Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassung einer irreführenden Werbekampagne. "Notarieller Festpreis"

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Immobilienwerbung mit der Angabe "notarieller Festpreis" ist regelmäßig irreführend im Sinne des § 3 UWG, und zwar auch dann, wenn ein bezifferter Preis in ihr nicht genannt ist.

 

Normenkette

UWG § 3

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. Juni 1987 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, der nach seiner Satzung die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder durch Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zu verfolgen hat.

Die beklagte Bauunternehmerin warb in der S. Zeitung vom 26. Juni 1985 mit einem Inserat wie folgt:

"Im Grünen in B.

Wir bauen für Sie Ihr Einfamilien-Haus in sehr sonniger und ruhiger Wohnlage am Ortsrand von B.. Individuelle Planung im Landhausstil. Schlüsselfertige Ausführung in bewährter Fertig- oder Ziegelbauweise zum notariellen Festpreis. Rufen Sie uns an: ..."

Der Kläger hält diese Werbung für irreführend. Nach seiner Ansicht erweckt die Angabe "zum notariellen Festpreis" den Eindruck, daß ein Notar als Amtsträger bei der Preisgestaltung mitwirkt, sei es bei der Ermittlung des Preises, sei es dadurch, daß er die Einhaltung des Festpreises überprüft und dadurch eine Gewähr für die Angemessenheit des Preises bietet.

Dem ist die Beklagte entgegengetreten: Die Angabe "zum notariellen Festpreis" sei lediglich ein Hinweis darauf, daß der Festpreis für die schlüsselfertige Ausführung des Hauses bei Vertragsschluß durch einen Notar beurkundet werde.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Endverbrauchern unter Angabe von Preisen zu werben und diese dabei als "notarielle Festpreise" zu bezeichnen, insbesondere wie folgt zu werben:

"B. ... Einfamilienhaus ... zum notariellen Festpreis".

Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat entsprechend dem Berufungsantrag des Klägers die Urteilsformel dahingehend neu gefaßt, daß die Beklagte verurteilt werde, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Endverbrauchern mit der Bezeichnung "notarieller Festpreis" zu werben, insbesondere wie folgt zu werben:

"B. ... Einfamilienhaus ... zum notariellen Festpreis".

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Gegen die Prozeßführungsbefugnis des Klägers aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG bestehen keine Bedenken. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 5. Oktober 1989 (I ZR 56/89 - Wettbewerbsverein IV, NJW-RR 1990, 102) im einzelnen ausgeführt; daran ist auch im vorliegenden Fall festzuhalten.

II.

Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers aus § 3 UWG für gegeben erachtet, weil für einen nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise der unrichtige Eindruck entstehe, die zu erwartenden Festpreise der Beklagten würden von einem Notar auf ihre Angemessenheit überprüft, seien also schon aus diesem Grund korrekt und reell gebildet. Das begründe auch dann die Gefahr einer Irreführung des Publikums, wenn sich das Adjektiv "notariell" wie hier noch nicht auf eine bestimmte, schon in der Werbung bezifferte Geldsumme als Festpreis beziehe. Wesentlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise sei nämlich bekannt, daß der Notar ein öffentliches Amt bekleide und die Mitwirkung bei Grundstücksgeschäften einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bilde. Das Publikum kenne ihn als unparteiischen Betreuer der an einem Beurkundungsgeschäft beteiligten Parteien, die er zu beraten und zu belehren habe. Indem die Beklagte den Festpreis als "notariell" bezeichne, bringe sie Autorität und Ansehen der Notare in eine Verbindung mit dem Preis; so erzeuge sie den Anschein besonderer Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit im Hinblick auf die Preisbemessung. Zumindest ein Teil der Interessenten werde hier fälschlich eine Mitwirkung des Notars als Amtsträger in dem Sinne voraussetzen, daß dieser die Preisbildung und deren Faktoren geprüft und gebilligt habe.

Die Gefahr der Irreführung bestehe aus denselben Gründen nicht nur im Hinblick auf Preisbildung und Preiskontrolle, sondern auch im Hinblick auf Preiseinhaltung und Preissicherheit. Ein beträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde annehmen, bei einem "notariellen Festpreis" sei in stärkerem Maß als bei einem nicht notariellen Festpreis die Gewähr gegeben, daß es bei diesem Preis bleibe; dafür bürge gewissermaßen der Notar als Amtsperson. Auch das treffe jedoch so nicht zu.

III.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1.

Zu Unrecht sieht die Revision einen Rechtsfehler darin, daß das Berufungsgericht die Irreführungsgefahr ohne Absicherung durch eine Meinungsumfrage bejaht hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es nicht ausgeschlossen, daß der Tatrichter die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise aufgrund seiner eigenen Sachkunde und Lebenserfahrung hinreichend zuverlässig beurteilen kann, sofern - namentlich bei Gegenständen des allgemeinen Bedarfs - die Anschauungen des unbefangenen Durchschnittskunden zu ermitteln sind und die Richter des zur Entscheidung berufenen Kollegiums selbst diesem Personenkreis angehören (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1984 - I ZR 187/82, GRUR 1985, 140, 141 = WRP 1985, 72, 73 - Größtes Teppichhaus der Welt, m.w.N.). Anderes gilt, wenn Umstände vorliegen, die eine bestimmte Auffassung als bedenklich erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 11.05.1983 - I ZR 64/81, GRUR 1984, 467, 468 = WRP 1984, 62, 63 - Das unmögliche Möbelhaus). Solche Umstände sind hier jedoch entgegen der Ansicht der Revision nicht gegeben.

Die Revision meint, das Berufungsgericht hätte die Irreführungsgefahr nicht ohne eine Meinungsumfrage bejahen dürfen, weil es aufgrund seiner Sachkunde in Rechtsfragen nicht irregeführt worden sei und ihm eine andere Erkenntnisquelle für die nach seiner Ansicht davon abweichende Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise nicht zur Verfügung gestanden habe. Dabei vernachlässigt die Revision jedoch, daß objektive Umstände vorliegen, auf denen die Irreführungsgefahr für nicht rechtskundige Teile des Verkehrs beruht. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Werbeangabe "notarieller Festpreis" bereits nach ihrem Wortsinn das Mißverständnis nahelegt, daß ein Notar, ein Amtsträger, dem kraft seiner Funktion als unparteiisches Organ der Rechtspflege weithin besonderes Vertrauen entgegengebracht wird, in irgendeiner Weise am Festpreis, seiner Bildung oder Einhaltung, mitwirke. Wenn das Berufungsgericht darauf die festgestellte Irreführungsgefahr zurückführt, entspricht dies dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannten Erfahrungssatz, daß ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs die Werbung auch ihrem Wortsinn nach versteht (Urt. v. 20.04.1989 - I ZR 125/87, GRUR 1989, 608, 609 = WRP 1989, 584 - Raumausstattung, m.w.N.; vgl. insbesondere zur Werbung mit "notariellem Festpreis" auch OLG Nürnberg GRUR 1983, 677 = WRP 1983, 708; OLG Düsseldorf GRUR 1984, 145 und GRUR 1985, 67 = WRP 1985, 32; OLG Hamm GRUR 1984, 67 = WRP 1984, 35; OLG München GRUR 1984, 373; anders OLG Stuttgart GRUR 1984, 66). Dabei ist für die Irreführungsgefahr nicht von wesentlicher Bedeutung, ob in der Werbung, die auf einen "notariellen Festpreis" abstellt, bereits ein bestimmter Preis genannt ist. Entscheidend ist insoweit nach der vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei festgestellten Verkehrsauffassung die Fehlvorstellung eines nicht unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise, daß ein Notar in der vorerwähnten Weise am Festpreis mitwirke. Diese Vorstellung von der Mitwirkung des Notars ist unabhängig davon, ob die Werbung nur die Angabe "notarieller Festpreis" oder auch schon einen bezifferten Preis enthält. Fehlt die Angabe eines bestimmten Festpreises, werden die irregeführten Teile des Verkehrs lediglich eher geneigt sein anzunehmen, die Mitwirkung eines Notars an dem Festpreis, dessen Bildung oder Einhaltung, stehe noch bevor.

2.

Die Revision ist der Ansicht, die Gefahr der Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise sei schon deshalb ausgeschlossen, weil diese bei einer wirtschaftlich so bedeutsamen Angelegenheit wie dem Bau oder dem Erwerb eines Einfamilienhauses schon vor der Befassung mit einzelnen Anzeigen auf verschiedene Weise jedenfalls schon so weit sachkundig geworden seien, daß ihnen bekannt sei, welche Aufgabe der Notar wahrzunehmen habe. Der Verkehr werde daher auch die Angabe "notarieller Festpreis" richtig dahin verstehen, daß das Objekt zu einem Festpreis angeboten und dieser notariell beurkundet werde.

Dem kann nicht beigetreten werden. Die Revision beruft sich für ihre Ansicht auf die Lebenserfahrung; sie stellt jedoch lediglich mögliche Geschehensabläufe dar. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden.

Es mag im übrigen zwar zutreffen, daß Interessenten, die durch die angegriffene Werbung irregeführt werden, noch vor Vertragsschluß den wahren Sachverhalt erkennen. Darauf kann sich die Beklagte aber nicht berufen. Denn § 3 UWG richtet sich bereits gegen das Anlocken durch Irreführung, so daß es genügt, wenn sich Kunden infolge der irreführenden Angabe "notarieller Festpreis" mit dem Angebot der Beklagten überhaupt oder näher befassen (BGH, Urt. v. 08.06.1989 - I ZR 233/87, GRUR 1989, 855 - Teilzahlungskauf II; Urt. v. 21.04.1988 - I ZR 82/86, GRUR 1988, 700, 702 = WRP 1989, 13, 15 - Meßpuffer m.w.N.).

IV.

Die Revision war danach zurückzuweisen. Die Kosten des Revisionsverfahrens treffen gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte.

Entgegen der Ansicht der Revision war die Neufassung des Klageantrags in der Berufungsinstanz keine Klagerücknahme mit der Kostenfolge aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Wie aus der Klagebegründung ersichtlich ist, war die Klage von Anfang an gegen eine Werbung mit der Angabe "notarieller Festpreis" gerichtet, ohne daß es darauf ankommen sollte, ob unter Angabe bestimmter Preise geworben wird oder nicht. Der Umstand, daß der ursprüngliche Klageantrag - in Abweichung von der konkreten Verletzungsform - von einer Werbung "unter Angabe von Preisen" sprach, beruhte ersichtlich auf einem Versehen.

 

Unterschriften

Piper

Erdmann

Teplitzky

v. Ungern-Sternberg

Ullmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456015

GRUR 1990, 532

Dieser Inhalt ist unter anderem im Erbschaftsteuergesetz-Kommentar enthalten. Sie wollen mehr?