Prof. Dr. Uwe Grobshäuser
1 Steuerpflicht
Eine Kapitalgesellschaft unterliegt der deutschen Körperschaftsteuer, wenn sie entweder unbeschränkt (§ 1 KStG) oder beschränkt (§ 2 KStG) steuerpflichtig ist.
1.1 Unbeschränkte Steuerpflicht
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist eine Kapitalgesellschaft unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat.
1.1.1 Beginn
Die Steuerpflicht beginnt bei Kapitalgesellschaften nicht erst mit der Erlangung der Rechtsfähigkeit durch die Eintragung im Handelsregister (§§ 41, 278 AktG, § 11 GmbHG), sondern erstreckt sich auch auf die mit Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags (§ 2 GmbHG) oder durch notarielle Festsetzung der Satzung (§ 23 Abs. 1, § 280 Abs. 1 AktG) errichtete Vorgesellschaft, d. h. die Kapitalgesellschaft im Gründungsstadium (H 2 "Beginn der Steuerpflicht" KStH).
1.1.2 Geschäftsleitung
Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO). Der steuerliche Begriff der Geschäftsleitung entspricht im Wesentlichen dem Begriff des tatsächlichen Verwaltungssitzes im Zivil- und Handelsrecht (BFH vom 23. 06. 1992 BStBl II 1992, 972). Entscheidend sind jeweils die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall (BFH vom 03. 07. 1997 BStBl II 1998, 86).
Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird, d. h. wo die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Maßgeblich ist der Ort, an dem die laufende Geschäftsführung stattfindet. Zu ihr gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb der Gesellschaft mit sich bringt (BFH vom 19. 03. 2002 BFH/NV 02, 1411). Nicht entscheidend ist, wo die abgegebenen Willenserklärungen wirksam werden oder sich die Geschäftsführungsmaßnahmen auswirken bzw. durchzuführen sind.
Regelmäßig wird der maßgebende Wille in den Büroräumen der Gesellschaft gebildet (BFH vom 23. 01. 1991 BStBl II 1991, 554). Wird eine Gesellschaft an verschiedenen Orten geschäftsführend tätig, so sind die an verschiedenen Orten ausgeübten Tätigkeiten nach ihrer Bedeutung für die Gesellschaft zu gewichten, um auf diese Weise den Ort der Geschäftsleitung zu bestimmen (BFH vom 03. 07. 1997 BStBl II 1998, 86). Die Geschäftsleitung einer Organgesellschaft liegt nicht notwendigerweise beim Organträger (BFH vom 09. 08. 1957 BStBl III 1957, 341).
1.1.3 Sitz
Den Sitz hat eine Körperschaft an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist (§ 11 AO). Nach § 3 GmbHG muss der Sitz der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden. Nach § 4a GmbHG i. d. F. des MoMiG muss der statutarische Sitz einer GmbH zwingend in Deutschland sein.
1.1.4 Ausländische Kapitalgesellschaften
Die steuerliche Behandlung von Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Ausland ist problematisch und derzeit noch immer nicht vollständig geklärt.
Kapitalgesellschaften, die sowohl ihren statutarischen als auch ihren Verwaltungssitz im Ausland haben, können schon dem Wortlaut nach nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sein. Hier kommt allenfalls eine beschränkte Steuerpflicht nach § 2 KStG infrage (s. unten).
Bei Kapitalgesellschaften, die ihren statutarischen Sitz im Ausland, ihren Verwaltungssitz aber in Deutschland haben, galt in der Vergangenheit die sog. Sitztheorie. Nach dieser hing die rechtliche Anerkennung einer Kapitalgesellschaft davon ab, dass die Kapitalgesellschaft in ihrem Gründungsstaat auch ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hatte. Danach wurde eine ausländische Gesellschaft, die lediglich ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hatte, als nicht rechtsfähig und folglich nicht als Kapitalgesellschaft i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anerkannt (BFH vom 23. 06. 1992, IX R 182/87, BStBl II 1992, 972).
Zumindest für Kapitalgesellschaften, die dem europäischen Recht unterliegen, ist die Sitztheorie aufgrund der neueren Rspr. des EuGH überholt. Der EuGH hat mit seinen Urteilen vom 09. 03. 1999, Rs. C-212/9 "Centros" und vom 05. 11. 2002, Rs. C-280/00 "Überseering" entschieden, dass es gegen die europäische Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verstößt, wenn der Zuzugsstaat die Rechtsfähigkeit der zugezogenen Gesellschaft, die nach ausländischem Recht wirksam gegründet wurde, nicht anerkennt. Damit kann einer dem europäischen Recht unterliegenden Kapitalgesellschaft kein Nachteil daraus erwachsen, dass sich die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat entfaltet und der Verwaltungssitz dieser Gesellschaft sich nicht im Sitzstaat befindet.
Der in Deutschland ansässige Gesellschafter G gründet die Y-ltd. mit statutarischem Sitz in England. Die Geschäftsführung und die Geschäftsräume befinden sich ausschließlich in Deutschland.
Lösung Die britische ltd. ist einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar. Da sich die Geschäftsleitung in Deutschland befindet, ist die ltd. in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG.
Ob die Grundsätze dieser Rspr...