Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.11.1995) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. November 1995 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 500 DM.
Tatbestand
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten, ihren geschiedenen Ehemann, auf Zahlung von Zugewinnausgleich in Anspruch. Neben einem bereits bezifferten Zahlungsantrag erhob sie Stufenklage, mit der sie Auskunft über das Endvermögen des Beklagten und Zahlung von (weiterem) Zugewinnausgleich in noch zu beziffernder Höhe verlangt. Der Beklagte trat der Klage entgegen. Er machte im wesentlichen geltend, keinen Zugewinn erwirtschaftet zu haben, jedenfalls habe die Klägerin einen Ausgleichsanspruch verwirkt. Außerdem erhob er die Einrede der Verjährung. Das Amtsgericht – Familiengericht – verurteilte den Beklagten durch Teilurteil, der Klägerin Auskunft über den Bestand seines Endvermögens zum 14. April 1990 durch Vorlage eines schriftlichen Verzeichnisses (§ 260 BGB) zu erteilen.
Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten verwarf das Oberlandesgericht durch Beschluß als unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.500 DM nicht übersteige (§ 511 a ZPO). Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß für den Wert des Beschwerdegegenstandes, den das Gericht bei einem Rechtsstreit wegen der Erteilung einer Auskunft gemäß § 2 und 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen hat, das Interesse des Rechtsmittelklägers maßgebend ist. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ – GSZ – 128, 85, 87 f m.w.N.) hat es dargelegt, daß sich der Beschwerdewert bei der Berufung einer zur Auskunft verurteilten Person nach deren Interesse richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, und daß es für die Bewertung dieses Abwehrinteresses in der Regel auf den Zeit- und Arbeitsaufwand ankommt, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft verursacht. Das Oberlandesgericht hat diesen Aufwand mit höchstens 500 DM veranschlagt, weil nicht ersichtlich sei, daß der Beklagte besondere Mühen oder Kosten zur Erfüllung des titulierten Auskunftsanspruchs aufzuwenden habe, sondern eine zusätzliche Tätigkeit von nennenswertem Umfang im Hinblick auf die bereits vorgelegten Unterlagen selbst nicht für erforderlich gehalten habe. Das Interesse des Beklagten an der Abwehr des durch die Auskunft vorbereiteten Hauptanspruchs hat das Oberlandesgericht unberücksichtigt gelassen.
2. Diese Bewertung des Rechtsmittelinteresses, die vom Senat nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm gemäß § 3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 1989 – IV b ZB 174/88 – BGHR ZPO § 2 Beschwerdegegenstand 10 = FamRZ 1989, 730; vom 22. Februar 1989 – IV b ZB 5/89 – FamRZ 1989, 731 und vom 24. April 1993 – XII ZB 6/93 – BGHR ZPO § 511 a Wertberechnung 9), ist nicht zu beanstanden.
a) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist sein Interesse, von der Verweigerung der Auskunft abhängige Ansprüche der Klägerin abzuwehren, bei der Bewertung seines Rechtsmittelinteresses auch nicht mit einem Bruchteil dieser Ansprüche zu berücksichtigen (BGH, Beschlüsse vom 24. November 1994 a.a.O. und vom 8. Oktober 1991 – XI ZB 5/91 – BGHR ZPO § 511 a Wertberechnung 8); denn es wird durch die Verurteilung zur Erteilung der Auskunft, die für den Grund des Hauptanspruchs keine Rechtskraft schafft, nicht entscheidend berührt. Für die Bewertung des Abwehrinteresses bleibt deshalb, von dem hier nicht vorliegenden Fall eines anzuerkennenden Geheimhaltungsinteresses abgesehen, die Vermeidung des Aufwandes an Zeit und Arbeit, den die Erteilung der Auskunft verursacht.
b) Diesen Aufwand hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des erforderlichen Zeiteinsatzes des Beklagten fehlerfrei mit höchstens 500 DM bemessen. Tatsächliche Umstände, die zu einer höheren Bewertung führen müßten, hat der Beklagte im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht dargelegt. Vielmehr hat er – auf entsprechende Auflage – zum Beschwerdewert vorgetragen, er habe entgegen der Behauptung der Klägerin bereits Unterlagen beigebracht, die sein vollständiges Vermögen zum maßgeblichen Zeitpunkt auswiesen; infolgedessen sei eine zusätzliche Tätigkeit von nennenswertem Umfang nicht ersichtlich. Soweit er in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, der Streitwert belaufe sich auf höchstens 10.000 DM, hat er sich erkennbar auf die in erster Instanz erfolgte, für das Verfahren über seine Berufung nicht maßgebliche Wertfestsetzung bezogen, die das höhere Interesse der Klägerin an der Erteilung der Auskunft zu berücksichtigen hatte.
c) Mit der sofortigen Beschwerde macht der Beklagte erstmals geltend, daß er die Auskunft nicht ohne fremde Hilfe erteilen könne. Da sein Vermögen, wie dem Berufungsgericht bekannt gewesen sei, in börsenorientierten und börsennotierten Vermögenswerten bestanden habe, sei es für eine Auskunftserteilung mit Belegen erforderlich, daß die Banken mit erheblichem Zeit- und Arbeitsaufwand die notwendigen Unterlagen beschafften. Nach erfolgter Festsetzung der Steuerschuld aufgrund seiner Selbstanzeige gegenüber dem Finanzamt für einen zurückliegenden Zeitraum von zehn Jahren habe er die nicht mehr benötigten Unterlagen und Belege vernichtet, so daß deren erneute Beschaffung erforderlich sei. Sie werde hinsichtlich der Wertpapier- und Kontoguthaben bei der D. Bank AG in H. Kosten von ca. 3.000 DM und hinsichtlich derjenigen bei der Spar- und Darlehenskasse eG D. solche von voraussichtlich 2.000 DM verursachen.
Diese zu dem bisherigen Vorbringen in Widerspruch stehenden neuen Behauptungen sind nicht geeignet, die Bemessung des Beschwerdewertes durch das Berufungsgericht in Frage zu stellen. Denn mit ihnen kann der Beklagte aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr gehört werden.
Zwar kann eine Beschwerde gemäß § 570 ZPO auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden. Das gilt auch für die sofortige Beschwerde nach § 519 b ZPO (vgl. Zöller/Gummer, ZPO 19. Aufl. § 519 b Rdn. 20 m.w.N.). Soweit jedoch die Zulässigkeit einer Berufung von dem Wert des Beschwerdegegenstandes abhängt (§ 511 a ZPO) und das Berufungsgericht diesen zulässigerweise nach freiem Ermessen festgesetzt hat, beschränkt sich die Prüfungskompetenz des Bundesgerichtshofs – wie bereits ausgeführt – darauf, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht hat. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn das Gericht bei seiner Ermessensprüfung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen die Fragepflicht nach § 139 ZPO nicht festgestellt hätte. Zeigt der Beschwerdeführer einen derartigen Verfahrensfehler unter Vortrag neuer Tatsachen auf, dann können in diesem Rahmen – bei der Kontrolle der Ermessensausübung – auch neue Tatsachen Beachtung finden (Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1989 – IV b ZB 90/89 – BGHR ZPO § 3 Beschwerdewert 1).
Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind indessen im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dem Berufungsgericht fällt weder ein Verstoß gegen § 139 ZPO zur Last, noch ist ihm vorzuwerfen, daß es den ihm vorliegenden Prozeßstoff unter Verletzung des § 286 ZPO nicht gewürdigt hätte.
Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten mußte das Berufungsgericht davon ausgehen, daß er die Auskunft aufgrund der ihm nach Abgabe von Einkommens- und Vermögenssteuererklärungen für die Zeit ab 1983 infolge seiner Selbstanzeige gegenüber dem Finanzamt zur Verfügung stehenden Unterlagen erteilen konnte. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 1995 hatte er zu dem gleichzeitig mit dem angefochtenen Teilurteil verkündeten Auflagenbeschluß des Amtsgerichts mitgeteilt, in dem parallel geführten Arrestverfahren sein Endvermögen bereits unter Beifügung sämtlicher Unterlagen im Rahmen des ihm Möglichen dokumentiert zu haben. Anhaltspunkte dafür, daß er als „Spezialist auf dem Gebiet des Wertpapiergeschäfts”, wie er von seinen Prozeßbevollmächtigten bezeichnet worden ist, entgegen seiner eigenen Einschätzung mangels Unterlagen zur Erfüllung des titulierten Auskunftsanspruchs nicht in der Lage sei, bestanden deshalb nicht. Hinzu kommt, daß der Beklagte – entgegen der Annahme der sofortigen Beschwerde – nicht zur Auskunftserteilung unter Beifügung von Belegen verurteilt wurde, sondern lediglich zur Vorlage eines schriftlichen Verzeichnisses über den Bestand seines Endvermögens, das zudem keine Wertangaben, sondern nur die für die Bewertung maßgeblichen Faktoren zu enthalten braucht (vgl. hierzu Senatsurteil vom 19. Oktober 1988 – IV b ZR 27/88 – FamRZ 1989, 157, 158 f). Zu Recht hat das Berufungsgericht deshalb keinen Anlaß gesehen, wegen der Notwendigkeit zusätzlicher Bankbelege und der damit verbundenen Kosten den Wert des Beschwerdegegenstandes heraufzusetzen.
Einen weiteren Anwendungsbereich für die Berücksichtigung neuer Tatsachen eröffnet § 570 ZPO nicht. Er bestünde im übrigen auch dann nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung durch Urteil verworfen hätte und der Bundesgerichtshof demzufolge nicht über eine sofortige Beschwerde nach § 519 b ZPO, sondern über eine Revision nach § 547 ZPO zu entscheiden hätte. Daß eine sofortige Beschwerde weitergehenden Rechtsschutz ermöglichen sollte als eine Revision unter vergleichbaren Verhältnissen, kann indessen nicht angenommen werden (Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1989 a.a.O.).
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Zysk, Gerber, Weber-Monecke
Fundstellen