A. Einführung
Rn. 1
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
§ 175 AktG regelt die Vorbereitung der ordentlichen HV, Abs. 1 bestimmt die unverzügliche Einberufung und den Zeitpunkt, bis zu dem sie stattzufinden hat. Abs. 2 und 4 sollen das Entscheidungsrecht der Aktionäre in der HV sichern, indem zum einen Informationsrechte festgehalten werden und zum anderen Bindungswirkungen eintreten. Für den Fall, dass entgegen dem gesetzlichen wie tatsächlichen Regelfall nicht Vorstand und AR den JA feststellen, sondern die HV zur Feststellung berufen ist, wird in Abs. 3 geregelt, dass die Vorschriften für die HV zur Entgegennahme des festgestellten JA entsprechend gelten.
Rn. 2
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Die ordentliche HV wird durch bestimmte Tagesordnungspunkte und Regularien bestimmt. Dies sind die Vorlage des i. d. R. festgestellten JA und Lageberichts, die Verwendung des Bilanzgewinns, die Entlastung von Vorstand und AR (vgl. § 120 Abs. 3 AktG) sowie bei prüfungspflichtigen AG, KGaA bzw. SE die Wahl des AP (vgl. § 318 Abs. 1). Die ordentliche HV ist regelmäßig auch die einzige HV im GJ (vgl. Hüffer-AktG (2020), § 175, Rn. 1), wobei der Unterscheidung zwischen ordentlicher und außerordentlicher HV rechtlich keine Bedeutung zukommt (vgl. so zutreffend MünchKomm. AktG (2018), § 175, Rn. 1). Darüber hinaus können selbstverständlich auch weitere Tagesordnungspunkte zum Gegenstand der Beschlussfassung der ordentlichen HV gemacht werden.
Rn. 3
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Durch das sog. Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) vom 19.07.2002 (BGBl. I 2002, S. 2681ff.) wurde die Billigung des KA durch den AR bzw. die HV eingeführt. Weiterhin wurden in § 175 AktG Regelungen zur Vorlage des KA, des Konzernlageberichts und des Berichts des AR an die HV aufgenommen (vgl. § 337 Abs. 2 AktG (a. F.)).
Gemäß § 175 Abs. 1 AktG sind KA und Konzernlagebericht der HV vorzulegen. Hiervon ist der Konzernprüfungsbericht nicht umfasst. Zuständig ist grds. die ordentliche HV des MU. Sind die Abschlussstichtage von JA und KA identisch, so sind der KA und Konzernlagebericht derjenigen HV vorzulegen, die den JA des MU entgegen nimmt (vgl. § 172 AktG als Regelfall) oder feststellt (vgl. § 173 AktG als Ausnahmefall). Fallen – was in der Praxis sehr selten geschieht – Stichtag des JA und KA auseinander, so sind KA und Konzernlagebericht der nächsten ordentlichen HV vorzulegen, d. h. der für den nächsten JA zuständigen HV. Durch § 299 Abs. 1 (i. d. F. des TransPuG) ist die Deckungsgleichheit zwischen dem Stichtag für JA und KA zwingend (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 299 HGB, Rn. 1). In der Praxis der HV werden häufig der JA (EA) mit Lagebericht, der KA mit Konzernlagebericht und der Bericht des AR in einem Konvolut als Geschäftsbericht zusammengefasst (vgl. ADS (1997), § 337 AktG, Rn. 21).
Rn. 4
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Durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) vom 09.12.2004 (BGBl. I 2004, S. 3166ff.) ergab sich eine Folgeänderung in § 175 AktG, da auch ein für Publizitätszwecke aufgestellter EA nach internationalen RL-Standards der HV vorzulegen ist. Weitere Änderungen wurden durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006 (BGBl. I 2006, S. 2553ff.) in § 175 Abs. 2 Satz 4 AktG, das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) sowie das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2479ff.) vollzogen. Eine redaktionelle Klarstellung ist durch das Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2016) vom 22.12.2015 (BGBl. I 2015, S. 2565ff.) in § 175 Abs. 2 Satz 1 AktG erfolgt. Durch das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) vom 27.03.2020 (BGBl. I 2020, S. 570ff.) wurde in § 1 Abs. 5 i. V. m. § 7 Abs. 1 jenes Gesetzes für die HV-Saison 2020 die Möglichkeit für den Vorstand geschaffen, zu entscheiden, dass die HV abweichend von § 175 Absatz 1 Satz 2 AktG innerhalb des GJ stattfindet.
B. Einberufungspflicht (§ 175 Abs. 1 AktG)
Rn. 5
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Gemäß § 175 Abs. 1 AktG hat der Vorstand unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), die HV nach Eingang des Berichts des AR einzuberufen. Mit Bericht des AR ist dessen Prüfungs- und Rechenschaftsbericht nach § 171 Abs. 2 AktG gemeint (vgl. HdR-E, AktG § 171, Rn. 24). Kommt der AR seiner Berichtspflicht nicht nach, so beginnt die Pflicht des Vorstands zur unverzüglichen Einberufung der HV mit dem fruchtlosen Ablauf einer Nachfrist nach § 171 Abs. 3 AktG (vgl. HdR-E, AktG § 171, Rn. 73ff.; ebenso Hüffer-AktG (2020), § 175 AktG, Rn. 3; MünchKomm. AktG (2018), § 175, Rn. 12).
Rn. 6
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Zwischen der Einberufung der HV und dem Zeitpunkt ihres Stattfindens muss nach § 123 Abs. 1 AktG mindestens ein Zeitraum von einem Monat liegen. Darüber hinaus hat die HV nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG in den ersten ...