Prof. Dr. Eberhard Kalbfleisch, Prof. Dr. Sascha Mölls
A. Grundlegendes
Rn. 1
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Durch Art. 6 des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) vom 28.10.1994 (BGBl. I 1994, S. 3210ff.) sind die §§ 293a–g AktG mit Wirkung zum 01.01.1995 eingeführt worden. Vorbild der gesetzlichen Neuerung waren die §§ 8 bis 12 UmwG, welche an die Stelle der §§ 340a–d AktG (a. F.) getreten sind. § 293a AktG entspricht dabei weitestgehend dem Verschmelzungsbericht gemäß § 8 UmwG. Die §§ 340a–d AktG (a. F.) waren infolge der Umsetzung der sog. Fusions-R 78/855/EWG vom 09.10.1978 (ABl. EG, L 295/38ff. vom 20.10.1978) durch das Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz vom 25.10.1982 (BGBl. I 1982, S. 1425ff.) eingefügt worden. Der Bericht über den UN-Vertrag gemäß § 293a AktG fußt insofern auf Art. 9 jener R.
Rn. 2
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Durch die §§ 293a–g AktG wird eine Berichtspflicht des Vorstands in Bezug auf zustimmungspflichtige UN-Verträge sowie die Pflicht zur Überprüfung eines solchen UN-Vertrags durch sachverständige Prüfer vorgeschrieben und geregelt. § 293a AktG begründet die Pflicht des Vorstands, über UN-Verträge Bericht zu erstatten, wenn für diese Verträge die Zustimmung der HV nach § 293 AktG notwendig ist. Die Einführung einer Berichtspflicht gemäß § 293a AktG hat den Zweck, die zur Zustimmung zu einem solchen abgeschlossenen UN-Vertrag gemäß § 293 Abs. 1 AktG aufgerufenen Aktionäre in die Lage zu versetzen, sich ein umfassendes Bild über die ihnen zur Abstimmung vorliegende vertragliche Regelung zu verschaffen (vgl. hierzu LG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.12.2012, 3–05 O 96/12, NZG 2013, S. 140f.). Durch die Berichtspflicht des Vorstands wird gewährleistet, dass die Aktionäre vor der HV, in der sie über den UN-Vertrag abstimmen sollen, die Möglichkeit haben, sich rechtzeitig und umfassend über den Vertrag zu informieren (vgl. KonzernR (2019), § 293a AktG, Rn. 5). § 293a AktG dient damit dem Schutz der Aktionäre durch verbesserte Information nach dem Vorbild des Verschmelzungsrechts (vgl. BT-Drs. 12/6699, S. 178).
Die Implementierung einer Berichtspflicht und UN-Vertragsprüfung bezüglich der UN-Verträge der §§ 291f. AktG hat der Gesetzgeber damit begründet, dass der Abschluss eines UN-Vertrags einen der Verschmelzung i.W. vergleichbaren Zweck verfolgt. Die Verschmelzung einer AG, KGaA bzw. SE mit einem anderen Rechtsträger und der Abschluss eines UN-Vertrags führen zu einer organisatorischen Eingliederung betreffender Gesellschaft in ein anderes UN sowie der Unterwerfung unter die Herrschaft einer anderen wirtschaftlichen Einheit. Aufgrund der ähnlichen Folgen, die der Abschluss eines UN-Vertrags und eine Verschmelzung wirtschaftlich hätten, sei auch das Schutzbedürfnis der Aktionäre in beiden Fällen gleich gelagert. Aus diesem Grund sei es geboten, das Institut des Verschmelzungsberichts und der Verschmelzungsprüfung auf den Abschluss von UN-Verträgen i. S. d. §§ 291f. AktG zu übertragen (vgl. BT-Drs. 12/6699, S. 178).
Rn. 3
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Am objektiven Wert der gesetzlichen Regelungen der §§ 293aff. AktG sind im Schrifttum vielfach Zweifel angemeldet worden. Fraglos dienen diese Bestimmungen in erster Linie dem Informations- und Schutzbedürfnis der Aktionäre bei bestimmten von einer AG, KGaA oder SE beabsichtigten Rechtsakten und sind insoweit mit dem Schutzzweck der §§ 8ff. UmwG im Hinblick auf die Verschmelzung von AG, KGaA bzw. SE vergleichbar. Der Regelungsgehalt der Vorschriften geht allerdings nach Auffassung der Kritiker über diese Motivation des Gesetzgebers hinaus, da die von diesem aufgeworfene Parallele zu einer Verschmelzung nicht in Bezug auf alle Arten von UN-Verträgen i. S. d. §§ 291f. AktG besteht. Zudem wird moniert, dass der genannte Schutzzweck durchaus auch auf weniger aufwendige Weise, z. B. durch bloße Berichtspflicht ohne externe Prüfung, hätte erreicht werden können und die erhöhten Anforderungen, die mit den Regelungen der §§ 293aff. AktG für den Abschluss von UN-Verträgen verbunden sind, die Akzeptanz des Vertragskonzerns nicht unbedingt fördern, sondern vielmehr die Fortdauer vertragloser Abhängigkeiten und faktischer Konzernierungen begünstigen (vgl. zur Kritik im Übrigen KonzernR (2019), § 293a AktG, Rn. 6; Hüffer-AktG (2022), § 293a, Rn. 4; Altmeppen, ZIP 1998, S. 1853 (1855ff.); Bungert, DB 1995, S. 1384 (1385ff.)). Wenngleich der Befund als solcher, dass die Regelungen der §§ 293aff. AktG von dem Regelungszweck nicht in vollem Umfang gedeckt sind, allg. geteilt wird, so wird man die getroffene Entscheidung des Gesetzgebers gleichwohl hinnehmen und in der Praxis Wege finden müssen, Wortlaut und Zweck der Regelungen in Einklang zu bringen.
B. Sachlicher Anwendungsbereich
I. Unternehmensverträge
Rn. 4
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Gemäß § 293a Abs. 1 Satz 1 AktG sind die Vorstände von beteiligten AG/KGaA/SE berichtspflichtig, soweit zum Abschluss des UN-Vertrags die Zustimmung der HV erforderlich ist.
§ 293a AktG kommt also zur Anwendung, wenn ein UN-Vertrag abgeschlossen werden soll. Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung der §§ 293aff. AktG die Vorstellung, dass die Versc...