1 Besteuerung von Mitunternehmerschaften
1.1 Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
1.1.1 Regelungszweck der Mitunternehmerschaft
Personengesellschaften sind nicht einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtig. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG rechnet das von der Mitunternehmerschaft erzielte Einkommen anteilig unmittelbar den einzelnen Mitunternehmern als eigene Einkünfte zu (Transparenzprinzip, BFH GrS vom 03. 05. 1993 BStBl II 1993, 616, 621). Die Besteuerung der Personengesellschaften unterscheidet sich damit grundlegend von der Besteuerung der Kapitalgesellschaften, bei denen der Gewinn zunächst bei der Gesellschaft der Körperschaftsteuer und anschließend nach Ausschüttung bei den Gesellschaftern der Einkommen- oder Körperschafsteuer unterliegt (Trennungsprinzip). Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG umfasst zwei Komponenten, nämlich die Gewinnanteile der Gesellschafter einer OHG, einer KG und einer anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen sind, und die Sondervergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für Tätigkeit, Hingabe von Darlehen und Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Dementsprechend erfolgt auch die Einkünfteermittlung der Gesellschafter in zwei Stufen:
- Der von der Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinn wird bei den Gesellschaftern in ihrem Gewinnanteil erfasst. Das Gesetz geht davon aus, dass der Gewinn bei der Personengesellschaft entsteht. Deshalb muss zunächst der Gewinn der Gesellschaft auf der Grundlage der Handelsbilanz unter Beachtung der steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 5 ff. EStG ermittelt werden (1. Stufe). Dieser Gewinn ist anschließend anteilig auf die Gesellschafter zu verteilen und bei ihnen als Einkünfte zu versteuern.
- Außerdem müssen bei den Gesellschaftern die Sondervergütungen erfasst werden, die von der Gesellschaft an die Gesellschafter bezahlt werden (2. Stufe). Es kommt dabei nicht darauf an, ob die hinzugerechneten Sondervergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage oder aufgrund einer schuldrechtlichen Verpflichtung (z. B. Arbeits-, Dienst-, Werk-, Darlehens-, Miet-, Pachtvertrag) gezahlt werden.
Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist es, den Personengesellschafter so weit wie möglich einem Einzelunternehmer gleichzustellen. Dieser Regelungszweck wird erreicht, indem die Sondervergütungen der Gesellschafter dem Steuerbilanzgewinn hinzugerechnet und die überlassenen Darlehen und Wirtschaftsgüter als Sonderbetriebsvermögen in die steuerliche Gesamtbilanz aufgenommen werden. Die Hinzurechnung der Sondervergütungen soll die Mitunternehmer einer Personengesellschaft einem Einzelunternehmer anzunähern, weil dieser keine Verträge mit sich selbst abschließen kann (BFH vom 11. 03. 1992 BStBl II 1992, 798). Dies bedeutet, dass im Zweifel dem Ergebnis der Vorzug zu geben ist, das bei wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalten zu einer gleichmäßigen Besteuerung von Einzelunternehmern und Mitunternehmern führt (so der ansonsten in einigen Bereichen überholte Mitunternehmererlass, BMF vom 20. 12. 1977 BStBl I 1978, 8, Tz. 2).
Beispiel
Grundfall Sondervergütungen
An der ABC-OHG sind die Gesellschafter A, B und C zu gleichen Teilen beteiligt. Der HB-Gewinn der OHG des Jahres 01 beträgt 120 000 EUR. A erhält für seine Geschäftsführertätigkeit von der OHG 50 000 EUR ausbezahlt. B erhält für eine Darlehenshingabe an die OHG von dieser 10 000 EUR Zinsen. C erzielt aus einem an die OHG vermieteten Grundstück Einkünfte von 20 000 EUR (25 000 EUR Einnahmen, 5 000 EUR AfA und Kosten). Die Zahlungen der OHG an ihre Gesellschafter sind in der HB der OHG als Aufwand gebucht.
LÖSUNG Die in der HB der OHG als Aufwand gebuchten Gehalts-, Zins- und Darlehenszahlungen dürfen im Ergebnis den Steuerbilanzgewinn nicht mindern. Auch ein Einzelunternehmer dürfte solche Zahlungen (an sich selbst) nicht vom Gewinn abziehen. Sie sind daher als Sondervergütungen dem steuerlichen Gesamtgewinn der OHG hinzuzurechnen. Dieser beträgt demnach (120 000 EUR + 50 000 EUR + 10 000 EUR + 20 000 EUR =) 200 000 EUR. Die Zahlungen sind zugleich dem Gewinnanteil des jeweiligen Gesellschafters hinzuzurechnen. Sie stellen bei den Gesellschaftern keine privaten Einkünfte aus §§ 19, 20, 21 EStG, sondern Sonderbetriebseinnahmen (SBE) bzw. Sonderbetriebsausgaben (SBA) dar. Das Grundstück des C gehört zu seinem Sonderbetriebsvermögen bei der OHG, das Teil der steuerlichen Gesamtbilanz und dort steuerverhaftet ist. Die Gewinnverteilung wird wie folgt vorgenommen:
Gesellschafter |
Handelsbilanzgewinn |
Sonderbetriebseinnahmen |
Sonderbetriebsausgaben |
Steuerlicher Gesamtgewinn |
A |
40 000 EUR |
50 000 EUR |
– |
90 000 EUR |
B |
40 000 EUR |
10 000 EUR |
– |
50 000 EUR |
C |
40 000 EUR |
25 000 EUR |
5 000 EUR |
60 000 EUR |
Gesamt |
120 000 EUR |
85 000 EUR |
5 000 EUR |
200 000 EUR |
Der steuerliche Gesamtgewinn der Personengesellschaft bildet zugleich auch die Basis für den Gewerbeertrag nach §§ 7 ff. GewStG vor den gewerbesteuerlichen Hinzu- und Abrechnungen. Die Sondervergütungen werden also auch gewerbesteuerlich umqualifiziert. Dieser Umstand stellt eine wesentliche Ursache für die Qua...