A. Normzweck

 

Rn. 1

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Gemäß § 293 Abs. 1 Satz 1 AktG wird ein UN-Vertrag nur wirksam, wenn die HV zustimmt. Was ein UN-Vertrag i. d. S. ist, bestimmt sich nach den §§ 291f. AktG. Mit der Zustimmungserfordernis begegnet der Gesetzgeber der Bedeutung, die den UN-Verträgen insbesondere aufgrund ihrer strukturverändernden Wirkung zukommt. Im Grunde bewirken die UN-Verträge eine Satzungsänderung auf Zeit. Der Abschluss eines UN-Vertrags mit derartigen Auswirkungen soll daher nicht allein dem Vorstand überlassen sein, sondern von den Aktionären auf der HV gebilligt werden (vgl. Henssler/Strohn (2021), § 293 AktG, Rn. 1; Emmerich/Habersack (2020), § 11, Rn. 20f.; § 16, Rn. 1; Hüffer-AktG (2022), § 293, Rn. 1; KK-AktG (2004), § 293, Rn. 2; BeckOGK-AktG (2022), § 293, Rn. 2). Ebenso fällt die Änderung eines UN-Vertrags gemäß § 295 AktG in den Zuständigkeitsbereich der HV, denn auch durch eine Vertragsänderung werden die Aktionäre über ihr UN verpflichtet. Dagegen obliegen die Aufhebung gemäß § 296 AktG und die Kündigung gemäß § 297 AktG von UN-Verträgen grds. allein dem Vorstand (vgl. aber §§ 296 Abs. 2, 297 Abs. 2 AktG).

B. Vertragsschluss

 

Rn. 2

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Der Vertragsschluss selbst fällt gemäß den §§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 AktG in den Zuständigkeitsbereich des Vorstands. Der Vorstand bereitet den Abschluss des UN-Vertrags vor, wobei er auch maßgeblichen Einfluss auf den Inhalt des Vertrags nehmen kann. Jedoch hat die HV mit der für die Beschlussfassung erforderlichen Dreiviertelmehrheit die Möglichkeit, dem Vorstand gemäß den §§ 83 Abs. 1 Satz 2f., 293 Abs. 1 AktG Anweisungen zu erteilen. Dies beinhaltet auch ein Initiativrecht der HV (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 5ff.; Emmerich/Habersack (2020), § 16, Rn. 5ff.; BeckOGK-AktG (2022), § 293, Rn. 3). Erteilt die HV schon vor dem Vertragsschluss ihre Zustimmung, so bindet das zwar den Vorstand intern gemäß § 83 Abs. 2 AktG; der potenzielle Vertragspartner hat allerdings keinen Anspruch auf den Vertragsabschluss (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 22).

 

Rn. 3

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Beim Vertragsschluss hat der Vorstand gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Verletzt er diese Sorgfaltspflicht, kann er gemäß § 93 Abs. 2 AktG schadensersatzpflichtig sein. Dagegen tritt eine Schadensersatzpflicht gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht ein, wenn der Vertragsschluss auf einem gesetzmäßigen Beschluss der HV beruht. Nach h. M. ergibt sich aus dem Ausdruck "beruht", dass nur ein dem Vorstandshandeln vorausgehender HV-Beschluss den Vorstand von der Haftung frei werden lässt; eine nachträgliche Genehmigung durch die HV lässt die Schadensersatzpflicht nicht entfallen (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 16, Rn. 5; Hüffer-AktG (2022), § 293, Rn. 23; differenzierender MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 29). Ein HV-Beschluss, den der Vorstand aufgrund von Fehlinformationen herbeigeführt hat, kann ebenfalls keine entlastende Wirkung haben; eine Berufung des Vorstands auf den Haftungsausschluss wäre rechtsmissbräuchlich (vgl. Canaris, ZGR 1978, S. 207 (216)). Die Praxisrelevanz der Schadensersatzpflicht in dieser Konstellation ist aber eher gering. I.d.R. wird es an der Kausalität für den Vertragsschluss mangeln, weil der Mehrheitsaktionär dem Vertragsschluss in jedem Fall zugestimmt hätte (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 29). Eine Haftung des Vorstands als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 BGB kommt wegen § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht in Betracht; der Vertragspartner des UN muss wissen, dass der Abschluss eines UN-Vertrags der Zustimmung durch die HV bedarf (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 293, Rn. 24).

 

Rn. 4

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Besteht bereits ein BHV, so kann das andere UN den Vorstand des beherrschten UN anweisen, einen weiteren UN-Vertrag abzuschließen. Da der Abschluss eines UN-Vertrags in die Leitungskompetenz des Vorstands fällt, ist diese Weisung vom Weisungsrecht des herrschenden UN gedeckt (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 9).

 

Rn. 5

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Der Abschluss eines UN-Vertrags kann von der Zustimmung des AR abhängen; gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG haben die Satzung oder der AR zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des AR vorgenommen werden dürfen. Dass ein Verweis auf § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG in § 293 AktG fehlt, schließt seine Anwendung nicht aus. Denn der Abschluss eines UN-Vertrags ist eine Maßnahme der Geschäftsführung, die der AR von seiner Zustimmung abhängig machen kann. Das Zustimmungserfordernis wirkt nur im Innenverhältnis und beschränkt nicht die Vertretungsmacht des Vorstands (vgl. BeckOGK-AktG (2022), § 293, Rn. 5; differenzierender MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 10f., wonach der Zustimmungsvorbehalt des AR für die Fälle bejaht wird, in denen die Initiative zum Abschluss eines UN-Vertrags vom Vorstand und nicht von der HV ausgeht). Versagt der AR seine Zustimmung zu dem UN-Vertrag, kann die HV die ablehnende E...

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