Prof. Dr. Peter Oser, Dipl.-Ök. Jochen Holzwarth
A. Vorbemerkungen
Rn. 1
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Nach § 264 Abs. 1 Satz 1 ist der JA von KapG und i. S. v. § 264a haftungsbeschränkten PersG um einen Anhang zu erweitern, der mit der Bilanz und GuV eine Einheit bildet. Die materielle Bedeutung des Anhangs ergibt sich daraus, dass der JA "klar und übersichtlich sein" (§ 243 Abs. 2) und unter Beachtung der GoB ein den "tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft vermitteln" (§ 264 Abs. 2 Satz 1) muss. Weder die Bilanz noch die GuV brauchen und können für sich allein das in dieser Generalnorm geforderte Bild vermitteln; sie müssen zwar den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, doch gemessen an der Generalnorm kann und muss ihre Aussagefähigkeit als reine Zahlenwerke begrenzt bleiben. Erst die Erläuterungen und Angaben im Anhang können und müssen das geforderte Bild so vervollständigen, dass die Generalnorm verwirklicht ist (vgl. so auch Bilanz-HB (2015), Kap. J, Rn. 10ff.). Eine Bewertung z. B. nach dem Lifo-Verfahren gemäß § 256 Satz 1 entspricht zwar dem Gesetz und ist auch richtig; das in der Generalnorm geforderte Bild ist aber erst gegeben, wenn auch der in § 284 Abs. 2 Nr. 3 verlangte Unterschiedsbetrag im Anhang genannt ist. Fehlt dem JA gesetzwidrig der Anhang, sind der Feststellungsbeschluss zum JA und ein ggf. darauf beruhender Gewinnverwendungsbeschluss nichtig (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 11.02.2004, 14 U 23/03, GmbHR 2004, S. 662ff.; Hüffer-AktG (2021), § 256, Rn. 8, m. w. N.).
Rn. 2
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Der Anhang löst seine Aufgabe als ergänzende Informationsquelle unter normalen Umständen auf zwei Wegen. Zum einen gibt er im Gesetz bestimmte Erläuterungen zu den Posten der Bilanz und GuV. Zum anderen übernimmt der Anhang die Aufgabe, durch Angaben die Vergleichbarkeit der Bilanzen und GuV im Zeitablauf und auch zwischen den UN "quasi auf Umwegen" zu verwirklichen (vgl. Jonas, DB 1978, S. 1361 (1365f.); Schwartzkopff, WPg 1977, S. 530 (533)). Welche Erläuterungen und Angaben zur Erreichung dieses Ziels unter normalen Umständen notwendig, aber auch ausreichend sind, bestimmt das Gesetz.
Rn. 3
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Führen besondere Umstände dazu (und nur dann), dass der JA ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild i. S. d. § 264 Abs. 2 Satz 1 (d. h. unter Beachtung der GoB) nicht vermittelt, so sind "im Anhang zusätzliche Angaben zu machen" (§ 264 Abs. 2 Satz 2). Nur dann also sind zusätzliche Angaben zu machen, wenn unter besonderen Umständen die nach den GoB aufgestellte Bilanz und GuV sowie die im Gesetz geforderten Erläuterungen und Angaben des Anhangs zusammen das in der Generalnorm geforderte Bild nicht vermitteln. Zu den Angaben, die zusätzlich gefordert sind, schweigt das Gesetz: "Der Bericht des Bundestagsrechtsausschusses zum Gesetzentwurf schweigt darüber und verweist lediglich auf den Regierungsentwurf. In der Begründung zum Regierungsentwurf ist dargestellt, daß ein Jahresabschluß nicht ordnungsgemäß sein könne, wenn er nicht die für seine Aufstellung und Feststellung zwingenden Vorschriften beachtet. Begründend stellt er fest, daß die Anforderungen an die Richtigkeit des Jahresabschlusses, nämlich ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln, über die Regelung des § 149 Abs. 1 Satz 2 AktG hinausgehen, weil die dortige Formulierung von den übrigen Mitgliedstaaten der EG bei der Beratung der Vierten Richtlinie abgelehnt worden sei" (Janz/Schülen, WPg 1986, S. 57). Es wird von Fall zu Fall zu ermitteln sein, wann besondere Umstände vorliegen und welche Angaben dann zu machen sind (vgl. HdR-E, HGB §§ 284–288, Rn. 18ff.; Niehus (1982), S. 117ff.). In jedem Fall müssen sämtliche Informationen gegeben werden, die für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes erforderlich sind (vgl. so auch Beck Bil-Komm. (2020), § 264 HGB, Rn. 54f.).
Rn. 3a
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Mit IDW PS 270 (2018) – "Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung" – hat das IDW unter Hinweis auf § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB erstmals (ausdrücklich) eine Angabepflicht im Abschluss bei Zweifeln über die Fortführung der UN-Tätigkeit (Going Concern) eingeführt (vgl. hierzu Braun/Geppert, BB 2021, S. 811): „Besteht eine wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit Ereignissen oder Gegebenheiten, die einzeln oder insgesamt bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können, und werden diese nicht spätestens bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Aufstellung des Abschlusses ausgeräumt, müssen die gesetzlichen Vertreter im Abschluss
- die wichtigsten Ereignisse oder Gegebenheiten, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können, und die Pläne der gesetzlichen Vertreter zum Umgang mit diesen Ereignissen oder Gegebenheiten angeben und
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