Ass. jur. Viola C. Didier
Leitsatz
Die Stellung als Pensionär ist nicht in die Gesamtbetrachtung bei der Frage nach dem Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bei Ausübung einer selbstständigen Gutachtertätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer mit einzubeziehen.
Sachverhalt
Ein Beamter im Ruhestand nutzte einen Kellerraum als Arbeitszimmer, da er als selbstständiger Gutachter tätig war. Der Raum war mit einem Schreibtisch, einem großen Tisch für Zeichnungen und Besprechungen, Stühlen, Regalen und einer PC-Anlage ausgestattet. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen dafür nicht an, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung des Pensionärs darstelle. Das Finanzamt hatte die Einkünfte aus der Pension, ca. 27.000 EUR, und aus der selbstständigen Gutachtertätigkeit, ca. 700 EUR gegenüber gestellt, was zeige, dass der Schwerpunkt der Einkünfteerzielung auf der "Pensionärstätigkeit" liege. Der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit aus der passiven Haupttätigkeit als Pensionär liege jedenfalls nicht im Arbeitszimmer.
Das FG war der Auffassung, dass Einkünfte von Steuerpflichtigen, denen keine aktive Tätigkeit zugrunde liegt, nicht in die Würdigung einzubeziehen seien. Anderenfalls müsse es sich bei der Eigenschaft als Pensionär bzw. Rentner um eine berufliche Tätigkeit nach § 6 Abs. 5 Nr. 6b EStG handeln. Ein Pensionär erziele zwar steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, entfalte aber keine Tätigkeit zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Für den Bezug der Pension bzw. Rente sei weder eine Tätigkeit erforderlich noch habe eine etwaige Tätigkeit Einfluss auf diese. Der Argumentation des Finanzamts, ein Pensionär übe eine passive Tätigkeit aus, folgte das FG nicht.
Für die Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung war daher nur die tatsächliche aktuelle Betätigung einzubeziehen. Es kam hinzu, dass der Pensionär eine nicht nur unwesentliche Tätigkeit ausübte. Sie entsprach zeitlich einer Halbtagsbeschäftigung und er erzielte in den Folgejahren nennenswerte Einnahmen (17.333 EUR in 2008, 51.478 EUR in 2009).
Hinweis
Darüber hinaus war die Ermittlung der anteiligen Aufwendungen für das im Keller gelegene häusliche Arbeitszimmer umstritten. Das Gericht folgte für die Anteilsberechnung den Grundsätzen des BFH (Urteil v. 18.10.1983, VI R 68/83; v. 5.9.1990, X R 3/89). Danach gehören Kellerräume grundsätzlich zu den Zubehörräumen (Nebenräumen), die nicht in die Wohnflächenberechnung eingehen. Dies gilt unabhängig von deren Größe, Ausstattung und Nutzung.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil v. 8.11.2011, 12 K 264/09