Leitsatz (amtlich)
a) Die nachbarrechtlichen Vorschriften (hier § 906 BGB) sind in dem davon erfaßten Regelungsbereich maßgebend dafür, ob eine widerrechtliche Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB vorliegt.
b) Werden von einem Grundstück Rückstände eines dort versprühten chemischen Unkrautvernichtungsmittels durch wild abfließendes Niederschlagswasser einem anderen Grundstück zugeführt, so handelt es sich um eine Immissionseinwirkung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB.
c) Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kommt auch dann in Betracht, wenn eine nach § 906 BGB rechtswidrige und deshalb abwehrfähige Immissionsbeeinträchtigung von dem Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks aus besonderen Gründen nicht verhindert werden kann (Ergänzung zum Senatsurteil BGHZ 66, 70, 74).
Normenkette
BGB §§ 823, 906
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken (Urteil vom 01.02.1983) |
LG Kaiserslautern |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 1. Februar 1983 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin in folgendem Umfang zurückgewiesen worden ist:
- hinsichtlich des Klageantrages zu 1 (Schadensersatz),
- hinsichtlich des Klageantrages zu 2 (Unterlassung), soweit er sich gegen die Zuführung von Unkrautvernichtungsmitteln durch Wasserabfluß richtet.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks mit einem etwa 190 qm großen Garten. Sie betreibt dort sowie auf dem angrenzenden Pachtgelände einen „biologischen” Landbau (Gemüse, Kartoffeln, Grünland). Oberhalb dieses Grundbesitzes liegt an einem Hang ein vom Beklagten gepachteter, knapp 1 ha großer Acker, auf dem er im Jahre 1980 Silomais und 1981 Sommerweizen angebaut hatte.
Im Sommer 1980 besprühte der Beklagte das Maisfeld mit dem Unkrautvernichtungsmittel „Atrazin” unter Zusatz von „Oleo Rustica 11 E”. Etwa zwei Wochen später gelangte mit diesen Stoffen durchsetztes Regenwasser infolge des Bodengefälles auf die von der Klägerin bewirtschafteten Grundstücke. Im Herbst 1981 wurden durch das von dem Acker des Beklagten abfließende Niederschlagswasser bis zu 45 cm breite und 1 m tiefe Rinnen auf ihrem Pachtgelände verursacht und dort etwa 8 t Ackerboden ausgeschwemmt.
Für den ihr angeblich durch die Einwirkung des angeschwemmten Unkrautvernichtungsmittels entstandenen Ernteausfall beansprucht die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 2.025 DM. Außerdem verlangt sie vom Beklagten, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, daß von seinem Ackergrundstück Oberflächenwasser auf die von ihr landwirtschaftlich genutzten Grundstücke abfließt und dort Schäden verursacht.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Schadensersatzanspruch:
Das Berufungsgericht hält den Schadensersatzanspruch der Klägerin für unbegründet, weil der Beklagte nicht widerrechtlich gehandelt habe. Er habe sein Maisfeld mit einem Unkrautbekämpfungsmittel besprüht, das für diesen Zweck zugelassen sei. Das Mittel habe er in der vom Hersteller empfohlenen Konzentration angewendet. Für den Beklagten habe auch unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung einer Gefahr keine Verkehrssicherungspflicht der Klägerin gegenüber bestanden. Die Wirkung des Gemisches aus „Atrazin” und „Oleo Rustica” trete nur über die Blätter der besprühten Pflanzen ein, nicht jedoch über den Boden und die Wurzeln. Die dann allein verbleibende Gefahr, daß sogenannte biologische Anpflanzungen, wie die der Klägerin, durch Berührung mit dem Herbizid verseucht werden, beruhe auf der besonderen Schadensanfälligkeit dieser Art der Bodennutzung. Dafür aber habe der Beklagte keine Vorsorge zu treffen brauchen.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Anpflanzungen der Klägerin (Gemüse, Kartoffeln, Grünland) im Sommer 1980 durch die von dem Maisfeld des Beklagten abgeschwemmten Rückstände des dort versprühten Unkrautbekämpfungsmittels vernichtet worden sind. Diese von der Klägerin behauptete Tatsache – einschränkend allerdings der im angefochtenen Urteil nicht aufgegriffene Berufungsvortrag, wonach der biologische Anbau seine „Qualifikation” infolge der Herbizidverseuchung verloren habe – ist daher für das Revisionsverfahren zu unterstellen. Somit ist davon auszugehen, daß Eigentum und Besitz der Klägerin verletzt worden sind (§ 823 Abs. 1 BGB).
Unzutreffend ist die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nicht widerrechtlich gehandelt. Die Verletzung eines nach § 823 BGB geschützten Rechtsguts ist grundsätzlich rechtswidrig, wenn nicht ein Rechtfertigungsgrund besteht (BGHZ 24, 21, 27 f; vgl. auch BGHZ 74, 9, 14 f). Geht es – wie hier – um das Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn, so sind die nachbarrechtlichen Sonderbestimmungen der §§ 906 ff BGB in dem davon erfaßten Regelungsbereich maßgebend dafür, ob die von dem einen auf das andere Grundstück ausgehenden Einwirkungen rechtswidrig sind; diese Bestimmungen entscheiden deshalb auch darüber, ob eine widerrechtliche deliktische Handlung gemäß § 823 BGB vorliegt oder nicht (BGHZ 44, 130, 134; BGH Urteile vom 21. Februar 1980, III ZR 185/78, NJW 1980, 2580 und vom 30. November 1982, VI ZR 204/80, VersR 1983, 242; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 823 Rdn. 17 m.w.N.).
Beurteilungsmaßstab ist hier § 906 BGB. Diese Vorschrift regelt die Voraussetzungen, unter denen der Grundstückseigentümer oder der Nutzungsberechtigte (BGHZ 15, 146, 148; 30, 273, 276 f; 70, 212, 220) die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen oder „ähnliche Einwirkungen” dulden muß. „Ähnliche Einwirkungen” sind solche, die den in dieser Vorschrift genannten Beispielen vergleichbar sind, also unwägbare, im allgemeinen sinnlich wahrnehmbare Immissionen, welche auf natürlichem Wege zugeleitet werden (BGHZ 62, 361, 366; BGB-RGRK/Augustin § 906 Rdn. 7 und 23; MünchKomm/Säcker § 906 Rdn. 19 und 69). Chemische Pflanzenschutzmittel, die auf einem Grundstück versprüht werden und dann durch den Wind oder durch ähnliche Ursachen auf das Nachbargrundstück gelangen, sind Einwirkungen dieser Art (BGHZ 16, 366, 374 f). Das gilt auch dann, wenn ein solcher Giftstoff nach dem Spritzen durch abfließendes Regenwasser auf ein Nachbargrundstück geschwemmt wird. Zwar wird der Wasserzufluß als solcher nicht als Immission im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB angesehen (Motive III 265 zum Entwurf des BGB; RG SeuffArch 76 Nr. 90; BGB-RGRK/Augustin § 906 Rdn. 24; Glaser/Dröschel, Das Nachbarrecht in der Praxis, 3. Aufl. S. 149 ff; Dehner, Nachbarrecht im Bundesgebiet, 6. Aufl. § 16 II 4; allgem. Auff.), zumal insoweit die wasserrechtlichen Regelungen eingreifen; davon zu unterscheiden ist jedoch der vorliegende Fall, daß eine unwägbare Substanz in abfließendes Niederschlagswasser gerät und auf diese Weise dem Nachbargrundstück zugeführt wird. Denn die Art der Zuführung ist für die Anwendung des § 906 BGB bedeutungslos (so mit Recht Erman/Hagen, BGB 7. Aufl. § 906 Rdn. 8); diese Bestimmung setzt nur voraus, daß naturgegebene Vorgänge – und nicht erst besonders angelegte Leitungswege (§ 906 Abs. 3 BGB) – die Zuführung bewirken (BGB-RGRK/Augustin § 906 Rdn. 14; Palandt/Bassenge; BGB 43. Aufl. § 906 Anm. 2 b). Zwar bezogen sich die Vorstellungen des Gesetzgebers (Motive III 264) vornehmlich auf solche Immissionen, die sich durch die Luft (wie Gase, Dämpfe, Rauch, Ruß) oder als Folge physikalischer Wirkungen (wie Erschütterungen, Wärme, Geräusch) verbreiten; eigentliches und vordringliches Gesetzgebungsziel war indessen eine Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich eine Handlung des Grundeigentümers, die dazu führt, daß Imponderabilien der genannten Art entstehen und dann auf natürlichem Wege über die Grundstücksgrenzen hinauswirken, als rechtswidrig darstellt (Motive III 265). Demgemäß nennt § 906 Abs. 1 BGB nur die „hauptsächlichen Beispiele” (Motive III 264) grenzüberschreitender Imponderabilien und bringt durch die Einbeziehung „ähnlicher Einwirkungen” zum Ausdruck, daß der Beispielskatalog lediglich die Beschaffenheit der Immissionen, nicht hingegen nur eine ganz bestimmte Art der natürlichen Zuführung kennzeichnet.
Da auch der unregulierte Abfluß von Niederschlagswasser, nicht anders als etwa die Wirkungsweise des Windes, eine natürliche Ursache für eine grenzüberschreitende Zuführung von Imponderabilien bildet, bestehen keine Bedenken, die Vorschrift des § 906 BGB auch dann anzuwenden, wenn auf diese Weise die von einem Grundstück ausgehenden Emissionen dem Nachbargrundstück zugeleitet werden (anders, jedoch ohne nähere Begründung OLG Karlsruhe AgrarR 1983, 219 für den Fall der Zuführung von Schneewasser mit darin aufgelöstem Abtausalz). Wird daher durch den Gebrauch eines chemischen Unkrautvernichtungsmittels das von dem Grundstück abfließende Niederschlagswasser verseucht, so beurteilt sich nach § 906 BGB, ob der durch die Einwirkung des Wassers betroffene Nachbar eine Beeinträchtigung seines Eigentums oder Besitzes dulden muß.
Eine Duldungspflicht nach vorrangigen wasserrechtlichen Bestimmungen besteht in diesem Fall nicht. Die Regelung in § 84 Abs. 1 des Landeswassergesetzes (LWG) von Rheinland-Pfalz in der hier maßgebenden Fassung vom 1. August 1960 (GVBl S. 153) – heute § 82 Abs. 1 LWG vom 4. März 1983 (GVBl S. 31) – betrifft allein Veränderungen des Wasserablaufes. Sie berechtigt nicht zu einer qualitativen Veränderung des Wassers durch Verunreinigung mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln (vgl. Senatsurteil vom 22. März 1966, V ZR 126/63, NJW 1966, 1360 betr. § 196 PreußWassG; Sieder/Zeitler, BayWassG Art. 63 Rdn. 27). Diese Bestimmung steht hier mithin der Anwendung des § 906 BGB nicht entgegen.
Nach § 906 Abs. 1 BGB muß der Eigentümer (oder Besitzer) eine von dem Nachbargrundstück ausgehende Immissionseinwirkung dulden, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Ist hier durch das von dem Herbizid verseuchte Regenwasser „mehr oder weniger” die ganze Ernte der Klägerin vernichtet worden, was revisionsrechtlich zu unterstellen ist und im Streitfall vom Beklagten widerlegt werden müßte, so kann von einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung keine Rede sein. Das Berufungsgericht verkennt den Begriff der Wesentlichkeit, wenn es – im Rahmen der Prüfung des Unterlassungsanspruchs – den Standpunkt vertritt, die Beeinträchtigung sei unwesentlich deswegen, weil der biologische Landbau der Klägerin im Unterschied zu gewöhnlichen Anpflanzungen besonders störanfällig gewesen sei. Nicht auf diesen – übrigens von keiner Partei behaupteten – Umstand kommt es an; die Frage, ob die Benutzung des Grundstücks wesentlich oder nur unwesentlich beeinträchtigt ist, hängt vielmehr allein davon ab, in welchem Ausmaß die Benutzung nach der tatsächlichen Zweckbestimmung des Grundstücks gestört wird (BGHZ 69, 118, 127; 70, 102, 109 f). Da die Klägerin ihr Eigentum und ihren Besitz grundsätzlich nach eigenem Belieben nutzen darf, brauchte sie sich nicht auf eine Art des Anbaues zu beschränken, der den Einwirkungen des Herbizids standgehalten hätte (vgl. auch Senatsurteile vom 6. Juni 1969, V ZR 53/66, WM 1969, 1042, 1045 und vom 11. November 1983, V ZR 231/82, VersR 1984, 280 = Betrieb 1984, 664).
Handelte es sich um eine nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung, so war die Klägerin gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Duldung nur dann verpflichtet, wenn sich die Beeinträchtigung als Folge einer ortsüblichen Benutzung des Grundbesitzes des Beklagten darstellte und von ihm nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden konnte. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, daß der Beklagte sein Maisfeld mit einem zugelassenen Unkrautvernichtungsmittel in landwirtschaftlich üblicher Weise bespritzt hat. Insoweit ist auch nicht zu beanstanden, daß der Tatrichter nach dem Beweisergebnis keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Mutmaßung der Klägerin gesehen hat, der Beklagte könnte das Mittel in zu hoher Konzentration und aus diesem Grunde in ortsunüblicher Weise verwendet haben. Die Revision verweist selbst auf die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen in erster Instanz, wonach Bodenproben keinen Aufschluß mehr bringen würden. Das muß erst recht für den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung gelten.
Offen ist jedoch, ob der Beklagte – was er widerlegen müßte – den Wasserabfluß und damit die hierdurch ausgelöste Zuführung der Rückstände des Unkrautvernichtungsmittels auf die tiefer gelegenen Anbauflächen der Klägerin durch ihm wirtschaftlich zumutbare Vorkehrungen hätte vermeiden können (vgl. die Vorschläge des Sachverständigen Dr. Kampe: GA 80, 114). Dies bedarf tatrichterlicher Prüfung, ebenso die für den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB erforderliche Voraussetzung eines Verschuldens des Beklagten und eines Schadens in der behaupteten Höhe.
2. Verschuldensunabhängig wäre ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch der Klägerin gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Diese Regelung kommt hier in Betracht. Sie wäre unmittelbar anwendbar, wenn die beeinträchtigende Einwirkung des verseuchten Wassers durch einen ortsüblichen Gebrauch des Unkrautvernichtungsmittels – woran kein Zweifel besteht – verursacht worden sein sollte und der Beklagte die Beeinträchtigung nicht in ihm zumutbarer Weise hätte verhindern können, was bisher ungeklärt ist. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift ist hier geboten, falls der Beklagte mögliche und zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen, also rechtswidrig gehandelt haben sollte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch dann, wenn die von einem Grundstück auf das benachbarte Grundstück ausgehende Einwirkung zwar rechtswidrig ist und deshalb nicht geduldet zu werden braucht, der betroffene Eigentümer oder Besitzer aber aus besonderen Gründen gehindert ist, diese Einwirkung gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu unterbinden, und wenn er dadurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 58, 149, 158 ff; 62, 361, 366 f; 72, 289, 291 ff; 85, 375, 384). Dieser allgemein für das Nachbarrecht entwickelte Grundsatz ist nicht etwa nur auf andere als die von § 906 Abs. 1 BGB erfaßten Einwirkungen beschränkt, wie z.B. auf Grobimmissionen (BGHZ 58, 149, 159). Vertiefungsschäden (BGHZ 72, 289; 85, 375) oder Behinderungen des Kontakts nach außen (BGHZ 62, 361); er muß genauso für Einwirkungen im Sinne dieser Vorschrift gelten, wenn der beeinträchtigte Eigentümer eine solche Einwirkung trotz ihrer Rechtswidrigkeit nicht verhindern kann. Denn maßgeblicher Gesichtspunkt ist in diesen Fällen nicht die Art der Einwirkung, sondern der Umstand, daß eine unzumutbare Beeinträchtigung des Eigentums oder Besitzes eintritt. Demgemäß ist auch der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in BGHZ 72, 289, 292 (ebenso bereits in BGHZ 48, 98, 101 zu § 906 BGB in der bis zum 31. Mai 1960 gültigen Fassung) und der erkennende Senat in BGHZ 85, 375, 385 (offengelassen hingegen in BGHZ 66, 70, 74) schon davon ausgegangen, daß auch Immissionseinwirkungen der in § 906 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Art einen Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB rechtfertigen, wenn der Eigentümer von der an sich nach § 1004 Abs. 1 BGB – besitzrechtlich nach § 862 Abs. 1 BGB – gegebenen Abwehrmöglichkeit aus besonderen Gründen keinen Gebrauch machen kann und dadurch unzumutbare Nachteile erleidet.
Einen Abwehranspruch hatte hier zwar die Klägerin unter der revisionsrechtlich zu unterstellenden Voraussetzung, daß für den Beklagten die Gefahr eines Abschwemmens des von ihm versprühten Unkrautvernichtungsmittels vermeidbar und daher die Beeinträchtigung ihres Eigentums und Besitzes rechtswidrig war; es ist jedoch nicht ersichtlich, daß sie Kenntnis von der Verwendung des Mittels hatte und deshalb rechtzeitig – etwa durch Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung – die Beeinträchtigung hätte unterbinden können. Ist dann durch das verseuchte Wasser, was noch der Klärung bedarf, ihre Ernte vernichtet worden, so ist der Ertrag ihres Grundbesitzes in einem Maße beeinträchtigt worden, daß sie diesen Verlust nicht entschädigungslos hinzunehmen braucht.
Der Umfang des Ausgleichsanspruchs bestimmt sich nach den Grundsätzen, die für die Bemessung der Enteignungsentschädigung gelten (vgl. BGHZ 57, 359, 368 f; 58, 149, 160; 62, 361, 370 f; 85, 375, 386 m.w.N.).
II. Unterlassungsanspruch:
1. Einen Anspruch der Klägerin gemäß §§ 862 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB auf Maßnahmen des Beklagten, die den Abfluß von Niederschlagswasser auf ihren Grundbesitz verhindern, hat das Berufungsgericht verneint. Das ist rechtsfehlerfrei, soweit der Anspruch schlechthin den Abfluß von Wasser und nicht nur von solchem, das durch Herbizidrückstände verseucht ist, betrifft.
Der Eigentümer oder der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks darf nach § 82 Abs. 1 LWG Rhl.-Pf. in der Fassung vom 4. März 1983 (ebenso wie nach § 84 Abs. 1 der früheren Gesetzesfassung) den außerhalb eines Bettes dem natürlichen Gefälle folgenden Abfluß von Wasser, das sich auf seinem Grundstück in natürlicher Weise ansammelt, nicht so verändern, daß Nachteile für andere Grundstücke entstehen. Soweit deshalb Niederschlagswasser ohne derartige Veränderungen dem Nachbargrundstück zufließt, muß dessen Eigentümer oder Besitzer Beeinträchtigungen, die sich nur aus dem Zufluß ergeben, hinnehmen.
Dem Berufungsgericht ist in der Auffassung zu folgen, daß der Anbau von Mais auf dem Pachtgelände des Beklagten, auch wenn diese Art der Anpflanzung den Wasserabfluß verstärkt, nicht als eine Veränderung im Sinne der vorbezeichneten Bestimmung des LWG anzusehen ist. Das LWG Rhl.-Pf. unterscheidet nach dem Vorbild anderer Landesrechte, insbesondere Art. 17 BayWassG vom 25. März 1907 (vgl. die Begründung zu § 85 des Regierungsentwurfs eines Landeswassergesetzes, Drucks. II/49 des Landtages von Rheinland-Pfalz, 4. Wahlperiode), zwischen dem naturgegebenen Zufluß wild abfließenden Wassers und dem durch Handlungen des Grundeigentümers künstlich veränderten Wasserablauf. Den natürlichen Abfluß haben die Eigentümer der Anliegergrundstücke hinzunehmen, damit eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des sonst durch Staunässe bedrohten höher liegenden Grundstücks möglich ist. Bereits aus dieser Zielsetzung des Gesetzes folgt, daß mittelbare Änderungen der Stärke oder Richtung des Wasserabflusses, die – wie hier – aus einer üblichen landwirtschaftlichen Bodennutzung, gerade auch aus jährlich wechselnder Fruchtfolge, eintreten, keine unzulässige Veränderung darstellen. Anderenfalls würde, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist, die landwirtschaftliche Nutzung abschüssiger Anbauflächen – wie sie besonders in Rheinland-Pfalz häufig vorkommen – entgegen dem Gesetzeszweck erheblich erschwert, wenn nicht gar vereitelt.
In den Wassergesetzen anderer Bundesländer sind deshalb, wie schon in § 197 Abs. 2 PreußWassG, Veränderungen des Wasserablaufes infolge veränderter wirtschaftlicher Grundstücksnutzung ausdrücklich von dem auch dort geltenden grundsätzlichen Veränderungsverbot ausgenommen worden (vgl. § 7 Abs. 2 S. 2 des Hamburgischen WassG, § 78 Abs. 1 S. 2 WassG NRW, § 67 Abs. 2 des Schlesw.-Holst.WassG). Solche nur durch eine zulässige Art der Grundstücksnutzung bewirkten Veränderungen erfaßt auch die Regelung in § 82 Abs. 1 des rheinland-pfälzischen LWG nicht. Auch wenn dort eine entsprechende Klarstellung fehlt, so ergibt sich doch aus dem Sinn und Zweck des Veränderungsverbots diese Gesetzesauslegung (vgl. Glaser/Dröschel, Das Nachbarrecht in der Praxis, 3. Aufl. S. 151; ebenso für das BayWassG von 1907: Riederer/Sieder, BayWassG Art. 17 Rdn. 23; für das BayWassG vom 26. Juli 1962: Sieder/Zeitler a.a.O. Art. 65 Rdn. 36; für das WassG Baden-Württemberg: Ziegler, WassG für Baden-Württemberg § 81 Rdn. 3).
Die Revision erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet.
2. Soweit das Berufungsgericht den Klageantrag zu 2 dahin auslegt, daß er sich auch auf angeschwemmten Schlamm bezieht, einen Abwehranspruch insoweit aber verneint, hält das im Ergebnis ebenfalls den Angriffen der Revision stand.
Im Ansatz zutreffend ist die Ansicht des Berufungsgerichts, daß bei ganz unerheblichen Störungen kein schutzwürdiger Abwehranspruch besteht (vgl. BGB-RGRK/Pikart § 1004 Rdn. 28). Rechtsirrig geht indessen das Berufungsgericht davon aus, die Klägerin verfolge hier einen Beseitigungsanspruch gemäß §§ 862 Abs. 1 Satz 1, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, so daß allein auf den Umfang der im Jahre 1981 erfolgten Bodenanschwemmung abzustellen sei. Die Klägerin verlangt nicht Beseitigung des damals angeschwemmten Bodens, sondern Maßnahmen zum Schutz vor künftig drohender gleicher Beeinträchtigung. Damit macht sie einen Unterlassungsanspruch geltend (§§ 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB). Maßgebend ist daher der Umfang einer in Zukunft zu befürchtenden Einwirkung, wofür allerdings die frühere einen Anhalt bieten kann. Da das Berufungsgericht dazu keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat, ist zugunsten der Klägerin von nicht völlig unerheblichen künftigen Beeinträchtigungen auszugehen.
Ein Unterlassungsanspruch besteht jedoch nur dann, wenn der Beklagte für eine künftige Beeinträchtigung der Klägerin durch Anschwemmung von Schlamm als Störer verantwortlich ist. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes reicht dazu aber der bloße Umstand des Eigentums oder des Besitzes an demjenigen Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, nicht aus; die Beeinträchtigung muß vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgehen (RGZ 134, 231, 233 f; 149, 205, 210; BGHZ 19, 126, 129 f; 28, 110, 111; ebenso BGB-RGRK/Pikart § 1004 Ron. 71 f; Erman/W. Hefermehl a.a.O. § 1004 Rdn. 14 und 18; MünchKomm/Medicus § 1004 Rdn. 38; a.Auff. Pleyer, AcP 156, 291, 299 ff; Kübler, AcP 159, 236, 271 ff). Daher sind dem Eigentümer des Grundstücks, von dem durch Naturereignisse ausgelöste Störungen ausgehen, diese Beeinträchtigungen nur zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen – wie z.B. durch Anschüttung von Sandmassen (EG SeuffArch 60 Nr. 55). Anschneiden eines Steilhanges beim Hausbau (Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 12. Aufl. § 12 III) oder durch eine künstliche Veränderung der Grundstücksbeschaffenheit (BGHZ 49, 340, 346; vgl. auch BGH Urteil vom 21. Februar 1980, III ZR 185/78, NJW 1980, 2580) – ermöglicht hat oder wenn die Beeinträchtigung erst durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden ist (RGZ 134, 231, 234; 149, 205, 210; Staudinger/Gursky, BGB 12. Aufl. § 1004 Rdn. 36; BGB-RGRK/Pikart § 1004 Rdn. 60, 71 f; Palandt/Bassenge, BGB 43. Aufl. § 1004 Anm. 2 a bb). Derartige, den Schlammabfluß fördernde Eingriffe des Beklagten in den Zustand seines Pachtgrundstücks, die den Rahmen der normalen landwirtschaftlichen Nutzung überschreiten, hat die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen. Allein die Tatsache, daß der Beklagte das Feld nicht jedes Jahr, sondern nur in der üblich wechselnden Fruchtfolge mit Mais bestellt, bedeutet keine Veränderung der wirtschaftlichen Benutzung, wie sie dem Senatsurteil BGHZ 49, 340, 346 zugrunde lag. Die bei landwirtschaftlichen Grundstücken notwendige Art der Bodenbearbeitung sowie die mit Aussaat und Ernte verschiedener Feldfrüchte zwangsläufig verbundenen Änderungen der Oberfläche gehören zur natürlichen Eigenart des Grundstücks; hierauf beruhende Auswirkungen auf das Nachbargrundstück begründen daher keinen Abwehranspruch. Soweit sich die Klägerin auf das angeblich regelwidrige zweimalige Pflügen im Jahre 1980 beruft, ist nicht dargelegt, inwiefern sich dadurch noch im Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung im Jahre 1983 die Gefahr von Bodenerosionen meßbar erhöht haben sollte.
Der Beklagte ist somit unter den gegebenen Umständen nicht verpflichtet, Bodenabschwemmungen zu unterlassen.
3. Die Revision ist jedoch begründet, soweit sich der Unterlassungsanspruch – nach der nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Auslegung des Klageantrages – auch auf die Abschwemmung von Herbizidrückständen erstreckt.
Unstreitig wurden im Sommer 1980 von dem Maisfeld des Beklagten Rückstände des dort versprühten Unkrautvernichtungsmittels durch ablaufendes Niederschlagswasser dem Grundbesitz der Klägerin zugeführt. Darin lag, wie der Senat bereits dargelegt hat, eine Immissionseinwirkung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB. Besteht die Gefahr der Wiederholung einer solchen Einwirkung, wovon das Berufungsgericht ausgeht, dann kann die Klägerin gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 862 Abs. 1 Satz 2 BGB Unterlassung dieser Störung verlangen, falls sie nicht zur Duldung verpflichtet ist (§§ 1004 Abs. 2, 858 Abs. 1 BGB). Ob sie die Einwirkung hinnehmen muß, beurteilt sich nach § 906 BGB, und zwar auch insoweit, als sich der Unterlassungsanspruch nicht auf eine Beeinträchtigung des Eigentums, sondern des Besitzes bezieht (BGHZ 15, 146, 148). Zur Duldung ist die Klägerin nur verpflichtet, wenn sie künftig bloß unwesentlich beeinträchtigt wird (§ 906 Abs. 1 BGB) oder wenn die Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des Nachbargrundstücks herbeigeführt wird und vom Beklagten nicht durch ihm wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Von der Gefahr einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung, wie das Berufungsgericht annimmt, kann in Anbetracht des Ernteverlusts, den die Klägerin angeblich im Jahre 1980 als Folge der damaligen Herbizideinwirkung erlitten hatte, nicht ausgegangen werden. Es ist auch nicht festgestellt, daß der Beklagte keine zumutbare Abhilfemöglichkeit hat. Lediglich die Ortsüblichkeit der Verwendung chemischer Unkrautvernichtungsmittel steht fest.
Somit ist der Unterlassungsanspruch gerechtfertigt, falls eine der behaupteten früheren Immissioneeinwirkung entsprechende Wiederholungsgefahr droht und falls der Beklagte nicht die hier aufgezeigten Voraussetzungen nachweist, unter denen die Klägerin nach § 906 BGB zur Duldung verpflichtet ist. Die dazu erforderlichen Feststellungen muß das Berufungsgericht nachholen. Es wird auch auf eine ordnungsgemäße Fassung des Unterlassungsantrages hinzuwirken haben. Der Antrag darf in diesem Falle nicht auf die Vornahme „geeigneter Maßnahmen” zur Verhinderung der Störung, sondern nur darauf gerichtet werden, daß der Beklagte eine bestimmte Art der Störung unterläßt, nämlich eine den Grundbesitz der Klägerin beeinträchtigende Zuführung chemischer Unkrautvernichtungsmittel durch abfließendes Niederschlagswasser (vgl. Senatsurteil vom 30. April 1958, V ZR 142/56, NJW 1958, 1776; BGHZ 67, 252, 253; Dehner a.a.O. § 38 II 2 = S. 751).
III. Die Revision führt mithin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung im Umfang des Klageantrages zu 1 und insoweit, als der Klageantrag zu 2 auch hinsichtlich der Zuführung von Unkrautvernichtungsmitteln in abfließendem Niederschlagswasser abgewiesen worden ist. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
Unterschriften
Dr. Thumm, Dr. Eckstein, Hagen, Linden, Räfle
Fundstellen
Haufe-Index 1134351 |
BGHZ |
BGHZ, 255 |
Nachschlagewerk BGH |