Prof. Dr. Uwe Grobshäuser
Stimmrechtsvereinbarungen (insbesondere Einstimmigkeitsabreden) können dazu führen, dass ein Gesellschafter, der formal die gesellschaftsrechtliche Mehrheit hat, seinen Willen gegenüber anderen (Minderheits-)Gesellschaftern nicht durchsetzen kann und dadurch die für die Betriebsaufspaltung notwendige personelle Verflechtung entfällt (grundlegend: BFH vom 21. 01. 1999 BStBl II 2002, 771 und BMF vom 07. 10. 2002 BStBl I 2002, 1028).
Das Problem der Einstimmigkeitsabreden kann nicht entstehen, wenn am Besitz- und am Betriebsunternehmen dieselben Personen beteiligt sind.
Abb. 3.H.6
Unabhängig davon, ob im Besitzunternehmen das Einstimmigkeits- oder das Mehrheitsprinzip gilt, beherrscht die Personengruppe A + B beide Unternehmen.
Ist aber am Besitzunternehmen ein Gesellschafter beteiligt, der am Betriebsunternehmen keine Anteile hält, so kommt es für die Frage der Beherrschung darauf an, ob im Besitzunternehmen für die laufende Verwaltung der vermieteten Wirtschaftsgüter (die sog. Geschäfte des täglichen Lebens) das Mehrheits- oder das Einstimmigkeitsprinzip gilt.
Abb. 3.H.7
LÖSUNG Gilt das Mehrheitsprinzip, so kann die Personengruppe A+B beide Unternehmen beherrschen. Der 10 %ige Anteil des C hat insoweit keine Bedeutung.
Gilt allerdings das Einstimmigkeitsprinzip, so nützen A und B die 90 %, die sie an dem Besitzunternehmen halten nichts. C kann sie jederzeit überstimmen. Es liegt dann – mangels personeller Verflechtung – keine Betriebsaufspaltung vor.
Die Frage, ob für die maßgeblichen Geschäfte des täglichen Lebens das Einstimmigkeits- oder das Mehrheitsprinzip gilt, kann sich aus Gesetz oder Vereinbarung (Gesellschaftsvertrag oder Stimmrechtsvereinbarung) ergeben.
Wird das Besitzunternehmen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt, steht die Führung der Geschäfte nach dem Gesetz den Gesellschaftern nur gemeinschaftlich zu. Für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich (§ 709 Abs. 1 BGB). Dadurch kann auch ein Mehrheitsgesellschafter in der GbR seinen Willen alleine nicht durchsetzen.
Die Vorschrift des § 709 Abs. 1 BGB kann aber vertraglich abbedungen werden. Dann kann der Gesellschafter seinen Willen in der Gesellschaft durchsetzen, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt. Damit haben es die Gesellschafter in der Hand, eine Betriebsaufspaltung zu begründen oder nicht.
Nach einer Entscheidung des BFH (BFH vom 01. 07. 2003 BStBl II 2003, 757) gehen bei der GbR allerdings die Geschäftsführungskompetenzen den Stimmrechtsregelungen vor. Der BFH begründet dies damit, dass bei Berufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers die anderen Gesellschafter in Angelegenheiten der Geschäftsführung nicht tätig werden dürften und die übrigen Gesellschafter dem Gesellschafter-Geschäftsführer gegenüber weder ein Widerspruchs- noch ein Weisungsrecht haben. Die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter haben lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes das Recht, die Geschäftsführung zu kündigen (§ 712 BGB).
Abb. 3.H.8
LÖSUNG Unabhängig davon, in welcher Höhe A an der GbR beteiligt ist, kann er wegen § 709 BGB seinen Willen in der GbR nicht durchsetzen.
Wird allerdings A zum alleinigen Geschäftsführer der GbR bestellt, so kann er seinen Willen alleine durchsetzen, da C den Maßnahmen der Geschäftsführung nicht widersprechen kann. Es liegt eine personelle Verflechtung vor.
Ist das Besitzunternehmen eine Kommanditgesellschaft, so gilt das Einstimmigkeitsprinzip für die Geschäfte des täglichen Lebens grundsätzlich nicht. Bisher ging man davon aus, dass der Mehrheitsgesellschafter in der Gesellschaft seinen Willen durchsetzen kann und damit die Gesellschaft beherrscht (vgl. BMF vom 07. 10. 2002 a. a. O., Tz. 3). Lediglich bei Vereinbarung des Einstimmigkeitsprinzips sollte die personelle Verflechtung entfallen, wenn das Einstimmigkeitsprinzip auch die Geschäfte des täglichen Lebens umfasst.
Abb. 3.H.9
LÖSUNG Aufgrund seiner 80 %igen Beteiligung kann A seinen Willen in der KG durchsetzen. Vereinbaren A und C allerdings das Einstimmigkeitsprinzip, so entfällt eine personelle Verflechtung, da A zu allen Entscheidungen die Zustimmung des C benötigt.
Wendet man allerdings diese Rechtsprechung des BFH an, wonach es für das Vorliegen einer personellen Verflechtung entscheidend auf die Geschäftsführungsbefugnis ankommt, so kann ein Kommanditist grundsätzlich das Besitzunternehmen nicht beherrschen, da er nach § 164 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist. Ihm steht lediglich das Kontrollrecht nach § 166 HGB zu.
Zum Sachverhalt siehe voriges Beispiel. A ist Kommanditist und C Komplementär.
LÖSUNG A ist kraft Gesetzes trotz seiner 80 %igen Beteiligung von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Eine personelle Verflechtung läge nicht vor, wenn man die Rechtsprechung des BFH (die ja für eine GbR ergangen ist), auf die KG überträgt.
Diese Frage wurde bisher allerdings weder von der Rechtsprechung noch von der Verwaltung problema...