Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Tobias Brembt
A. Überblick
Rn. 1
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Mit dem Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) vom 19.12.1985 (BGBl. I 1985, S. 2355ff.) ersetzte § 320 Abs. 1 bis 3 die Regelungen der §§ 148, 165 und 336 Abs. 4 AktG 1965 (vgl. Göbel (1988), S. 59 (60)). Die Vorschrift verpflichtet die gesetzlichen Vertreter einer KapG, dem AP alle notwendigen Unterlagen vorzulegen und Informationen zu geben, die er für eine ordnungsmäßige AP benötigt. Gemäß der Konzeption des BiRiLiG enthält § 320 auch die entsprechenden Rechte des KA-Prüfers gegenüber den gesetzlichen Vertretern einer KapG, die als MU einen KA sowie einen Konzernlagebericht aufzustellen hat und prüfen lassen muss, sowie gegenüber den AP der dem KA zugrunde liegenden JA (vgl. § 320 Abs. 3). Auch PersG in der Form einer KapG & Co., bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar eine natürliche Person ist (vgl. § 264a), unterliegen hinsichtlich der RL und der Publizität grds. den für KapG geltenden Regelungen der §§ 264ff. Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) wurde § 320 Abs. 4 hinzugefügt, der das Verhältnis zwischen neuem und altem Prüfer bei einem Prüferwechsel regelt. Danach hat der neue AP ein unmittelbares Informationsrecht gegenüber dem bisherigen AP. Mit dem Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) vom 10.05.2016 (BGBl. I 2016, S. 1142ff.) wurde darüber hinaus § 320 Abs. 5 ergänzt (vgl. BT-Drs. 18/7219, S. 42; sodann BT-Drs. 18/12611, S. 69). Dieser normiert die Weitergabe der dem AP gemäß § 320 Abs. 2 zur Verfügung gestellten Unterlagen an den KA-Prüfer eines MU, welches seinen Sitz in einem Drittstaat, also nicht in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR, hat. Das sog. CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) vom 11.04.2017 (BGBl. I 2017, S. 802ff.) führte dazu, dass die Vorlagepflichten nach § 320 Abs. 1 und 3 auf gesonderte nichtfinanzielle (Konzern-)Berichte ausgeweitet wurden (vgl. BT-Drs. 18/9982, S. 58). Das Gesetz zur weiteren Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte (ESEF-UG) vom 12.08.2020 (BGBl. I 2020, S. 1874ff.) zielt(e) schließlich auf die Offenlegung bestimmter RL-Unterlagen in dem durch die (delegierte) ESEF-VO (EU) Nr. 2018/815 (ABl. EU, L 143/1ff. vom 29.05.2019) vorgegebenen Format ab. Dabei steht ESEF für ein einheitliches elektronisches Berichtsformat (European Single Electronic Format). Entsprechend wurde durch dieses Gesetz für Inlandsemittenten (i. S. d. § 2 Abs. 14 WpHG) die Vorlagepflicht nach § 320 Abs. 1 und 3 auf die elektronische Wiedergabe des JA bzw. KA sowie des Lage- und Konzernlageberichts, die für Offenlegungszwecke durch solche Inlandsemittenten zu erstellen sind (ESEF-Unterlagen), ausgeweitet, da bezüglich dieser elektronischen Wiedergabe durch den AP Prüfungshandlungen vorzunehmen sind (vgl. § 317 Abs. 3a; BT-Drs. 19/17343, S. 20).
Rn. 2
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Nach § 316 Abs. 1 müssen mittelgroße und große KapG ihren JA prüfen lassen. Gegenstand dieser Prüfung sind der JA und der Lagebericht bzw. bei der KA-Prüfung der KA und der Konzernlagebericht (vgl. HdR-E, HGB § 316; HdR-E, HGB § 317). Weiterhin ist im Hinblick auf die Vorgaben zur nichtfinanziellen Erklärung bzw. des gesonderten nichtfinanziellen Berichts durch den AP zu prüfen, ob diese bzw. dieser vorgelegt wurde (vgl. § 317 Abs. 2 Satz 4). Bezüglich der für Offenlegungszwecke zu erstellenden elektronischen Abschlussunterlagen ist vom AP zu beurteilen, ob diese mit den geprüften Abschlussunterlagen übereinstimmen und nach § 328 Abs. 1 den Vorgaben der ESEF-VO entsprechen (vgl. § 317 Abs. 3a i. V. m. § 328 Abs. 1). Zur JA- und KA-Prüfung sind WP und WPG, im Fall von mittelgroßen GmbH sowie mittelgroßen PersG i. S. d. § 264a Abs. 1 darüber hinaus vBP und BPG zugelassen (vgl. HdR-E, HGB § 319, Rn. 9ff.).
Rn. 3
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§ 43 Abs. 1 WPO verlangt vom AP u. a., dass er gewissenhaft prüft. Der Grundsatz der Gewissenhaftigkeit umfasst das Gebot der Sorgfalt, wonach der AP die geltenden RL- und Prüfungsnormen zu beachten und sich zu bemühen hat, bestehende Ermessensspielräume sachgerecht auszufüllen (vgl. Schade (1982), S. 39; WPO-Komm. (2018), § 43, Rn. 51ff.). Hierzu gehört, dass er nach § 317 das Vorhandensein von VG und Schulden zu prüfen bzw. die Bewertung nachzuvollziehen hat. Dazu benötigt er alle erforderlichen Unterlagen und Informationen. Diese Voraussetzungen werden durch § 320 geschaffen. Ohne eine Prüfung dieser Unterlagen könnte der AP nicht feststellen, ob die gesetzlichen Vorschriften und die ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung bei der Aufstellung des JA (KA) bzw. des Lageberichts (Konzernlageberichts) beachtet worden sind.
Rn. 4
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die dem AP in § 320 eingeräumten Rechte stehen ihm unabhängig davon zu, ob der Abschluss nach den Vorschriften zur RL des HG...