Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde im höferechtlichen Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Auch eine nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG statthafte Rechtsbeschwerde muß die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllen, insbesondere ordnungsgemäß begründet sein (§ 26 Abs. 2 LwVG), d. h. sich mit der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzen.
Hat das Landwirtschaftsgericht die Hofeigenschaft verneint, ist nur der zum Hoferben Berufene beschwerdeberechtigt.
Ob die Hofeigenschaft ohne Löschung des Hofvermerks weggefallen ist, weil keine landwirtschaftliche Besitzung mehr besteht, hat in erster Linie der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Falles zu beurteilen.
Normenkette
LwVG § 24 Abs. 2 Nr. 2; HöfeVfO § 11 Abs. 1 Buchst. a; HöfeO § 18; LwVG § 9; FGG § 20 Abs. 1; HöfeO § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Aktenzeichen 10 W 31/98) |
AG Vechta (Aktenzeichen 2 Lw 92/98) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des 10. Zivilsenats – Senat für Landwirtschaftssachen – des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3 gegen diesen Beschluß wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten zu 2 und 3 tragen die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und haben den Beteiligten zu 1, 4 und 5 die eventuell notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu ersetzen.
Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 141.150 DM.
Gründe
I.
Die am 26. Juli 1995 verstorbene Landwirtin M. E. H. (Erblasserin) hatte zusammen mit ihrem vorverstorbenen Ehemann fünf Kinder nämlich: die am 20. Dezember 1934 geborene Ma. I. E. (Beteiligte zu 1), den am 2. Juni 1928 geborenen F. He. (Beteiligter zu 2), den am 14. Mai 1950 geborenen R. G. (Beteiligter zu 3) und den am 9. März 1993 vorverstorbenen G. Hu., der seinerseits zwei Kinder hinterließ, nämlich die Beteiligten zu 4 und 5 und den im Jahre 1993 verstorbenen Gü. .
Die Erblasserin war Eigentümerin eines Grundbesitzes zur Größe von 40.7944 ha in B. für den im Grundbuch ein Hofvermerk eingetragen ist. Seit mehr als 60 Jahren ist die Besitzung als Stückland in kurzfristigen Pachtverträgen verpachtet (jährliche Pacht 45.000 DM). Seit eben dieser Zeitspanne ist weder lebendes noch totes Inventar vorhanden, das Anwesen hat keine Milchquote. In einem Verfahren, in dem die Erblasserin beantragt hatte, ihre Alleinerbschaft hinsichtlich dieser Besitzung nach ihrem Ehemann festzustellen, hat die Landwirtschaftskammer im Dezember 1977 eine Stellungnahme abgegeben und darin ausgeführt: „Das Wohn- und Wirtschaftsgebäude des Betriebes, ein altes Niedersachsenhaus mit massivem Mauerwerk, ist den sich weiter entwickelnden Ansprüchen und Erfordernissen nicht angepaßt worden und somit stark entwertet. Wenn nicht bald das Dach repariert wird, ist das große geräumige Gebäude eine Ruine. Das Gehöft umfaßt keine anderweitigen Gebäude von Wert, ausgenommen die beiden Heuerhäuser.” Beide Heuerhäuser sind neu gedeckt, eines davon ist bewohnt, das andere befindet sich in schlechtem Bauzustand und müßte grundlegend renoviert werden.
Die Erblasserin hinterließ drei letztwillige Verfügungen. In einem handschriftlichen Testament vom 23. November 1982 bestimmte sie:
„Falls mein Sohn G. eine Frau, die aus einer nicht katholischen Familie stammt, heiratet, so soll er den Hof in Br. nicht erben. Er bekommt dann B. das Erbhaus mit Hofraum und dem angrenzenden Esch (früher Ideler). Den Hof in Br. soll Hu. in dem Fall erhalten, mit Ausnahme einiger Grundstücke: Heuerhaus, früher Zumbrägel, soll mein Enkel Fr. -Ge. v. Gr. mit 1 ha Land erhalten. Das Grundstück beim Heuerhaus soll so gelegt werden, daß es den angrenzenden Acker nicht unnötig stört. Meine Kinder Ma. und F. bekommen in B. die beiden Heuerhäuser, und zwar Ma. das Haus, früher bewohnt von K. und F. das Haus, früher bewohnt von D.. Dazu die von K. und D. bewirtschafteten Ländereien etwa, die Weide auf dem Di. sollen die beiden sich teilen. Das Grundstück auf dem Landwehr soll Gü. von Gr. erhalten. Die Einnahmen (evtl. durch Verkauf) sollen nur für die schulische Ausbildung Gü. verwendet werden, nicht für Heimunterbringung. F. und M. sollen die Grundstücke in B. nicht verkaufen oder belasten können und nur ihren Kindern vererben.”
In einem weiteren handschriftlichen Testament vom 6. August 1983 heißt es:
„Meine Tochter Ma. v. Gr. geb. H. soll von meinem Nachlaß die Hälfte des gesetzlichen Erbteils bekommen, also ein Pflichtteil. Die andere Hälfte bekommen ihre vier Kinder E., Fr. -Ge., B. und Gü.. Wenn irgendwelche Zweifel auftreten, soll der Hoferbe in Br. in Beratung durch die Landwirtschaftliche Kammer in V. z.Z. Dr. K. tätig sein. Für möglichst gute Ausbildung des Gü. sollen die Einkünfte des Erbteils (wahrscheinlich ca. 12 bis 13 ha des Betriebes in B.) verwendet werden. Gemeint ist Gü. Anteil, nicht 12 bis 13 ha nur für Gü. .”
Schließlich bestimmte die Erblasserin am 1. August 1988 handschriftlich:
„Mein jüngster Sohn, Ge., soll den Hof in Br. bekommen. Die Einschränkungen wegen der Religion seiner Frau sollen fortfallen. Mein Sohn, Hu., bekommt den Hof in B. .”
Hinsichtlich des weiteren Grundbesitzes der Erblasserin in Br. ist rechtskräftig festgestellt, daß es sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelte und insoweit der Beteiligte zu 3 Hoferbe geworden ist.
Die Beteiligte zu 1 hat beantragt festzustellen, daß die Besitzung in B. beim Erbfall kein Hof gewesen ist. Das Landwirtschaftsgericht hat dem Antrag stattgegeben, die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 2 und 3.
II.
1. Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft. Es kommt insoweit nicht auf deren uneingeschränkte Zulassung an (§ 24 Abs. 1 LwVG), denn das Berufungsgericht hat die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3 als unzulässig zurückgewiesen. Es handelt sich mithin schon um einen Fall, in dem die Rechtsbeschwerde auch ohne Zulassung stattfindet (§ 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG). Neben dieser Voraussetzung müssen aber auch die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen (vgl. Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 26/92, BGHR LwVG § 24 Abs. 1 Zulassung 2 m.w.N.; Barnstedt/Steffen, LwVG 5. Aufl. § 24 Rdn. 51). Daran fehlt es. Der Beteiligte zu 3 hat seine Rechtsbeschwerde nicht ordnungsgemäß begründet (§ 26 Abs. 2, § 27 LwVG). Das Beschwerdegericht verneint seine Beschwerdeberechtigung, weil er weder kraft letztwilliger Verfügung noch von Gesetzes wegen als Hoferbe in Betracht komme. Da das Landwirtschaftsgericht die Hofeigenschaft verneint habe, sei aber nur der nächstberufene hoferbenberechtigte Abkömmling beschwerdeberechtigt. Dazu nimmt die Rechtsbeschwerdebegründung mit keinem Wort Stellung. Sie befaßt sich vielmehr mit anderen Fragen und hinterläßt den Eindruck, als verwechsle der Beschwerdeführer die Verfahren, weil er mehrfach auf eine „angegriffene Entscheidung” des Oberlandesgerichts vom 19. Dezember 1996 verweist und sich damit auseinandersetzt. Im vorliegenden Fall geht es aber im Hoffeststellungsverfahren für die Besitzung in B. (§ 11 Abs. 1 Buchst. a HöfeVfO) um den Beschluß des Landwirtschaftsgerichts vom 28. August 1998 und die entsprechende Beschwerdeentscheidung des OLG vom 17. Dezember 1998 (Az.: 10 W 31/98), gegen den allein der Beteiligte zu 3 auch Rechtsbeschwerde eingelegt hat. Dann aber wäre er gehalten gewesen, im einzelnen darzulegen, weshalb er die Beschwerdeentscheidung für rechtsfehlerhaft hält (vgl. auch Senatsbeschl. v. 21. April 1994, BLw 14/95, BGHR LwVG § 26 Abs. 2 Begründung 1; Barnstedt/Steffen, LwVG 5. Aufl. § 26 Rdn. 19). Daran fehlt es.
Im übrigen ist die Auffassung des Beschwerdegerichts zur mangelnden Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 3 auch zutreffend. Da das Landwirtschaftsgericht die Hofeigenschaft im Zeitpunkt des Erbfalls verneint hat, ist nur der nächstberufene hoferbenberechtigte Abkömmling beschwerdeberechtigt (vgl. Senatsbeschl. v. 19. Dezember 1967, V BLw 21/67, DNotZ 1968, 560). Die genannte Entscheidung ist zwar noch zu § 37 Abs. 1 Buchst. a LVO ergangen, ist aber ohne weiteres auf die entsprechende Rechtslage nach § 11 Abs. 1 Buchst. a HöfeVfO übertragbar, was auch der in der Literatur einhellig vertretenen Auffassung entspricht (vgl. Barnstedt/Steffen aaO § 22 Rdn. 127; Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht 6. Aufl. § 18 HöfeO Rdn. 81; Lange/Wulf/Lüdke-Handjery, HöfeO 9. Aufl. § 18 Rdn. 60). Der Beteiligte zu 3 ist testamentarisch nicht zum Hoferben der Besitzung in B. bestimmt (§ 7 Abs. 1 HöfeO). Er kommt als jüngster Sohn der Erblasserin auch nicht kraft Gesetzes als nächstberufener Hoferbe dieser Besitzung in Betracht (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 HöfeO). Er ist als Hoferbe für den Hof in Br. bestimmt. Wäre die Besitzung der Erblasserin in B. ein weiterer selbständiger Hof, dann käme es mithin auch nicht zu einem Wahlverfahren nach § 9 Abs. 1 HöfeO. Nicht (mehr) Gegenstand dieses Verfahrens ist die Frage, ob die Besitzung in B.
Bestandteil des Hofes in Br. ist.
2. Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2
Die zulässige Rechtsbeschwerde (§ 24 Abs. 1 LwVG) ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Besitzung in B. ihre Hofeigenschaft im Zeitpunkt des Erbfalls verloren hatte, weil eine wirtschaftliche Betriebseinheit nicht mehr vorhanden gewesen sei. Es folgert dies aus einer Gesamtwürdigung aller in Betracht kommenden Tatsachen, nämlich der seit einem Zeitraum von mehr als 60 Jahren bestehenden Stücklandverpachtung der Grundstücke, dem augenfällig schlechten baulichen Zustand der Hofstelle und dem Fehlen jeglichen lebenden und toten Inventars.
Der rechtliche Ansatzpunkt des Berufungsgerichts entspricht der Rechtsprechung des Senats. Danach kann unabhängig von der Löschung des Hofvermerks die Hofeigenschaft entfallen, wenn keine landwirtschaftliche Besitzung mehr vorhanden ist. Dieser Begriff setzt mehr als den Besitz einzelner landwirtschaftlicher Grundstücke voraus, er erfordert eine wirtschaftliche Betriebseinheit, zu der außerdem in der Regel eine Hofstelle kommen muß. Ob die Betriebseinheit beim Tode des Erblassers bereits aufgelöst war, ist weitgehend eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Beschwerdegericht sachlich-rechtlich den richtigen Ansatzpunkt gewählt und die nötigen Tatsachen verfahrensfehlerfrei festgestellt hat (vgl. Senatsbeschl. v. 28. April 1995, BLw 73/94, BGHR HöfeO § 1 Abs. 3, landwirtschaftliche Besitzung; BGHZ 84, 78, 83 ff).
Die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdegerichts halten einer Rechtskontrolle stand. Es geht entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde gerade nicht um die isolierte Betrachtung eines schlechten baulichen Zustands der Hofstelle oder allein um das Fehlen jeglichen toten oder lebenden Inventars, sondern um die vom Beschwerdegericht vorgenommene Gesamtwürdigung. In diesem Rahmen ist nicht zu beanstanden, daß das Beschwerdegericht sowohl den schlechten baulichen Zustand der Hofstelle, das völlige Fehlen jeglichen Inventars und die über Jahrzehnte dauernde Stücklandverpachtung der Grundstücke (vgl. dazu schon BGHZ 84, 78, 84) als wesentliche Indizien für das Fehlen einer landwirtschaftlichen Betriebseinheit gewertet hat (vgl. auch Senatsbeschl. v. 28. April 1995 aaO).
Die Rechtsbeschwerde bezeichnet die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Bauzustand der Hofstelle zwar als rechtsfehlerhaft, erhebt insoweit aber keine erheblichen Verfahrensrügen (§ 27 Abs. 2 i.V.m. § 561 ZPO; vgl. auch Senatsbeschl. v. 22. Februar 1994, BLw 66/93, NJW 1994, 3167, 3168 und v. 28. April 1995 aaO). Es ist auch nicht entscheidend, ob die Funktionsfähigkeit der Hofstelle im Dezember 1977 noch vorhanden war. Es geht vielmehr darum, ob dies beim Tode der Erblasserin noch der Fall war. Das Beschwerdegericht stellt ausdrücklich fest, seit der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 16. Dezember 1977 seien keine Verbesserungen vorgenommen worden. Soweit die Rechtsbeschwerde behauptet, zwischenzeitlich seien an der zur Hofstelle gehörenden Wirtschaftsgebäuden Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt worden, setzt sie nur in unzulässiger Weise ihre eigene Feststellung gegen die des Berufungsgerichts, ohne eine durchgreifende Verfahrensrüge zu erheben.
Nicht entscheidend ist schließlich, daß eine Bewirtschaftung auch mit gemietetem oder geliehenem Inventar vorgenommen werden kann. Das Beschwerdegericht hat jedenfalls auch aus der Tatsache, daß jegliches totes und lebendes Inventar fehlte, rechtsfehlerfrei den Schluß gezogen, daß eine Betriebseinheit nicht mehr vorhanden war.
Das Beschwerdegericht hat berücksichtigt, daß die zur Besitzung B. gehörenden Flächen nicht insgesamt, sondern als Stückländereien verpachtet worden sind. Dabei hat es nicht übersehen, daß die Verpachtung jeweils nur kurzfristig erfolgte, hält aber für entscheidend, daß diese Art der Verpachtung bereits über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren geschieht, und sieht die kurzfristige Verpachtung im Zusammenhang mit dem aus den Verfügungen der Erblasserin erkennbaren Willen, die Besitzung B. ohnehin aufzuteilen. Auch dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Rechtsbeschwerde hält es für unverständlich, daß die Hofeigenschaft in Br. bejaht, dagegen für B. verneint worden sei, obwohl die „tatsächlichen Verhältnisse” vergleichbar seien, was sie mit einer tabellarischen Übersicht darzulegen versucht. Auch das stellt keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge im Sinne von § 27 Abs. 2 LwVG, §§ 561, 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO dar (vgl. Senatsbeschl. v. 22. Februar 1994, BLw 66/93, NJW 1994, 3167, 3168). Darüber hinaus ist allein entscheidend, ob die Hofeigenschaft für die Besitzung B. rechtsfehlerfrei verneint wurde, nicht aber ob eine andere, nicht verfahrensgegenständliche Besitzung, Hofeigenschaft hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 44, 45 LwVG.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Krüger
Fundstellen
Haufe-Index 539719 |
BGHR |
FamRZ 2000, 422 |
NJW-RR 2000, 292 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 588 |
ZAP-Ost 1999, 745 |
AgrarR 2000, 227 |
AgrarR 2000, 299 |
RdL 2000, 49 |
ZErb 2000, 92 |