Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Wurde dem leistenden Unternehmer noch keine Steuernummer im klassischen Sinne zugeteilt, bleibt der Vorsteuerabzug für den Leistungsempfänger erhalten, wenn in der Rechnung eine vom Finanzamt in Schriftsätzen verwendete "Kennzeichnung" verwendet wird.
Problematik
Die Klägerin war mit dem Reinigen von Schiffs- und Industrieanlagen unternehmerisch tätig. Sie beauftragte die Firma XY als Subunternehmer, nachdem sie sich zuvor über das Unternehmen erkundigt und eine Gewerbeanmeldung hatte vorlegen lassen. Die Firma XY erteilte Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis und gab darauf als Steuernummer den Vermerk "75/180 Wv" an. Hierbei handelte es sich um eine Kennzeichnung, die das Finanzamt B in seinen Schriftsätzen gegenüber der Firma XY in Schriftwechseln unter "Steuer Nr./Az." mit der Aufforderung verwandte, sie bei Antworten anzugeben. Eine "richtige" Steuernummer war für die Firma XY noch nicht vergeben worden.
Das Finanzamt versagte der Klägerin den Vorsteuerabzug, weil die Rechnungen erkennbar keine Steuernummer des leistenden Unternehmers enthielten.
Entscheidung des Finanzgerichts
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dieser Angabe nicht bereits um eine Steuernummer handelt, wie sie in § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG in Rechnungen gefordert wird. Denn für die Firma XY war dies die ihr vom Finanzamt im Zeitpunkt der Rechnungsdatierung zugeordnete Steuernummer. Das Finanzamt hatte sie selbst auch als Steuernummer ("Steuer Nr./Az.") bezeichnet. Da sie von der Steuerverwaltung erteilt wurde, sei sie zumindest nach allgemeinem Verständnis eine Steuernummer. Sie erfülle auch den Zweck der Angabe der Steuernummer, nämlich den Rechnungsaussteller als Steuerpflichtigen identifizieren zu können.
Konsequenzen für die Praxis
Immer wieder versagen einzelne Finanzämter in Fällen wie dem hier vorliegenden den Vorsteuerabzug wegen "fehlender" Steuernummer. Gerade bei Anzahlungsrechnungen, die kurz nach Gründung des leistenden Unternehmens gestellt werden, ist dies zu beobachten, weil dann die steuerliche Erfassung beim Finanzamt oft noch nicht abgeschlossen ist. Es grenzt m.E. schon an eine gewisse Unverfrorenheit, den Vorsteuerabzug zu versagen, obwohl der leistende Unternehmer das vorläufig maßgebende "Wiedervorlage-Aktenzeichen" der Finanzverwaltung verwendet – mehr kann er zu diesem Zeitpunkt gar nicht tun, sofern er nicht vorerst komplett auf eine Rechnungstellung verzichtet, was wirtschaftlich gesehen aber eine denkbar schlechte Alternative und sicherlich so auch nicht gewollt ist. Das Finanzgericht hat den Vorsteuerabzug deshalb folgerichtig anerkannt.
Übrigens weist die Finanzverwaltung selbst ganz offiziell darauf hin, dass die Überprüfung der Richtigkeit der Steuernummer dem Rechnungsempfänger regelmäßig nicht möglich ist. Sofern diese Angabe unrichtig sein sollte und der Leistungsempfänger dies nicht erkennen konnte, bleibt der Vorsteuerabzug grundsätzlich erhalten (vgl. Abschn. 192 Abs. 3 UStR).
Natürlich muss sich der steuerliche Berater in der Praxis die Frage stellen, ob er wegen einer solchen Sache den Finanzrechtsweg bestreitet oder aber zeitnah auf eine Berichtigung bzw. Ergänzung der Rechnung drängt, sobald dem Rechnungsaussteller eine ordentliche Steuernummer erteilt wurde. Allerdings ist eine solche zeitnahe Korrektur nur dann möglich, wenn die risikobehaftete Eingangsrechnung als solche auch frühzeitig erkannt wird.
Kommentar
Anmerkung
Sämtliche Entscheidungen der Finanzgerichte zum Umsatzsteuerrecht finden Sie auf der CD/Online-Version im Portlet "Rechtsprechung USt" unter "Finanzgerichte".
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil v. 20.2.2009, 16 K 311/08