Prof. Dr. Uwe Grobshäuser
Auf der Ebene des Gesellschafters wird die verdeckte Gewinnausschüttung wie eine Dividende behandelt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Insbesondere bei zinslosen Darlehen stellt sich immer wieder die Frage, ob die im Wege der verdeckten Gewinnausschüttung fiktiv hinzugerechneten Zinsen im Rahmen einer anderen Einkunftsart (z. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) als Werbungskosten oder Betriebsausgaben berücksichtigt werden können. Dies wird man bejahen müssen (sog. Fiktionstheorie).
G ist Gesellschafter der A-GmbH. Er hält die Anteile im Privatvermögen. Die GmbH gewährt G ein zinsloses Darlehen i. H. v. 500 000 EUR, obwohl ein Zinssatz von 4 % angemessen wäre. G verwendet das Darlehen zur Finanzierung eines Mehrfamilienhauses, mit dem er Einkünfte nach § 21 EStG erzielt. Im Rahmen einer Betriebsprüfung der GmbH wird dem Einkommen der GmbH die verdeckte Gewinnausschüttung i. H. v. (500 000 EUR × 4 % =) 20 000 EUR hinzugerechnet. Beim Gesellschafter G wird die verdeckte Gewinnausschüttung als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 32d Abs. 1 EStG erfasst.
LÖSUNG Hätte G für das Darlehen 20 000 EUR Zinsen bezahlt, hätte er die Ausgaben als Werbungskosten im Rahmen des § 21 EStG geltend machen können. Aufgrund der verdeckten Gewinnausschüttung wird das Darlehen so behandelt, als habe die GmbH 20 000 EUR an G ausgeschüttet und dieser die 20 000 EUR als Zinsen bezahlt (daher ja auch die Erfassung bei der GmbH als Einnahmen). Aus diesem Grund muss man die Zinsen auch "fiktiv" als Werbungskosten zulassen.
Die Behandlung der vGA beim Gesellschafter richtet sich im Übrigen danach, ob sich die Beteiligung im Privat- oder Betriebsvermögen befindet.
2.3.3.3.1 Beteiligung im Privatvermögen
Beim Gesellschafter, der seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft im Privatvermögen hält, führt eine vGA zu Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Der Gesellschafter muss die vGA aber nur und erst dann versteuern, wenn er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Vermögensvorteil erlangt (§ 11 EStG; H 11 EStH "Allgemeines"). Ersparte Aufwendungen sind dem Gesellschafter in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem er über den Vorteil wirtschaftlich verfügen kann.
Eine GmbH überlässt einem Gesellschafter unentgeltlich eine Wohnung für private Wohnzwecke. Die vGA i. H. d. ersparten Miete fließt dem Gesellschafter monatlich zu.
Zwischen den steuerlichen Folgen einer vGA beim Gesellschafter und bei der Kapitalgesellschaft ist stets zu unterscheiden. Nicht jeder Tatbestand des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG führt automatisch zu einer Einnahme nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
Der Körperschaftsteuerbescheid ist kein Grundlagenbescheid für die Besteuerung des Gesellschafters.
Eine GmbH bildet für eine Pensionszusage an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionsrückstellung i. H. v. 125 000 EUR. Bei einer Betriebsprüfung wird die Pensionszusage nicht anerkannt und das Einkommen der GmbH nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG um 125 000 EUR erhöht.
Für den Gesellschafter hat diese vGA keine Auswirkung. Aus der Pensionszusage fließt ihm noch kein Vorteil zu.
Bis VZ 2008 wurde eine vGA im Halbeinkünfteverfahren versteuert (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 Nr. 40 Buchst. d EStG). Werbungskosten konnten zur Hälfte geltend gemacht werden (§ 3c Abs. 2 EStG). Für den Gesellschafter war es daher steuerlich vorteilhaft, wenn z. B. sein Gehalt (§ 19 EStG, voll besteuert) in eine vGA umqualifiziert wurde (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, zur Hälfte steuerpflichtig).
Im Zuge der Unternehmenssteuerreform wurde mit Wirkung ab VZ 2009 das Halbeinkünfteverfahren abgeschafft. VGA unterliegen der Abgeltungsteuer i. H. v. 25 % (§ 32d EStG) zzgl. 5,5 % SolZ. Damit ist die Umqualifizierung der Einkünfte in eine vGA weiterhin für den Gesellschafter (isoliert betrachtet) steuerlich günstig, wenn sein Spitzensteuersatz über 25 % liegt.
Mit Wirkung ab VZ 2011 wurde die Besteuerung der verdeckten Gewinnausschüttungen auf Gesellschafterebene wiederum geändert, da man erkannte, dass es für Gesellschafter interessant sein konnte, bewusst verdeckte Gewinnausschüttungen zu provozieren, um die gegenüber dem Spitzensteuersatz günstigere Abgeltungsteuer zu erlangen. § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG sieht nun vor, dass verdeckte Gewinnausschüttungen dem allgemeinen Steuersatz unterliegen, soweit sie das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben. Dieser Tatbestand kann nur selten vorkommen, da die verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen der leistenden Körperschaft erhöht. Eine Minderung ist z. B. dann gegeben, wenn die Veranlagung der Körperschaft bestandskräftig ist und die Leistung (z. B. überhöhte Zinsen) als Betriebsausgabe gebucht wurde. In diesem Fall ist eine Erhöhung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht mehr möglich. Der Gesellschafter muss dann die verdeckte Gewinnausschüttung im Teileinkünfteverfahren versteuern. Der Tatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG kann aber auch z. B. dann erfüllt sein, wenn eine im Ausland ansässig...