Leitsatz
Das Wahlrecht der Eltern zur Bestimmung des Kindergeldberechtigten kann unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend ausgeübt werden.
Sachverhalt
Grundsätzlich wird das Kindergeld nur an einen Elternteil ausgezahlt. Sofern die Eltern mit dem Kind in einem Haushalt leben, bestimmen sie, ob Mutter oder Vater der Bezugsberechtigte sein soll. Diese Bestimmung kann von den Eltern wieder geändert werden, und zwar auch rückwirkend. Im Urteilsfall hatten die Eltern zweier 1984 und 1988 geborener Kinder der Familienkasse am 23.12.2005 mitgeteilt, dass ab dem 1.12.2005 nicht mehr der Vater, der seit der Geburt der Kinder das Kindergeld bezogen hatte, sondern die Mutter kindergeldberechtigt sein solle, weil sie aufgrund einer tarifvertraglichen Besitzstandsregelung einen zeitlich unbefristeten Ortszuschlag hätte beanspruchen können, falls sie im Monat Dezember 2005 Kindergeld erhalten hätte.
Die Familienkasse lehnte den Antrag der Mutter jedoch ab und ließ einen Berechtigtenwechsel erst mit Wirkung vom 1.1.2006 zu. Zur Begründung führte sie aus, eine Änderung der Berechtigtenbestimmung könne erst vom Beginn des Folgemonats an berücksichtigt werden. Eine rückwirkende Änderung komme nur in Betracht, soweit das Kindergeld noch nicht festgesetzt worden sei.
Diese Sichtweise hielt das FG für zu eng, da sie eine rückwirkende Änderung des Berechtigten praktisch unmöglich mache. Schließlich sei das Kindergeld ja immer bereits zugunsten eines Elternteils festgesetzt. Der Verwaltungsauffassung, eine Änderung der Berechtigtenbestimmung könne rückwirkend nur berücksichtigt werden, soweit noch keine Festsetzung für das jeweilige Kind erfolgt ist, erteilte das FG eine Absage.
Vielmehr sei eine rückwirkende Änderung der Festsetzung durchaus möglich. Dementsprechend könne die Festsetzung des Kindergelds zugunsten des Vaters rückwirkend zum 1.12.2005 aufgehoben und das Kindergeld ab diesem Zeitpunkt zugunsten der Mutter festgesetzt werden. Denn mit einem übereinstimmend erklärten rückwirkenden Wechsel entfällt die materiellrechtliche Berechtigung des bisher Berechtigten für einen Kalendermonat vollständig, während der neue Berechtigte durch die Erklärung an allen Tagen des Monats rückwirkend Berechtigter wird. Nur, wenn das Kindergeld für den betreffenden Monat schon ausgezahlt worden und der Anspruch für diesen Monat deshalb erloschen sei, komme eine rückwirkende Änderung nicht mehr in Betracht.
Hier war das für den Monat Dezember festgesetzte Kindergeld indes erst am Monatsende fällig und somit auch erst am 30.12.2005 (Zahltag), also nach der Erklärung des Berechtigtenwechsels, an den Vater ausgezahlt worden. Im Zeitpunkt der während des laufenden Monats erfolgten Erklärung des zum 1.12.2005 vorgenommenen Berechtigtenwechsels war der Kindergeldanspruch mithin nicht erfüllt und daher für Dezember 2005 noch nicht erloschen.
Hinweis
Nach der Auffassung des FG kann ein Berechtigtenwechsel nur Auswirkungen für die Vergangenheit haben, wenn für den zurückliegenden Zeitraum, hier den bereits laufenden Monat, eine Rechtsgestaltung noch möglich ist. Dies ist der Fall, wenn für diesen Zeitraum das Kindergeld noch nicht an den bis dahin Berechtigten gezahlt worden ist. Denn durch die Zahlung ist der Kindergeldanspruch des bis dahin Berechtigten erfüllt und damit erloschen (§ 47 AO).
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.06.2010, 4 K 4132/06 B; Az. des BFH: III R 61/09.