A. Einführung
Rn. 1
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
§ 176 AktG regelt die Behandlung der Vorlagen des Vorstands und des AR in der ordentlichen HV. Abs. 1 bestimmt dabei die Vorlage- und Erläuterungspflicht von Vorstand und AR und verfügt darüber hinaus, dass der Vorstand zu einem Jahresfehlbetrag oder einem Verlust, der das Jahresergebnis wesentlich beeinträchtigt hat, Stellung nehmen soll. Abs. 2 verpflichtet den AP zur Teilnahme, soweit die HV (ausnahmsweise) den JA feststellt. § 176 Abs. 1 AktG wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2479ff.) ergänzt.
B. Vorlage- und Erläuterungspflicht (§ 176 Abs. 1 AktG)
I. Vorlagepflicht
Rn. 2
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Während § 175 Abs. 2 AktG die Vorbereitung der HV betrifft, bestimmt § 176 Abs. 1 AktG den strukturierten Ablauf der ordentlichen HV. Daher hat der Vorstand zunächst die in § 175 Abs. 2 AktG aufgeführten Vorlagen (JA, Lagebericht, Bericht des AR, Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns; KA, Konzernlagebericht, Bericht des AR) zugänglich zu machen. Bei börsennotierten Gesellschaften i. S. d. § 3 Abs. 2 AktG hat der Vorstand der HV zusätzlich einen Erläuterungsbericht zu den Angaben nach § 289a und § 315a zugänglich zu machen. "Zugänglich machen" bedeutet an dieser Stelle Auslegung in ausreichender Zahl zur Einsichtnahme im Versammlungsraum bis zum Abschluss der Verhandlung, i. d. R. bis zum Entlastungsbeschluss nach § 120 Abs. 3 AktG (vgl. Hüffer-AktG (2020), § 176, Rn. 2). Gemäß § 124a Satz 1 Nr. 3 AktG i. V. m. § 176 Abs. 1 AktG hat ebenfalls eine Veröffentlichung der Vorlagen auf der Internetseite betreffender (börsennotierter) AG, KGaA bzw. SE zu erfolgen.
Rn. 3
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Die Vorlagepflicht besteht auch dann, wenn sämtliche Aktionäre zuvor nach § 175 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3 AktG (ggf. auch elektronisch) informiert worden sind (vgl. ADS (1997), § 176 AktG, Rn. 5; AktG-GroßKomm. (2006), § 176, Rn. 4; Hüffer-AktG (2020), § 176, Rn. 2). Eine Verlesungspflicht besteht grds. nicht (vgl. statt vieler ADS (1997), § 176 AktG, Rn. 6), im Einzelfall kann dies jedoch geboten sein (z. B. Zitierung von entscheidenden Passagen; vgl. AktG-GroßKomm. (2006), § 176, Rn. 4). Ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht stellt einen Anfechtungsgrund i. S. v. § 243 Abs. 1 AktG dar (vgl. ADS (1997), § 176 AktG, Rn. 24; AktG-GroßKomm. (2006), § 176, Rn. 11; Hüffer-AktG (2020), § 176 AktG, Rn. 6), wobei dabei die Beweislast für die Irrelevanz des Verstoßes von der h. M. zutreffend der AG (KGaA bzw. SE) auferlegt wird.
II. Erläuterungspflicht
1. Allgemeine Erläuterungspflicht des Vorstands
Rn. 4
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Nach § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG soll zu Beginn der Verhandlungen der Vorstand seine Vorlagen erläutern. Verpflichtet ist der Vorstand als Organ, so dass bei Uneinigkeit über den Inhalt der Erläuterungen eine Beschlussfassung nach § 77 Abs. 1 AktG ggf. herbeigeführt werden muss. Die mündlichen Erläuterungen haben im Zweifel durch den Vorsitzenden des Vorstands oder durch ein durch die Geschäftsordnung oder Beschlussfassung des Vorstands berufenes Mitglied zu erfolgen. Sinn und Zweck dieser mündlichen Erläuterungspflicht ist, dass durch eine geschlossene Darstellung Zahlen und Begriffe aus unterschiedlichen Berichten und Vorlagen in den (Gesamt-)Zusammenhang gestellt und transparent werden. Hierbei sind Schwerpunkte zu bilden, so dass insbesondere der Lagebeurteilung und dem Gewinnverwendungsvorschlag sowie seiner Begründung erhebliche Bedeutung zukommen (vgl. AktG-GroßKomm. (2006), § 176, Rn. 7). Die Verletzung der allg. Erläuterungspflicht des Vorstands berechtigt dabei nicht zur Anfechtung eines HV-Beschlusses, da es sich nach h. M. um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt (vgl. ADS (1997), § 176 AktG, Rn. 25; AktG-GroßKomm. (2006), § 176, Rn. 11; Hüffer-AktG (2020), § 176, Rn. 6; KK-AktG (2011), § 176, Rn. 15; MünchKomm. AktG (2018), § 176, Rn. 22f.; a. A. KK-AktG (1991) § 176, Rn. 12). Unabhängig hiervon besteht für jeden einzelnen Aktionär ein Auskunftsrecht nach § 131 AktG.
Rn. 5
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Mit § 176 Abs. 1 AktG i. V. m. § 175 Abs. 2 AktG (zuvor: § 337 Abs. 4 AktG (a. F.)) wird die Auskunftspflicht des Vorstands des MU gegenüber den Aktionären erweitert, da nach § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG die Aktionäre in der HV lediglich Auskünfte über die AG (KGaA bzw. SE) sowie deren Beziehungen zu verbundenen UN erhalten können (vgl. ADS (1997), § 337 AktG, Rn. 28). Insoweit können die Aktionäre des MU in der ordentlichen HV nunmehr auch Auskünfte über die Lage des Konzerns und der in den KA einbezogenen UN verlangen. Die Pflicht zur Einbeziehung richtet sich dabei nach den einschlägigen Konzern-RL-Vorschriften, also den §§ 294–296; auch die Quotenkonsolidierung nach § 310 stellt – im Gegensatz zu assoziierten UN nach § 311 – eine Einbeziehung dar (vgl. ebenso ADS (1997), § 337 AktG, Rn. 28). Eine Auskunftspflicht bezüglich nicht einbezogener UN kommt nur nach § 131 Abs. 1 AktG in Betracht, wenn die Angelegenheiten dieser UN für das MU selbst von entsprechend großer Bedeutung sind (vgl. Hüffer-AktG (2020), § 131, Rn. 13ff.; Kort, ZGR 1987, S. 46 ...