Entscheidungsstichwort (Thema)
Familiensache
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Anwendung der Härteklausel des § 1587c Nr. 1 BGB bei unterschiedlicher Besteuerung von bereits bezogener gesetzlicher Rente und Beamtenpension.
Normenkette
BGB § 1587c Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. Oktober 1990 wird auf Kosten des Antragstellers mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beschluß des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 15. Juni 1990 wie folgt ergänzt wird: „Die zu begründenden Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.”
Beschwerdewert: 3.018 DM.
Gründe
I.
Die Parteien haben am 15. September 1958 geheiratet. Auf den am 29. März 1983 zugestellten Scheidungsantrag ist ihre Ehe, aus der vier Kinder hervorgegangen sind, durch das seit 25. September 1984 rechtskräftige Verbundurteil geschieden worden. Während der Ehezeit haben beide Parteien Versorgungsanrechte erworben. Das Amtsgericht hat auf seiten des Ehemannes ehezeitliche gesetzliche Rentenanwartschaften von monatlich 2,70 DM und Anwartschaften auf eine fiktive, auf die Altersgrenze von 65 Jahren hochgerechnete Beamtenversorgung in Höhe von 2.086,50 DM, auf seiten der Ehefrau gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 179,40 DM ermittelt. In Höhe der hälftigen Differenz der beiderseits erworbenen Anrechte, nämlich monatlich 954,90 DM, hat es für die Ehefrau zu Lasten der Beamtenversorgung des Ehemannes gemäß § 1587b Abs. 2 BGB gesetzliche Rentenanwartschaften begründet. Das Gericht hat es abgelehnt, den Versorgungsausgleich nach § 1587c Nr. 2 BGB deswegen herabzusetzen, weil die Ehefrau zeitweilig nicht sozialversicherungspflichtig tätig war.
Der Ehemann ist nach Ehezeitende mit Ablauf des 30. April 1984 in den vorzeitigen Ruhestand getreten und bezieht ein Ruhegehalt. Die Ehefrau erhält seit dem 1. Dezember 1987 nach Vollendung des 55. Lebensjahres eine Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Am 12. September 1989 hat der Antragsteller beim Amtsgericht einen Antrag auf Abänderung der Versorgungsausgleichsentscheidung eingereicht, mit dem er eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen anzurechnender Kindererziehungszeiten der Ehefrau, ferner wegen einer vermuteten öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgung und wegen der unterschiedlichen Besteuerung ihrer gesetzlichen Rente und seiner Beamtenpension anstrebt. Das Amtsgericht hat neue Versorgungsauskünfte eingeholt und festgestellt, daß der Antragsteller unverändert 2,70 DM monatlich ehezeitlich erworbene gesetzliche Rentenanwartschaften hat, sich jedoch sein Ehezeitanteil aus der Beamtenversorgung wegen der vorzeitigen Pensionierung und der sich daraus ergebenden kürzeren Gesamtzeit auf monatlich 2.905,13 DM erhöht hat. Bei der Antragsgegnerin hat es die um die Kindererziehungszeiten erhöhte gesetzliche Rentenanwartschaft von monatlich 269,50 DM zugrunde gelegt. Eine öffentlich-rechtliche Zusatzversorgung bestehe mangels Erfüllung der Unverfallbarkeitsfrist für die Antragsgegnerin nicht. Auf der Grundlage dieser Auskünfte hat es den Versorgungsausgleich zugunsten der Antragsgegnerin dahin abgeändert, daß es in Höhe der hälftigen Differenz der beiderseitigen Anrechte ((2.907,83 DM – 269,50 DM) : 2 = 1.319,17 DM), jedoch begrenzt durch den zulässigen Höchstbetrag, 1.206,40 DM monatliche gesetzliche Rentenanwartschaften zu Lasten der Beamtenversorgung des Antragstellers begründet hat. In Höhe des Restes (112,77 DM) hat es den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt er sein Begehren auf Herabsetzung des Versorgungsausgleichs weiter.
II.
Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das Amtsgericht – und ihm folgend das Oberlandesgericht – haben die Erhöhung des Ehezeitanteils der Beamtenversorgung infolge der vorzeitigen Pensionierung des Antragstellers als einen Abänderungsfall im Sinne des § 10a VAHRG angesehen und in die Neuberechnung des Versorgungsausgleichs diesen nunmehr höheren Ehezeitanteil einbezogen. Das steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats. Danach ist der Berechnung des Versorgungsausgleichs die tatsächlich gewährte Versorgung zugrunde zu legen und der Ehezeitanteil nach dem Verhältnis der in der Ehezeit zurückgelegten Dienstzeit zu der insgesamt bis zur vorzeitigen Pensionierung währenden Gesamtzeit zu ermitteln (BGHZ 82, 66 ff; Senatsbeschlüsse vom 9. November 1988 – IVb ZB 53/87 – FamRZ 1989, 492, 493; vom 18. Januar 1989 – IVb ZB 82/87 – FamRZ 1989, 727, 728; vom 9. Mai 1990 – IVb ZB 58/89 – FamRZ 1990, 1341; und vom 18. September 1991 – XII ZB 169/90 – FamRZ 1991, 1415, 1416). Diese Berechnungsweise entspricht der Grundkonzeption des § 1587 Abs. 1 BGB, wonach der Versorgungsausgleich eine wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bereits gewährte Versorgung mit ihrem wirklichen, innerhalb der tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit erworbenen Wert erfaßt. Demgegenüber ist eine Berechnung nach fiktiven Werten nach Möglichkeit zu vermeiden, da sie notwendig mit den Unsicherheiten der künftigen Entwicklung behaftet ist oder – wenn wie hier nach Ehezeitende bereits ein anderer Verlauf eingetreten ist – mit unrichtigen Größen operieren muß, so daß der Ausgleich zu verfassungsrechtlich bedenklichen Abweichungen vom Halbteilungsgrundsatz führen kann (Senatsbeschluß vom 18. September 1991 aaO S. 1416). Nach Einführung der Abänderungsmöglichkeit des § 10a VAHRG ist daher auch dem Umstand einer erst nach Ehezeitende eintretenden Dienstunfähigkeit, die zu einem veränderten Ehezeitanteil der Beamtenversorgung führt, im Wege der Abänderung gemäß § 10a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG Rechnung zu tragen (Senatsbeschlüsse vom 9. November 1988 aaO S. 494 und vom 18. September 1991 aaO S. 1416). Die Auffassung der weiteren Beschwerde, daß sich hieraus lediglich eine formale Änderung des Wertunterschiedes ergebe, die eine Abänderung nicht rechtfertige, steht mit den obigen Grundsätzen nicht in Einklang. Zu einer Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung sieht der Senat daher keinen Anlaß.
2. Das Amtsgericht und ihm folgend das Oberlandesgericht haben es abgelehnt, den Versorgungsausgleich wegen der unterschiedlichen Besteuerung von gesetzlicher Rente und Beamtenversorgung aus Billigkeitsgründen gemäß § 1587c herabzusetzen und dazu – unter Berufung auf den Senatsbeschluß vom 15. März 1989 (IVb ZB 183/87 – BGHR BGB § 1587c Abänderungsverfahren 1 = FamRZ 1989, 725) – ausgeführt, ein Übergang von einer Brutto- auf eine Nettoberechnung in Anwendung des § 1587c BGB sei im Abänderungsverfahren ausgeschlossen. Schon im Ausgangsverfahren habe das Familiengericht eine Kürzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c Nr. 2 BGB verneint. § 10a Abs. 3 VAHRG, der eine eigenständige Billigkeitsklausel enthalte, die ein Wiederaufleben der früheren Auseinandersetzung der Ehegatten um die Anwendung des § 1587c BGB ausschließe, stehe einer Abänderung zu Lasten des Antragstellers auch nicht entgegen. Denn die nachehezeitlich erworbenen Versorgungsanwartschaften der Parteien stünden nicht in einem die grobe Unbilligkeit begründenden Verhältnis, nachdem beide Parteien etwa zehn Jahre vor Erreichen der Altersgrenze in den vorzeitigen Ruhestand getreten sind.
Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand.
a) Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten werden nach geltendem Recht steuerlich ungleich behandelt. Während die Beamtenpension als Einkommen voll zu versteuern ist, unterliegt die Rente nur mit ihrem (geringeren) Ertragsanteil der Einkommensteuer. Das führt im Versorgungsausgleich dazu, daß der ausgleichsberechtigte Ehegatte aus den ihm im Quasisplitting übertragenen, nach Bruttobeträgen errechneten Rentenanwartschaften im Ergebnis künftig mehr bekommt als der ausgleichspflichtige Ehegatte als künftige Nettopension zurückbehält. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, kann dieser steuerlich begründeten Ungleichbehandlung in aller Regel nicht bereits im Rahmen des Versorgungsausgleichs – und zwar auch nicht durch Anwendung des § 1587c BGB – Rechnung getragen werden, weil in der Mehrzahl der zu entscheidenden Fälle der Versorgungsfall noch nicht bei beiden Ehegatten eingetreten ist und sich daher die konkreten steuerlichen Auswirkungen bei beiden Ehegatten nicht sicher voraussehen und beurteilen lassen. Für eine generelle Korrektur der Ergebnisse eines nach der gesetzlichen Ausgleichssystematik durchgeführten Versorgungsausgleichs steht die Härteklausel nicht zur Verfügung, sondern sie kann nur im Einzelfall zur Vermeidung unbilliger Auswirkungen herangezogen werden. Es ist daher grundsätzlich Sache des Steuergesetzgebers, hier Abhilfe zu schaffen (vgl. BVerfGE 54, 11 ff; Senatsbeschlüsse vom 23. März 1988 – IVb ZB 51/87 – FamRZ 1988, 709, 710; vom 18. Januar 1989 aaO und vom 12. April 1989 – IVb ZB 146/86 – FamRZ 1989, 844, 846 und vom 28. Oktober 1992 – XII ZB 42/91 – BGHR BGB § 1587c Nr. 1 grobe Unbilligkeit 12 = FamRZ 1993, 302).
Anders verhält es sich allerdings dann, wenn sich – wie es hier der Fall ist – infolge schon eingetretener Versorgungsfälle bei beiden Ehegatten die Auswirkungen der steuerlichen Ungleichbehandlung von Beamtenpension und Rente bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs annähernd sicher voraussehen lassen. Würde in einem solchen Fall die unterschiedliche Besteuerung zu einem Absinken der Nettobezüge des Ausgleichspflichtigen unter die entsprechenden Nettobezüge des Ausgleichsberechtigten führen, so muß der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens zur Vermeidung grob unwilliger Folgen eine angemessene Kürzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c BGB vornehmen, um ein dem Halbteilungsgrundsatz annähernd entsprechendes Ergebnis zu erreichen (Senatsbeschluß vom 24. Mai 1989 – IVb ZB 17/88 – BGHR BGB § 1587c Nr. 1 grobe Unbilligkeit 10 = FamRZ 1989, 1163, 1165).
b) Fraglich ist, ob diese Grundsätze des § 1587c Nr. 1 BGB uneingeschränkt auch im Rahmen eines Abänderungsverfahrens Anwendung finden und gegebenenfalls eine weitergehende Abänderung der Erstentscheidung – auch zu Lasten des Antragstellers – ermöglichen oder ob Härtegründe nur in den Grenzen des § 10a Abs. 3 VAHRG geprüft werden können.
Soweit sich das Amtsgericht für seine Ansicht, § 1587c BGB könne im Rahmen eines Abänderungsverfahrens zur Korrektur unwilliger steuerlicher Auswirkungen nicht herangezogen werden, auf die Senatsentscheidung vom 15. März 1989 (aaO S. 726) beruft, verkennt es allerdings deren Aussage. In dem dort entschiedenen Fall ging es nur um die Frage, ob eine Abänderung allein mit der Begründung verlangt werden kann, daß der Versorgungsausgleich nach § 1587c BGB herabzusetzen sei, ohne daß zugleich auch der Einstieg in ein Abänderungsverfahren nach den gesetzlichen Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VAHRG eröffnet ist. Dies hat der Senat verneint. Auf die Frage, ob in Fällen, in denen die Einstiegsvoraussetzungen der Nummern 1 bis 3 erfüllt sind, eine zusätzliche Abänderung der Erstentscheidung aus Härtegründen nach § 1587c BGB in Betracht kommen kann oder ob eine solche Überprüfung in jedem Fall ausgeschlossen sein soll, brauchte der Senat dort nicht einzugehen. Sie kann auch hier dahinstehen. Denn eine Würdigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten unter Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen – die der Senat hier selbst vornehmen kann ergibt noch keinen Sachverhalt, der eine Anwendung des 1587c Nr. 1 BGB zugunsten des Antragstellers gebietet.
Nach der vom Landesamt für Besoldung und Versorgung erstellten Versorgungsmitteilung für den Monat Dezember 1989 verfügt der Antragsteller nach der bisherigen versorgungsausgleichsbedingten Kürzung um monatlich rund 1.105 DM und nach Abzug von Lohn- und Kirchensteuer von monatlich rund 400 DM über eine monatliche Nettopension von rund 2.840 DM (ohne Sonderzuwendung). Hinzu kommt die Rente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte von insgesamt rund 280 DM. Selbst unter Berücksichtigung des aufgrund der Abänderung erhöhten Versorgungsausgleichs (1.206,40 DM) verbleiben ihm rund 3.020 DM und damit wesentlich mehr als der Antragsgegnerin. Denn diese hat ausweislich ihres Rentenbescheides vom 1. Juni 1989 einschließlich des bisher durchgeführten Versorgungsausgleichs eine monatliche Rente von rund 1.890 DM, die sich durch die Abänderung nicht wesentlich erhöhen wird. Damit sind die Voraussetzungen für eine grobe Unbilligkeit wegen der unterschiedlichen Besteuerung nicht erfüllt.
3. Die vorzeitige Pensionierung des Antragstellers führt, wie das Amtsgericht insoweit im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens geprüft und das Oberlandesgericht ohne Rechtsverstoß gebilligt hat, ebenfalls nicht zu einem Härtefall, da die erwerbsunfähige Antragsgegnerin keine die Versorgung des Antragstellers auch nur annähernd erreichende Rente mehr wird erzielen können (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Januar 1989 aaO S. 728).
4. Die ergänzend angeordnete Umrechnung der zu begründenden Rentenanwartschaften folgt aus § 1587b Abs. 6 BGB (angefügt durch Art. 28 Rentenüberleitungsgesetz vom 25. Juli 1991 (BGBl. I § . 1606)).
Fundstellen
Haufe-Index 609844 |
NJW 1995, 136 |