Gründe

I.

Gegen das ihm am 5. Februar 1997 zugestellte Urteil des Familiengerichts, durch das er zur Zahlung nachehelichen Unterhalt verurteilt wurde, legte der Beklagte am 5. März 1997 Berufung ein. Am 7. April 1997 (Montag) beantragte er, die Frist zur Begründung der Berufung wegen erheblicher Termins- und Arbeitsüberlastung seines Prozeßbevollmächtigten um zwei Wochen zu verlängern. Daraufhin wurde die Frist bis zum 21. April 1997 unter Hinweis darauf verlängert, daß eine weitere Verlängerung nicht ohne Anhörung des Gegners erfolgen könne.

Am 21. April 1997 beantragte der Beklagte, die Frist erneut um drei Wochen zu verlängern, und begründete dies mit einer Erkrankung seines Prozeßbevollmächtigten in der vorausgegangenen Woche sowie mit dessen erheblicher Termins- und Arbeitsbeanspruchung. Die Klägerin trat diesem Antrag unter Hinweis auf die bereits in erster Instanz gestellten Verlängerungsanträge und die dadurch eingetretene Verzögerung entgegen. Das Gericht gab dem Antrag des Beklagten statt und verlängerte die Frist zur Berufungsbegründung durch Verfügung vom 14. Mai 1997 bis zum 12. Mai 1997.

Mit Schriftsatz vom 12. Mai 1997 beantragte der Beklagte, die Frist zur Berufungsbegründung erneut um vier Tage zu verlängern. Zur Begründung trug er vor, wegen der Erkrankung seines Prozeßbevollmächtigten und dessen bereits vorgetragener erheblicher Termins- und Arbeitsbeanspruchung habe die Frage, ob das Berufungsverfahren angesichts eines Verständigungsangebotes der Gegenseite durchgeführt werden solle, bislang nicht abschließend geklärt werden können.

Dieser Schriftsatz ging am 12. Mai 1997 per Fax bei dem Verwaltungsgericht Freiburg und nach Weiterleitung am 13. Mai 1997 bei dem Oberlandesgericht ein.

Am 16. Mai 1997 beantragte der Beklagte, die Frist zur Berufungsbegründung abermals um vier Tage - bis zum 20. Mai 1997 - zu verlängern. Zur Begründung trug er vor, er habe sich beruflich außerhalb Freiburgs befunden, so daß sein Prozeßbevollmächtigter keine Gelegenheit zu einer erforderlichen Rücksprache in einem wichtigen Punkt gehabt habe.

Am 20. Mai 1997 begründete der Beklagte die Berufung.

Der Vorsitzende wies die Verlängerungsanträge vom 12. und 16. Mai 1997 unter Hinweis auf den verspäteten Eingang des Antrages vom 12. Mai 1997 zurück. Diese Verfügung ging dem Beklagten am 6. Juni 1997 zu.

Daraufhin beantragte der Beklagte am 20. Juni 1997, ihm wegen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung trug er unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung der Anwaltsgehilfin D. vor, die Übermittlung des Verlängerungsantrages vom 12. Juni 1997 an das Verwaltungsgericht Freiburg und der dadurch bedingte verspätete Eingang des Antrags bei dem Oberlandesgericht seien auf ein ihm nicht zuzurechnendes Versehen dieser sonst zuverlässigen Bürokraft zurückzuführen. Diese habe die allgemeine Weisung befolgt, vor Löschung der Frist im Fristenkalender anhand des Übermittlungsprotokolls zu überprüfen, ob das Fax den richtigen Adressaten erreicht habe. Dabei habe sie jedoch aufgrund eines typischen Augenblicksversagens nicht erkannt, daß die drei letzten der sieben Ziffern der angewählten Faxnummer nicht mit der Faxnummer des Oberlandesgerichts übereinstimmten.

Das Berufungsgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Berufungsbegründung vom 20. Mai 1997 hat die bis zum 12. Mai 1997 verlängerte Begründungsfrist nicht gewahrt.

Die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist hat das Berufungsgericht dem Beklagten zutreffend versagt. Der Beklagte war nicht ohne ein ihm zurechenbares Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten gehindert, die Frist einzuhalten (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO).

Als sich der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten entschloß, am 12. Mai 1997 eine weitere (dritte) Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen, durfte er zwar davon ausgehen, daß dieser Antrag entsprechend der seiner Anwaltsgehilfin erteilten Weisung fristgerecht beim Berufungsgericht eingehen werde. Er mußte aber dem mit dieser Maßnahme verbundenen Risiko Rechnung tragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bleibt der Rechtsmittelführer nämlich mit dem Risiko belastet, daß der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts die Fristverlängerung in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens ablehnt, was insbesondere für den hier vorliegenden Fall eines dritten Verlängerungsantrages gilt, und zwar auch dann, wenn damit eine Verlängerung um nur vier Tage begehrt wird (vgl. für den Fall eines zweiten Verlängerungsantrages, mit dem eine Verlängerung um einen Tag begehrt wurde, Senatsbeschluß vom 14. Februar 1990 - XII ZB 126/89 - BGHR ZPO § 233 Fristverlängerung 5 m.N.).

Soweit der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde geltend macht, die Versagung einer - rechtzeitig beantragten dritten und vierten Fristverlängerung um jeweils nur vier Tage hätte nicht pflichtgemäßem Ermessen entsprochen, trifft dies nicht zu. Auch bei rechtzeitiger Antragstellung hätte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten sich nicht darauf verlassen dürfen, daß die Frist abermals verlängert werde. Denn es steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, ob er eine weitere Fristverlängerung - selbst um nur vier Tage - gewährt oder nicht. Insoweit ist hier zu berücksichtigen, daß bereits eine zweite Fristverlängerung nur nach Anhörung des Gegners erfolgen darf (§ 225 Abs. 2 ZPO) und die Klägerin schon dem zweiten Verlängerungsantrag unter Hinweis darauf entgegengetreten war, daß der Beklagte bereits im ersten Rechtszug mehrfach, nämlich insgesamt sechsmal, um Verlängerung der Frist zur Erwiderung auf die Klage nachgesucht hatte.

Im übrigen hat der Beklagte mit seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht einmal dargelegt, daß und aus welchen Gründen sich sein Prozeßbevollmächtigter auf einen Erfolg seines dritten (und vierten) Verlängerungsantrages verlassen habe. Soweit er erstmals mit der sofortigen Beschwerde geltend macht, sein Prozeßbevollmächtigter wisse aus Erfahrung, daß erstmaligen Anträgen auf Fristverlängerung von anderen Senaten des Oberlandesgerichts auch dann stattgegeben werde, wenn damit eine Verlängerung um zwei Monate (und damit für mehr als den hier insgesamt begehrten Verlängerungszeitraum) beantragt werde, kann er hiermit schon aus prozessualen Gründen nicht mehr gehört werden. Denn alle Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zu der Versäumung der Frist gekommen ist, müssen grundsätzlich mit dem Wiedereinsetzungsgesuch innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO dargelegt werden. Zwar können bis zur Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch unklare Angaben erläutert und unvollständige ergänzt werden. In diesem Bereich hält sich das nachträgliche Vorbringen des Beklagten jedoch nicht, denn es schiebt - als Reaktion auf die Gründe, aus denen das Berufungsgericht die Wiedereinsetzung versagt hat - neuen Vortrag darüber nach, daß und aus welchen Gründen der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten mit einer erneuten Fristverlängerung gerechnet habe und nach seiner Vorstellung auch habe rechnen können (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Februar 1990 aaO m.N.).

Selbst wenn das nachträgliche Vorbringen des Beklagten aber berücksichtigt werden könnte, würde es eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rechtfertigen. Denn die Erwartung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, daß die Frist abermals verlängert werde, war - auch unter Berücksichtigung seines eigenen Vorbringens - aus Rechtsgründen nicht gerechtfertigt und daher nicht geeignet, sein Verschulden auszuräumen. Abgesehen davon, daß der Fall eines erstmaligen Verlängerungsantrages mit dem eines zweiten oder gar dritten Verlängerungsantrages nicht gleichgesetzt werden kann, wie bereits § 225 Abs. 2 ZPO zeigt, hat der Beklagte selbst nicht behauptet (und glaubhaft gemacht), daß gerade der Vorsitzende des hier zuständigen Familiensenats des Oberlandesgerichts erstmaligen Anträgen auf Verlängerung um zwei Monate oder wiederholten Anträgen auf weitere Verlängerung um wenige Tage üblicherweise stattgebe.

Zudem hätte der Beklagte - ungeachtet des Umstandes, daß ihm der Schriftsatz der Gegenseite, mit dem diese einer zweiten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist widersprach, nicht vor dem 14. Mai 1997 zuging - mit einer solchen Stellungnahme und ihrer Berücksichtigung durch das Gericht rechnen müssen, zumal die Klägerin auch schon im ersten Rechtszug dem zweiten von insgesamt sechs Anträgen auf Verlängerung der Frist zur Klageerwiderung mit dem Argument entgegengetreten war, dieser diene lediglich der Prozeßverzögerung.

Da die Gewährung einer dritten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hiernach auch im Falle rechtzeitiger Antragstellung ungewiß gewesen wäre, hätte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten in dessen Interesse den sichersten Weg zur Einhaltung der Frist wählen müssen. So hätte er die Berufung bereits am 12. Mai 1997 begründen müssen, auch wenn bis zu diesem Zeitpunkt die Frage, ob die Berufung überhaupt durchgeführt werden solle, mit dem Beklagten nicht abschließend geklärt werden konnte. Daß die Fertigung der Berufungsbegründung aufgrund nicht vorhersehbarer Umstände an diesem Tage nicht möglich gewesen sei, hat der Beklagte weder dargetan noch glaubhaft gemacht.

Von der Begründung der Berufung spätestens am 12. Mai 1997 hätte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten unter diesen Umständen nur absehen dürfen, wenn er vorsorglich das Einverständnis des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit der beantragten weiteren Fristverlängerung eingeholt und sich rechtzeitig - notfalls telefonisch - bei dem Vorsitzenden des Senats vergewissert hätte, daß dieser die Fristverlängerung gewähren werde (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Februar 1990 aaO m.N.).

Unter den tatsächlich gegebenen Umständen gereicht es dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten jedenfalls zum Verschulden, sich ohne Rückfrage bei Gericht auf die Gewährung einer dritten Fristverlängerung verlassen zu haben und damit das Risiko eingegangen zu sein, daß die Berufungsfrist nicht mehr gewahrt wurde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993506

VersR 1998, 737

Dieser Inhalt ist unter anderem im Erbschaftsteuergesetz-Kommentar enthalten. Sie wollen mehr?