Prof. Dr. Christian Zwirner, Dr. Corinna Boecker
A. Einführung
Rn. 1
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Die §§ 293a bis 293g AktG – und damit auch § 293d AktG über die Auswahl, Stellung und Verantwortlichkeit von Vertragsprüfern – sind mit Wirkung zum 01.01.1995 durch das sog. Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) vom 28.10.1994 (BGBl. I 1994, S. 3210ff.) in das deutsche Aktienrecht aufgenommen worden (vgl. hierzu sowie weiterführend zur Entstehung und Bedeutung der Regelungen HdR-E, AktG § 293a, Rn. 1ff.; zudem bereits Bungert, DB 1995, S. 1384ff., S. 1449ff.). Letztmalig modifiziert wurde die Norm des § 293d AktG durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) vom 03.06.2021 (BGBl. I 2021, S. 1534ff.). Nach dem Vorbild des Verschmelzungsrechts soll der Schutz der Anteilseigner durch umfangreichere Informationsmöglichkeiten verbessert werden. Daher sieht das AktG für UN-Verträge bestimmte Anforderungen an deren Prüfung (vgl. § 293b AktG) sowie die Bestellung und Auswahl des zu diesem Zweck zu bestellenden Vertragsprüfers (vgl. §§ 293cf. AktG) vor. Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Vorschriften zur Prüfung von UN-Verträgen werden mit Blick auf aktienrechtliche UN-Verträge im Schrifttum allerdings teilweise bezweifelt. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der gewünschte Schutzzweck für die Anteilseigner tatsächlich nur auf diese Weise erreicht werden kann oder die Regelungen nicht vielmehr überhöhte Anforderungen und damit eine Überregulierung darstellen. Dies gilt auch für das Erfordernis einer externen Prüfung gemäß der §§ 293bff. AktG. Allerdings hat der Gesetzgeber trotz aller Kritik an den Vorschriften festgehalten, so dass die UN-Praxis bei Vorliegen von UN-Verträgen nicht nur einen Bericht hierüber zu erstellen hat, sondern diesen auch prüfen lassen muss. In diesem Zusammenhang regelt § 293d AktG die Anforderungen an die Auswahl, Stellung und Verantwortlichkeit des zu bestellenden Vertragsprüfers.
Rn. 2
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Kontrovers diskutiert wird im Fachschrifttum der sachliche Anwendungsbereich der Regelungen der §§ 293aff. AktG. Nach der auch hier vertretenen h. M. fallen unter die berichtspflichtigen und damit auch prüfungspflichtigen UN-Verträge – nicht zuletzt ob der Stellung der §§ 293aff. AktG innerhalb des Aktienrechts – sowohl UN-Verträge i. S. v. § 291 AktG als auch UN-Verträge i. S. v. § 292 AktG (vgl. ebenso HdR-E, AktG § 293a, Rn. 5; AktG-Komm. (2024), § 293a, Rn. 2; Hüffer-AktG (2024), § 293a, Rn. 4, 7; Hölters-AktG (2022), § 293a, Rn. 2; LG München, Urteil vom 05.11.2009, 5HK O 13 585/09, ZIP 2010, S. 522 (523); a. A. MünchKomm. AktG (2023), § 293a, Rn. 5; Bürgers/Körber (2021), § 293a AktG, Rn. 5). Eine Beschränkung allein auf UN-Verträge i. S. v. § 291 AktG wäre eine "Korrektur [...] der gesetzgeberischen Anordnung" (AktG-Komm. (2024), § 293a, Rn. 2) und würde zugleich einer einheitlichen Begriffsverwendung im Aktienrecht zuwiderlaufen (vgl. HdR-E, AktG § 293a, Rn. 5). Die Argumente der Gegenansicht, dass der Gesetzgeber bei den Regelungen der §§ 293aff. AktG von der Vergleichbarkeit mit Verschmelzungsvorgängen ausgegangen ist und eine solche Vergleichbarkeit allein bei UN-Verträgen i. S. v. § 291 AktG – und gerade nicht bei Verträgen i. S. v. § 292 AktG – gegeben ist, so dass eine teleologische Reduktion auf Verträge i. S. v. § 291 AktG geboten sei, vermag nicht zu überzeugen (vgl. auch LG München, Urteil vom 05.11.2009, 5HK O 13 585/09, ZIP 2010, S. 522 (523)). Der Gesetzgeber hätte in der Vergangenheit ausreichend Gelegenheit gehabt, im Fall eines rein terminologischen Missgeschicks eine entsprechende Korrektur vorzunehmen (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 293a, Rn. 4). Vor diesem Hintergrund sind die folgenden UN-Verträge relevant für die Berichts- und Prüfungspflicht gemäß der §§ 293aff. AktG:
UN-Verträge i. S. v. § 291 AktG |
UN-Verträge i. S. v. § 292 AktG |
BHV (Abs. 1 Satz 1 (1. Alternative)) |
Gewinngemeinschaft (Abs. 1 Nr. 1) |
GAV (Abs. 1 Satz 1 (2. Alternative)) |
TGAV (Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2) |
Geschäftsführungsvertrag (Abs. 1 Satz 2) |
Betriebspachtvertrag (Abs. 1 Nr. 3) |
Gleichordnungskonzernvertrag (Abs. 2) |
Betriebsüberlassungsvertrag (Abs. 1 Nr. 3) |
Übersicht: UN-Verträge i. S. v. §§ 291f. AktG
Rn. 3
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Bezüglich der Auswahl, Stellung und Verantwortlichkeit dieser sog. Vertragsprüfer enthält § 293d AktG konkrete Regelungen. Die Vorschrift wurde letztmalig modifiziert durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) vom 03.06.2021 (BGBl. I 2021, S. 1534ff.). Mit dem FISG hat der deutsche Gesetzgeber dem sog. Wirecard-Skandal aus dem Sommer 2020 Rechnung getragen, indem u. a. die Vorgaben zur AP-Unabhängigkeit sowie auch die AP-Haftung im Zusammenhang mit PIE-Prüfungen verschärft worden sind. Als Konsequenz aus dem ersatzlosen Wegfall von § 319a (a. F.) wurde in § 293d AktG der bisherige Verweis auf § 319a Abs. 1 entfernt. Darüber hinaus wurde Abs. 1 von § 293d AktG um einen neuen Satz 2 ergänzt (der bisherige Satz 2 wurde zu Satz 3), der für den Fall, dass ein PIE-UN i. S. v....