Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts wird der Beschluß des Kartellsenats des Kammergerichts vom 14. Februar 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Kammergericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Betroffene zu 1 (im folgenden: VNG) ist ein Ferngasunternehmen. Sie beliefert in den Bundesländern Berlin (ohne West-Berlin), Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg sowie in großen Teilen Sachsens und Sachsen-Anhalts flächendeckend private und gewerbliche Endverbraucher mit Gas zu Energiezwecken. Ferner ist sie an der Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen-Sachsen beteiligt, die im Bundesland Thüringen sowie in den nicht unmittelbar von der VNG versorgten Teilen Sachsens und Sachsen-Anhalts Verbraucher mit Gas beliefert.
Die Betroffene zu 2 (im folgenden: WIEH) ist ein Gemeinschaftsunternehmen von WINGAS und Gazexport, einer zum russischen Gazprom-Konzern gehörenden Gesellschaft.
Das von Gazprom aus Rußland gelieferte Gas wird im Inland über die STEGAL (Sachsen-Thüringen-Erdgasleitung) transportiert, die von der STEGAL GmbH, einer Tochter von WINGAS, betrieben wird. Die WIEH hat als Anbieter von Erdgas ursprünglich auch Abnehmer im Versorgungsgebiet der VNG beliefert, an die das Gas über die STEGAL und über von dieser abzweigende Stichleitungen gelangt ist.
Mit Datum vom 31. Januar 1994 schlossen die Betroffenen zu 1 und 2 einen Vertrag über die Belieferung der VNG mit Erdgas durch WIEH. Nach diesem Vertrag trifft VNG eine Abnahmepflicht für den größten Teil der vereinbarten Liefermenge (sog. take-or-pay-Klausel). Ferner enthält die Vereinbarung eine sogenannte Gebietsschutzregelung, nach der WIEH verpflichtet ist, die Belieferung von Kunden in einem näher bezeichneten Gebiet zu unterlassen und ferner sicherzustellen, daß die Gebietsschutzabrede auch von mit ihr verbundenen Unternehmen beachtet wird. Von dieser Abrede ausgenommen sind einzelne näher bezeichnete Abnehmer der WIEH, deren Belieferung dieser weiterhin freistehen soll. Das in dem Vertrag als geschützt gekennzeichnete Gebiet stimmt im wesentlichen mit dem bis dahin von der VNG versorgten Gebiet überein. Mit Schreiben vom 31. Januar 1994 ist die Betroffene zu 3 dieser Absprache beigetreten. Sie hat erklärt, aus der Unterlassungsverpflichtung gegenüber VNG in gleichem Umfang zur Unterlassung verpflichtet zu sein, wie und solange die Betroffene zu 2 (WIEH) aus ihr verpflichtet ist. VNG hat die Erklärung angenommen.
Nach Anmeldung des Vertrages und einer Anhörung der Beteiligten hat das Bundeskartellamt die Vereinbarung mit Beschluß vom 7. März 1995 für unwirksam erklärt (WuW/E BKartA 2721 = RdE 1995, 165). Diese Entscheidung hat es gestützt auf § 103 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GWB a.F. in Verbindung mit § 103 Abs. 6 Nr. 3 GWB a.F. Es hat die Demarkationsabsprachen als mißbräuchlich angesehen, weil sie dazu führten, daß im Vollzug der Vereinbarung ein bisher bestehender Wettbewerb um Erdgaskunden ausgeschlossen werde. Ein solcher Wettbewerb zwischen VNG einerseits und WIEH bzw. WINGAS andererseits sei jedenfalls im näheren Einzugsbereich der STEGAL durch von ihr abzweigende Stichleitungen möglich. Erheblich verstärkt werden könne dieser Wettbewerb, wenn die geplante weitere Leitung von Frankfurt/Oder aus durch das Gebiet der neuen Bundesländer erstellt werde. Dieser Wettbewerb liege im Interesse der Abnehmer, für die er zu günstigeren Versorgungsbedingungen führe. Ein Marktzutritt sei bei einem so homogenen Gut wie Gas letztlich nur über den Preis möglich, wie die bereits von WIEH geschlossenen Lieferverträge mit Kunden im Versorgungsgebiet der VNG belegten. Im übrigen liefen die Demarkationsabsprachen auch deswegen Sinn und Zweck der Freistellung zuwider, weil sie eine Belieferung von Kunden durch WIEH/WINGAS im Versorgungsgebiet der VNG im Wege der Durchleitung ausschlössen. Der Umstand, daß VNG von WIEH beliefert werde, rechtfertige die Demarkationsabsprachen nicht.
Auf die gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerden der Betroffenen hat das Kammergericht mit Beschluß vom 14. Februar 1996 die Entscheidung des Bundeskartellamts aufgehoben (WuW/E OLG 5642 = RdE 1997, 27). Dagegen hat das Bundeskartellamt die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, der die Betroffenen entgegentreten.
II. Die infolge der Zulassung durch das Kammergericht statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Der angefochtene Beschluß kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil eine Aufhebung der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts auf der Grundlage des nunmehr geltenden Rechts, das das Kammergericht seiner Beurteilung noch nicht zugrunde legen konnte, nicht gerechtfertigt ist.
1. Grundlage der rechtlichen Bewertung und Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2546). Indem es die Bestimmung des Vertrages zwischen den Betroffenen für unwirksam erklärte, hat das Bundeskartellamt nicht nur auf die augenblicklich bestehende Rechtsbeziehung der Beteiligten eingewirkt, sondern diese zugleich für die Zukunft bestimmend gestaltet. Seine Maßnahme war nicht allein darauf gerichtet, dem Demarkationsvertrag die Wirksamkeit zu nehmen; zugleich sollte, wie auch aus dem Hinweis auf § 38 Abs. 1 Nr. 2 GWB a.F. folgt, mit der Entscheidung des Bundeskartellamts den Betroffenen dauerhaft verwehrt werden, die vorgesehene Abgrenzung zu praktizieren. Jedenfalls insoweit beeinflußt die Maßnahme auch die künftigen Rechtsbeziehungen der Parteien dauerhaft und weist in diesem Umfang gewollte, in die Zukunft gerichtete Wirkungen auf. Bei der Anfechtung von Maßnahmen der Verwaltung mit einem solchen, auf die Zukunft gerichteten Inhalt und Gegenstand richtet sich die rechtliche Bewertung nicht allein nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des letzten Verwaltungshandelns; zu berücksichtigen sind vielmehr auch bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwGE 78, 243; BVerwG, Urt. v. 27.4.1990 - 8 C 87.88, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 218) und darüber hinaus bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in der Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdeinstanz eingetretene Veränderungen der rechtlichen Grundlagen der Entscheidung (vgl. BVerwGE 97, 79, 81; siehe auch BGH, Beschl. v. 22.9.1987 - KVR 5/86, WuW/E 2433, 2438 - Gruner + Jahr - Zeit; BGHZ 88, 273, 278 - Springer/Elbe-Wochenblatt II; BGH, Beschl. v. 12.2.1980 - KVR 3/79, WuW/E 1678, 1680 - Valium II; Urt. v. 29.9.1998 - KZR 3/97, WuW/E DE-R 197, 198 - Röntgenbilder).
2. Nach dem damit maßgeblichen Recht ist allerdings, wie die Betroffenen mit Recht geltend machen, für eine Entscheidung des Bundeskartellamts, mit der eine Demarkationsabsprache wegen einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme der Freistellung für unwirksam erklärt wird, kein Raum mehr. Eine solche Entscheidung kann, wovon der angefochtene Beschluß zutreffend ausgeht, ihre rechtliche Grundlage allein in § 103 Absätze 5 und 6 GWB a.F. finden. Die dort getroffene Regelung ist jedoch mit Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730) entfallen und scheidet damit als Rechtsgrundlage für ein entsprechendes Verbot aus. Mit Art. 2 dieses Gesetzes wurde § 103 b GWB a.F. in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingefügt, nach dem die §§ 103, 103a GWB a.F. auf die Versorgung mit Elektrizität und Gas nicht mehr anzuwenden sein sollten. Aufgrund dieser, am 29. April 1998 in Kraft getretenen Gesetzesänderung entfielen sowohl die Freistellung der in § 103 GWB a.F. bezeichneten Verträge von der Anwendung der §§ 1, 15 und 18 GWB a.F. als auch die darauf gestützte Befugnis der Kartellbehörden zu Maßnahmen im Rahmen der Mißbrauchskontrolle nach den Absätzen 5 und 6 des § 103 GWB a.F. Das schließt eine Entscheidung im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren aus, mit der der ursprüngliche Beschluß des Bundeskartellamts in seiner ergangenen Fassung aufrechterhalten würde. Da durch die Rechtsänderung nicht allein die rechtlichen Grundlagen der angefochtenen Entscheidung und ihre Begründung berührt, sondern auch der formale Inhalt des Ausspruchs in Frage gestellt werden, genügt insoweit eine Auswechselung der Begründung und der maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht, um die Rechtmäßigkeit der durch das Bundeskartellamt getroffenen Entscheidung zu begründen. Es bedarf vielmehr auch einer Änderung im Regelungsausspruch selbst. Derartige Eingriffe in die ursprüngliche Maßnahme gehen über das bloße Nachschieben anderer Gründe in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht hinaus, das nur dort in Betracht kommt, wo der Regelungsgegenstand des Verwaltungsaktes selbst nicht verändert wird (vgl. BGH, Beschl. v. 18.5.1993 - KVZ 10/92, WuW/E 2869, 2871 - Pauschalreisenvermittlung II; BVerwG, Beschl. v. 5.2.1993 - 7 B 107.92, NVwZ 1993, 976, 977; siehe auch Urt. v. 21.11.1989 - 9 C 28.89, NVwZ 1990, 673, 674; Weyreuther, DÖV 1985, 126, 128; Broß, Festschrift v. Gamm, S. 547, 551).
3. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kommt jedoch eine Umdeutung des angefochtenen Beschlusses (§ 47 VwVfG) in Betracht. Diese scheidet hier nicht, wie die Betroffenen meinen, schon deshalb aus, weil eine Aufrechterhaltung des Beschlusses eine Änderung im Regelungsausspruch erfordert. Die Umdeutung einer Verwaltungsentscheidung verlangt nicht, daß deren Ausspruch unverändert bleibt; sie ist vielmehr ihrem Wesen nach durch einen ändernden Eingriff in den Verfügungssatz des Verwaltungsakts gekennzeichnet (vgl. BVerwGE 62, 300, 306; Weyreuther, DÖV 1985, 126 f.; Kopp, VwVfG, § 47 Rdn. 3). Wie sich aus § 47 VwVfG ergibt, verlangt die Umdeutung, gegen deren Zulassung auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz hier keine durchgreifenden Bedenken bestehen, nur, daß die an die Stelle des ursprünglichen Bescheides tretende Regelung auf das gleiche materielle Regelungsziel gerichtet ist, in die Regelungskompetenz der die Umdeutung aussprechenden Behörde fällt und das von dieser einzuhaltende Verfahren sowie eine etwaige Form der Entscheidung gewahrt sind.
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, wie das Bundeskartellamt zu Recht geltend macht. Anders als die Rechtsbeschwerdegegnerinnen meinen, kommt der im Wege der Umdeutung an die Stelle der ursprünglichen Entscheidung tretenden Regelung keine andere Zielsetzung als dem ursprünglichen Beschluß zu. Daß der Ausgangsbeschluß mit der Erklärung der Unwirksamkeit einen auf die Gestaltung der Rechtslage gerichteten Akt zum Gegenstand hat, während die im Wege der Umdeutung an seine Stelle tretende Regelung auf die Konkretisierung des gesetzlichen Kartellverbots nach § 1 GWB n.F. gerichtet ist, betrifft allein den von der jeweiligen unterschiedlichen Rechtsgrundlage abhängigen Weg zur Erreichung des von der Behörde primär angestrebten Regelungsziels, auf das für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Umdeutung in erster Linie abzustellen ist. Insoweit ist nicht ausschlaggebend, ob die ursprüngliche und die durch die Umdeutung entstehende Maßnahme auf die Herbeiführung einer identischen Rechtslage gerichtet sind; es genügt vielmehr, daß beide Maßnahmen einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vergleichbaren und in seiner tatsächlichen Wirkung übereinstimmenden Erfolg herbeiführen sollen, d.h., das bei wirtschaftlicher Betrachtung gleiche Ziel anstreben. Dieses besteht hier darin, die Durchführung der vom Bundeskartellamt als kartellrechtswidrig eingestuften Demarkationsabsprache zu unterbinden; insoweit wird es von der Auswechselung der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel und des darauf beruhenden Regelungsausspruchs nicht berührt. Bei dem Vergleich der mit der Verfügung jeweils verfolgten Ziele kann daher auch nicht, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderungen ausführen, der Hinweis auf die ordnungsmittelrechtliche Sanktion einerseits dem auf die Unterbindung der Durchführung des Demarkationsvertrages gerichteten primären Ausspruch andererseits gegenübergestellt werden. Zu vergleichen sind jeweils der primäre, auf die Verhinderung dieser Durchführung gerichtete Ausspruch und nicht die daran anschließenden Hinweise auf die ordnungsmittelrechtlichen Folgen einer Verletzung des in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Verbots.
Über die Identität des Regelungszieles hinaus sind auch die weiteren formellen Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 47 VwVfG erfüllt. Für die Untersagung eines nach § 1 GWB n.F. unzulässigen Verhaltens ist das Bundeskartellamt nach altem (§ 37 GWB a.F.) wie nach neuem Recht (§ 32 GWB n.F.) zuständig; Art, Inhalt und Form des Verfahrens und seine Entscheidung folgen den gleichen tatsächlichen und rechtlichen Grundsätzen.
4. Demgegenüber ist aufgrund der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des Vorbringens der Parteien nicht abschließend zu entscheiden, ob auch die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Kartellverstoß nach § 1 GWB erfüllt sind. Zwar spricht nach den tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts derzeit vieles dafür, daß die Demarkationsabrede und die hierauf bezogenen weiteren Absprachen der Beteiligten die Voraussetzungen eines nach § 1 GWB n.F. verbotenen Vertrages erfüllen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat insoweit jedoch verwehrt, weil derzeit nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Parteien zu diesem Gegenstand bereits abschließend vorgetragen haben. Gegenstand des Verfahrens vor dem Kammergericht war allein die auf § 103 Absätze 5 und 6 GWB a.F. gestützte Entscheidung des Bundeskartellamts; sich auch mit einem möglichen Verstoß gegen § 1 GWB, insbesondere § 1 GWB in der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung zu befassen, bestand aus der Sicht der Beteiligten bislang kein Anlaß. Demgemäß hatten sie bisher keine ausreichende Gelegenheit, zur Anwendung dieser Vorschrift in tatsächlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Das kann im Rechtsbeschwerdeverfahren, in dem neuer Sachvortrag nicht zugelassen ist, auch nicht nachgeholt werden. Insoweit muß die Sache daher – insbesondere zur gebotenen Gewährung rechtlichen Gehörs – an das Kammergericht als Tatsachengericht zurückverwiesen werden. Die Zurückverweisung gibt dem Bundeskartellamt zugleich Gelegenheit, Ausführungen zum genauen Inhalt der an die Stelle der alten Entscheidung tretenden Regelung zu machen.
Die Demarkationsabsprache der Betroffenen kann eine sowohl nach neuem als auch – unbeschadet der Freistellung nach § 103 GWB a.F. – nach dem bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Recht von § 1 GWB erfaßte Kartellabsprache enthalten. Als gewerblicher Anbieter von Gas und Energie auf allen Handelsstufen des Vertriebs sind sowohl VNG als auch WIEH und WINGAS Unternehmen im Sinne der Vorschrift. Nach der Rechtsprechung des Senats wird der Unternehmensbegriff im Sinne des § 1 GWB a.F. durch jedwede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr erfüllt (BGHZ 36, 91, 103 - Gummistrümpfe; 119, 93, 101 - Selbstzahler). Für die seit dem 1. Januar 1999 geltende Fassung der Vorschrift gilt insoweit nichts anderes (vgl. BGH, Beschl. v. 9.3.1999 - KVR 20/97, WuW/E DE-R 289, 291 - Lottospielgemeinschaft). Den seiner bisherigen Rechtsprechung zugrundeliegenden weiten Unternehmensbegriff hat der Senat aus der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen hergeleitet, dem nur mit einer möglichst umfassenden Unterstellung geschäftlicher Tätigkeiten unter das Kartellrecht genügt werden kann. Diese Funktion des Gesetzes wird durch die Neufassung der Regelung durch die 6. GWB-Novelle nicht berührt oder gar in Frage gestellt. Zweck der Gesetzesänderung war neben einer Reihe von Klarstellungen und Anpassungen an eingetretene Entwicklungen vor allem eine stärkere Angleichung an das Kartellrecht der Europäischen Union (vgl. die Begr. z. Reg.Entw. zu I 1 u. 2, Sonderveröffentl. der WuW 1998 S. 64, 85 f.). Auch diesem liegt eine auf die Herstellung und Gewährleistung der Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung zugrunde; wie im nationalen deutschen Recht gilt auch dort ein weiter Unternehmensbegriff, der jedwede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr unabhängig davon erfaßt, in welcher Rechtsform der Tätigwerdende auftritt.
Zugleich ist davon auszugehen, daß die Vertragspartner zunächst vor Abschluß des hier in Frage stehenden Demarkationsvertrages auch in einem aktuellen Wettbewerb standen und diesen ohne den Vertrag auch hätten fortsetzen können. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts hat WINGAS unmittelbar oder mittelbar über die WIEH auch Endverbraucher mit Gas beliefert und sich zumindest insoweit auch auf der gleichen Handelsstufe wie VNG mit dem Absatz der auch von dieser angebotenen Ware befaßt. Dabei ist WINGAS auch in das Versorgungsgebiet der VNG eingedrungen.
Die Demarkation dient dazu, die gewerblichen Tätigkeitsbereiche der Betroffenen voneinander abzugrenzen und jeweils im Interessengebiet des einen Vertragspartners eine werbende Tätigkeit des anderen um Kunden und Abnehmer auszuschließen. Durch die Vereinbarung wird mithin ein zwischen den Betroffenen ursprünglich vorhandener Wettbewerb jedenfalls eingeschränkt und weiterer Wettbewerb insbesondere durch die Werbung von neuen Kunden durch WINGAS ausgeschlossen, wobei nach Lage der Dinge alles dafür spricht, daß diese Beschränkung schon im Hinblick auf die Länge der durch das Gebiet der VNG führenden Leitung der WINGAS einen spürbaren Umfang erreicht. Gründe, die diese Beschränkung des Wettbewerbs aus dem Verbot des § 1 GWB herausnehmen könnten, sind bislang nicht festgestellt. Insbesondere ist angesichts der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung nach dem im Rechtsbeschwerdeverfahren zugrundezulegenden Sachverhalt nicht abschließend zu beurteilen, ob die Anwendung des § 1 GWB mit Blick auf die vertikale Lieferbeziehung zwischen den Parteien ausgeschlossen sein kann (vgl. dazu BGH, Urt. v. 14.1.1997 - KZR 41/95, WuW/E 3115 - Druckgußteile und KZR 35/95, WuW/E 3121 - Bedside-Testkarten).
Unterschriften
Geiß, Melullis, Goette, Ball, Bornkamm
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.09.1999 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen