Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Boris Hippel
A. Überblick über Inhalt und Geltungsbereich
Rn. 1
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
§ 264 gilt als einleitende Vorschrift des Zweiten Abschnitts (vgl. §§ 264–335c) des Dritten Buchs des HGB grds. nur für KapG (AG, KGaA, SE und GmbH) sowie bestimmte PersG, nicht dagegen für alle Kaufleute. § 264 Abs. 1 Satz 1 verpflichtet die gesetzlichen Vertreter einer KapG, einen JA, der aus Bilanz, GuV und Anhang besteht, sowie einen Lagebericht aufzustellen. Kleine KapG sind von der Aufstellung des Lageberichts befreit. Darüber hinaus brauchen Kleinst-KapG den JA nicht um einen Anhang zu erweitern, wenn sie die Voraussetzungen gemäß § 264 Abs. 1 Satz 5 erfüllen. Die gesetzlichen Vertreter einer kap.-marktorientierten KapG (vgl. § 264d), die nicht zur Aufstellung eines KA verpflichtet ist, müssen den JA gemäß § 264 Abs. 1 Satz 2 um eine KFR sowie einen EK-Spiegel ergänzen. Sie dürfen den JA um eine Segmentberichterstattung erweitern. Die Aufstellungsfrist beträgt nach § 264 Abs. 1 Satz 3f. für mittelgroße und große KapG drei Monate, vom Abschlussstichtag an gerechnet; für kleine KapG – und damit zugleich auch Kleinst-KapG i. S. d. § 267a – verlängert sich die Frist auf sechs Monate, allerdings unter der Voraussetzung, dass "dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht".
§ 264 Abs. 2 enthält die Generalnorm für den JA einer KapG, der unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der VFE-Lage der KapG zu vermitteln hat.
Rn. 2
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
§ 264 ist auch von bestimmten PersG gemäß § 264a anzuwenden. Dies gilt für PersG, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (vgl. im Einzelnen HdR-E, HGB § 264a, sowie zu der Befreiungsregelung in § 264b HdR-E, HGB § 264b). Gemäß § 341a Abs. 1 ist § 264 auch von Versicherungs-UN und Pensionsfonds (im Folgenden: Versicherungs-UN) zu beachten, und zwar unabhängig von der Rechtsform, allerdings mit der Einschränkung, dass die Aufstellungsfrist des § 264 Abs. 1 Satz 3 nicht gilt. Auch für Kredit-, Finanzdienstleistungs-, Wertpapier-, Zahlungs- und E-Geld-Institute (im Folgenden: Kreditinstitute) ist § 264 unabhängig von der Rechtsform gemäß § 340a Abs. 1 anzuwenden. Sowohl für Versicherungs-UN als auch Kreditinstitute gelten die Erleichterungen für kleine KapG nicht (vgl. § 341a Abs. 2 bzw. § 340a Abs. 2). Die Generalnorm des § 264 Abs. 2 ist nach § 336 Abs. 2 ebenfalls von eG anzuwenden.
Die Generalnorm des § 264 Abs. 2 gilt dagegen nicht für UN, die nach dem PublG RL-pflichtig sind. § 264 wird bei der Aufzählung der von publizitätspflichtigen UN zu beachtenden Vorschriften des HGB in § 5 Abs. 1 PublG nicht aufgeführt. Hieraus ergibt sich, dass publizitätspflichtige UN nicht die Generalnorm des § 264, sondern ausschließlich die Generalnorm des § 243 zwingend beachten müssen (vgl. ADS (1997), § 264, Rn. 7ff.; Beck Bil-Komm. (2022), § 264 HGB, Rn. 248).
§ 264 Abs. 3 und 4 enthalten eine Regelung, dass KapG unter bestimmten Voraussetzungen von der Beachtung des § 264 und des überwiegenden Teils der übrigen Vorschriften für KapG befreit sind. Die Befreiung betrifft insbesondere die Erstellung von Anhang und Lagebericht, die Prüfungspflicht und die Offenlegung im UN-Register. Voraussetzungen sind v.a. die Einbeziehung der KapG als TU in den KA des MU und dass sich das MU bereit erklärt hat, für die von dem TU bis zum Abschlussstichtag eingegangenen Verpflichtungen im folgenden GJ einzustehen (vgl. im Einzelnen HdR-E, HGB § 264, Rn. 60ff.).
B. Aufstellungspflicht für den Jahresabschluss und Lagebericht (§ 264 Abs. 1)
Rn. 3
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Nach § 242 Abs. 3 besteht der JA für alle Kaufleute grds. aus der Bilanz und der GuV. § 264 Abs. 1 Satz 1 verlangt für KapG, dass der JA darüber hinaus um einen Anhang gemäß den §§ 284–288 erweitert wird. Der Anhang ist somit Teil des JA der KapG. Bilanz, GuV und Anhang sind als "eine Einheit" (§ 264 Abs. 1 Satz 1) zu sehen. Neben diesem um den Anhang erweiterten JA müssen große und mittelgroße KapG gemäß § 264 Abs. 1 zusätzlich einen Lagebericht aufstellen.
Neben den KapG und den unter § 264a fallenden PersG haben auch eG nach § 336 Abs. 1 einen Anhang und einen Lagebericht aufzustellen. Allerdings brauchen kleine eG gemäß § 336 Abs. 2 i. V. m. § 264 Abs. 1 Satz 4 ebenso wie kleine KapG keinen Lagebericht aufzustellen. Darüber hinaus dürfen gemäß § 336 Abs. 2 Satz 3 eG, die die Merkmale für Kleinst-KapG nach § 267a Abs. 1 erfüllen (Kleinstgenossenschaften), die Erleichterungen für Kleinst-KapG nach näherer Maßgabe des § 337 Abs. 4 und § 338 Abs. 4 anwenden. Die Aufstellung eines Anhangs und Lageberichts ist auch vorgeschrieben für UN, die nach dem PublG RL-pflichtig sind, soweit sie nicht in der Rechtsform der PersG oder des Einzelkaufmanns geführt werden (vgl. § 5 Abs. 2 PublG). Überdies verpflichtet § 5 Abs. 2a PublG UN, die in sinngemäßer Anwendung des § 264d kap.-marktorientiert sind, den JA um einen Anhang zu erweitern sowie einen Lagebericht aufzustellen. Ferner haben sie den JA gemäß § 264 Abs. 1 Satz 2 um eine KFR sowie einen EK-Spiegel zu ergänzen. Sie dürfen den JA mit einer Segmentberichte...