu einer Änderung des festgestellten JA ist die HV unabhängig von der Feststellungskompetenz von Vorstand und AR einerseits (vgl. § 172 AktG) und HV andererseits (vgl. § 173 AktG) nicht befugt (vgl. Hüffer-AktG (2020), § 174 AktG, Rn. 3). Die HV kann daher weder einen den Bilanzgewinn über- noch unterschreitenden Betrag laut festgestelltem JA verteilen (vgl. AktG-GroßKomm. (2006), § 174, Rn. 11).
Rn. 6
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An den Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstands (vgl. § 170 Abs. 2 AktG) ist die HV jedoch nicht gebunden (vgl. ADS (1997), § 174 AktG, Rn. 10; AktG-GroßKomm. (2006), § 174, Rn. 12; MünchKomm. AktG (2018), § 174, Rn. 17). Als Einschränkung hinsichtlich der Beschlussfassung der HV bezüglich der Verwendung des Bilanzgewinns ist jedoch das Verbot der "Aushungerung" von Minderheitsaktionären zu beachten (vgl. zur Anfechtbarkeit von Beschlussfassungen in diesen Fällen AktG-GroßKomm. (2006), § 174, Rn. 54; Nauss, AG 1967, S. 127ff.).
C. Gliederung des Gewinnverwendungsbeschlusses (§ 174 Abs. 2 AktG)
Rn. 7
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Gemäß § 175 Abs. 1 AktG entscheidet die ordentliche HV über die Gewinnverwendung. Mangels abweichender Regelung beschließt die HV mit einfacher Stimmenmehrheit (vgl. § 133 Abs. 1 AktG). Mit Beschlussfassung wandelt sich der Anspruch der Aktionäre auf die Herbeiführung eines Gewinnverwendungsbeschlusses in einen Anspruch auf Dividendenzahlung, der ein unentziehbares, sofort fälliges (vorbehaltlich anderweitiger Beschlussfassung oder Satzungsregelung) und selbständig verkehrsfähiges (d. h. bspw. abtretbares und pfändbares) Gläubigerrecht darstellt (vgl. HdR-E, AktG §§ 58, 150, Rn. 1ff.; überdies ADS (1997), § 174 AktG, Rn. 20; AktG-GroßKomm. (2006), § 174, Rn. 14; Hüffer-AktG (2020), § 174, Rn. 4).
Rn. 8
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Die HV kann i. R.d. Gewinnverwendung folgende Verwendungsmöglichkeiten beschließen:
(1) |
die Ausschüttung, |
(2) |
die Einstellung in Gewinnrücklagen und |
(3) |
den Vortrag des Gewinns auf neue Rechnung. |
Die HV ist grds. insoweit frei und nicht an den Vorschlag des Vorstands und des AR gebunden (zu Grenzen der Beschlussfassung vgl. HdR-E, AktG § 174, Rn. 6). In der Praxis der HV wird jedoch fast durchweg dem Vorschlag der Verwaltung gefolgt. Da der Beschluss nach § 174 Abs. 3 AktG nicht zu einer Änderung des festgestellten JA führt, muss der Gewinnverwendungsbeschluss als Beleg über die konkrete Erfassung des Geschäftsvorfalls dienen und daher sowohl in der Genauigkeit als auch im Detaillierungsgrad dem Vorschlag der Verwaltun...