Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Ersatzzustellung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 181 Abs. 2 ZPO kann eine Ersatzzustellung nur an den in demselben Haus wohnenden Hauswirt oder Vermieter erfolgen, nicht jedoch an Familienangehörige, die zwar in demselben Haus, aber nicht in der Wohnung des Zustellungsadressaten wohnen.
2. Voraussetzung der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten, die zur Entgegennahme einer von Amts wegen vorzunehmenden Zustellung berechtigt, ist, dass dem Gericht Mitteilung von einem Vertretungsverhältnis gemacht wird.
3. Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde, dass bei der Zustellung eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung in den Hausbriefkasten eingelegt wurde, wird durch bloßes Bestreiten der schriftlichen Mitteilung nicht erschüttert. Dies gilt auch dann, wenn der Zustellungsadressat eidesstattlich versichert, den Benachrichtigungsschein „nicht bemerkt” zu haben.
Normenkette
ZPO §§ 176, 181 Abs. 2, §§ 182, 418 Abs. 2
Tenor
Die weitere sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 23. November 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 8.500.000 DM.
Gründe
I. Nach schriftlichem Vorverfahren erging gegen den Beklagten am 1. Juli 1998 Versäumnisurteil. Dieses wurde laut Postzustellungsurkunde am 8. Juli 1998 zugestellt durch Niederlegung beim Postamt unter schriftlicher Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers, die in den Hausbriefkasten eingelegt wurde.
Mit am 11. und 12. August 1998 beim Landgericht eingegangenen Schriftsätzen hat der Beklagte Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt.
Zur Begründung hat er vorgetragen und an Eides Statt versichert:
Vom Rechtsstreit und insbesondere von dem Versäumnisurteil habe er erstmals am 8. August 1998 durch ein Schreiben der gegnerischen Prozeßbevollmächtigten Kenntnis erhalten. Weil er jeweils urlaubsbedingt abwesend gewesen sei, habe er weder die Mitteilung über die Zustellung der Klageschrift, noch über die des eine Klageänderung enthaltenden gegnerischen Schriftsatzes vom 29. Mai 1998 und auch nicht diejenige bezüglich des Versäumnisurteils vom 1. Juli 1998 erhalten. Während der jeweiligen Abwesenheit, zuletzt in der Zeit vom 2. bis 15. Juli 1998, habe sein Schwiegervater den Briefkasten geleert. Eine Benachrichtigung über eine vorgenommene Niederlegung habe der in einer Einliegerwohnung in seinem, des Beklagten, Haus lebende Schwiegervater nicht vorgefunden.
Den Streit mit der Klägerin habe er vorgerichtlich den Rechtsanwälten A. und W. übergeben, die die Interessenvertretung den Rechtsanwälten der Klägerin angezeigt hätten.
Das Landgericht hat durch Beschluß vom 13. Oktober 1998 den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen, das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diesen am 28. Dezember 1998 zugestellten Beschluß richtet sich die am 16. Dezember 1998 eingegangene weitere sofortige Beschwerde.
II. Dem nach §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 568 a, 546 Abs. 1 ZPO zulässigen Rechtsmittel bleibt der Erfolg versagt.
Im Ergebnis hat das Oberlandesgericht zu Recht die sofortige Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts schuldhaft versäumt.
1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß durch die Zustellung des Versäumnisurteils am 8. Juli 1998 die zweiwöchige Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO in Gang gesetzt wurde. Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte gegen die Wirksamkeit der nach § 182 ZPO erfolgten Ersatzzustellung durch Niederlegung.
a) Zwar trifft es zu, daß eine Zustellung nach § 182 ZPO erst zulässig ist, wenn eine Zustellung nach § 181 ZPO nicht bewirkt werden kann. Zu Unrecht meint der Beklagte indes, im Streitfall hätte deshalb dem in der Einliegerwohnung seines Hauses lebenden Schwiegervater nach § 181 ZPO zugestellt werden müssen. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift kann eine Ersatzzustellung nur an den im selben Haus wohnenden Hauswirt oder Vermieter erfolgen, nicht jedoch an einen Familienangehörigen des Zustellungsadressaten, der zwar im selben Haus, nicht jedoch in der Wohnung des Zustellungsadressaten wohnt (OLG Rostock FamRZ 1997, 90; Musielak/Wolst, ZPO, § 181 Rdnr. 5). Da der Schwiegervater des Beklagten eine eigene Wohnung innehat, konnte auch nicht ersatzweise gemäß § 181 Abs. 1 ZPO an ihn zugestellt werden; ein Hausgenosse im Sinne der Vorschrift ist eine Person, die in derselben Wohnung mit dem Zustellungsadressaten lebt.
b) Vergeblich macht der Beklagte geltend, gemäß § 176 ZPO hätte das Versäumnisurteil den von ihm beauftragten Rechtsanwälten A. und W. -zugestellt werden müssen. Auch wenn diese Rechtsanwälte vom Beklagten mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt waren, so waren sie doch nicht die „für den Rechtszug bestellten Prozeßbevollmächtigten” im Sinne des § 176 ZPO. Die Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten geschieht in der Weise, daß die vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gericht oder im Falle einer Parteizustellung dem Gegner Kenntnis von dem Vertretungsverhältnis gibt. Daran fehlt es hier. Zwar kann auch durch eine Anzeige des Prozeßgegners ein Bevollmächtigter „bestellt” werden, wenn die vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gegner von dem Bestehen einer Prozeßvollmacht Kenntnis gegeben hat (BayVerfGH NJW 1994, 2280 unter IV). In jedem Fall ist aber Voraussetzung einer Bestellung, die zur Entgegennahme einer von Amts wegen vorzunehmenden Zustellung berechtigt, daß dem Gericht Mitteilung von einem Vertretungsverhältnis gemacht wurde. Das ist hier unstreitig nicht geschehen. Dem Landgericht, das von Amts wegen das Versäumnisurteil vom 8. Juli 1998 zuzustellen hatte, war daher von einer den Rechtsanwälten A. und W. -erteilten Prozeßvollmacht nichts bekannt. Deshalb kann dahinstehen, ob den nunmehr vom Beklagten in Abschrift vorgelegten Schreiben des Rechtsanwalts W. vom 24. und 29. Oktober 1997 an die Rechtsanwälte F. -und Partner entnommen werden kann, der Beklagte habe die Rechtsanwälte A. und W. nicht nur mit der vorprozessualen Wahrnehmung seiner Interessen, sondern auch mit der Prozeßführung beauftragt.
c) Zu Recht hat es das Oberlandesgericht aufgrund der Postzustellungsurkunde nach §§ 191 Nr. 4, 195 Abs. 2 Satz 3, 418 Abs. 1 ZPO als bewiesen angesehen, daß bei der Zustellung des Versäumnisurteils am 8. Juli 1998 gemäß § 182 ZPO eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung in den Hausbriefkasten eingelegt wurde. Zwar ist nach § 418 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis der durch die Urkunde bezeugten Tatsache (hier: Einwurf der schriftlichen Mitteilung über die Niederlegung in den Hausbriefkasten) zulässig. Der Gegenbeweis ist aber nur geführt, wenn jede Möglichkeit der Richtigkeit der Urkunde zweifelsfrei ausgeschlossen ist. Allein durch das bloße Bestreiten des Empfangs der schriftlichen Mitteilung wird die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde nicht erschüttert (Senatsbeschluß vom 19. Oktober 1983 - VIII ZB 30/83, VersR 1984, 81 unter 2 a). Das gilt auch dann, wenn – wie hier von dem Schwiegervater des Beklagten – eidesstattlich versichert wird, einen Benachrichtigungsschein „nicht bemerkt” zu haben.
Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zum Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 1994 - IV ZB 6/94, VersR 1995, 73. Im dortigen Fall hat es das Gericht für möglich gehalten – letztlich aber unentschieden gelassen –, daß eine Benachrichtigung entgegen dem Wortlaut der Zustellungsurkunde unterblieben ist, weil der Zustellungsempfänger an Eides Statt versichert hatte, er selbst und seine Ehefrau hätten trotz regelmäßiger Kontrolle des Eingangsbereichs hinter dem Türeinwurfschlitz eine Mitteilung nicht erhalten. Hier haben der Beklagte und seine Ehefrau aber lediglich an Eides Statt versichert, daß sie in der Post, die der Schwiegervater des Beklagten nach Leerung des Briefkastens auf den Eßzimmertisch gelegt hatte, einen Benachrichtigungszettel nicht vorgefunden haben. Insoweit ist der dortige nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar.
Die am 8. Juli 1998 begonnene Zweiwochenfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO war somit verstrichen, als der Einspruch des Beklagten am 11. August 1998 beim Gericht einging.
2. Der Beklagte hat die Frist nicht ohne eigenes Verschulden versäumt.
a) Zwar indiziert allein die Unkennntnis des Empfängers von der Zustellung noch nicht dessen mangelnde Sorgfalt bei der Postannahme (BGH, Beschluß vom 15. Juni 1994 aaO). Ob der Beklagte gehalten war, für die Zeit seiner Abwesenheit vom 2. bis 15. Juli 1998 besondere Vorkehrungen dafür zu treffen, daß ihn Zustellungen sicher und rechtzeitig erreichen können, kann dahingestellt bleiben. Da der Beklagte bereits am 15. Juli 1998 aus dem Urlaub zurückkehrte, die Einspruchsfrist indes erst am 22. Juli 1998 ablief, war die Urlaubsabwesenheit jedenfalls nicht ursächlich für die Versäumnis der Frist.
b) Dem Beklagten gereicht es jedoch zum Vorwurf, daß er seinen Schwiegervater mit der Postannahme während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit beauftragte. Wie der Beklagte selbst vorträgt, kann nicht ausgeschlossen werden, daß der 92-jährige Schwiegervater den Benachrichtigungsschein in Verkennung von dessen Bedeutung „… kurzer Hand als bedeutungslos weggeworfen hat …”.
Damit muß der Beklagte nicht für schuldhaftes Verhalten seines Schwiegervaters einstehen. Dies verstieße gegen § 85 Abs. 2 ZPO, wonach allein das Handeln von Bevollmächtigten zugerechnet werden kann. Eine Bevollmächtigung stellt die Bitte um Leerung des Briefkastens nicht dar. Dem Beklagten fällt vielmehr eigenes Verschulden bei der Auswahl seiner „Hilfspersonen” zur Last, weil durch den Einsatz seines hochbetagten Schwiegervaters nicht gewährleistet war, daß er bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub die während seiner Abwesenheit eingegangene Post vollständig vorfinden würde.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Ball, Dr. Wolst
Fundstellen
Haufe-Index 539152 |
DStZ 2000, 312 |
NJW 2000, 1957 |
NJW-RR 2000, 444 |
SGb 2000, 320 |
VersR 2000, 1392 |
LL 2000, 387 |