Leitsatz (amtlich)
a) Bei der Auslegung eines europäischen Patents ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt. Nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bestimmung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe ist entscheidend, sondern das Verständnis des unbefangenen Fachmanns.
b) Patentschriften stellen im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar. Weichen diese vom allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch ab, ist letztlich nur der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgebend.
c) Der Schutzbereich eines europäischen Patents kann nicht auf Ausführungsformen erstreckt werden, die Ersatzmittel verwenden, die völlig oder bis zu einem praktisch nicht mehr erheblichen Umfang auf den mit dem Patent erstrebten Erfolg verzichten.
Normenkette
EPÜ Art. 69
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Aktenzeichen 2 U 244/93) |
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4 O 254/92) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 1996 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin an dem europäischen Patent 0 319 521 (Klagepatent), das in der Verfahrenssprache Deutsch erteilt wurde. Anspruch 1 des vier Ansprüche umfassenden Klagepatents lautet:
„Rohrschelle, bestehend aus einem ringförmigen Bügel (12) mit wenigstens einer Öffnung, die durch eine Spannschraube (10) schließbar ist, deren Fuß auf der einen Seite der Öffnung mit Gewindeeingriff gelagert und deren Kopf (24) auf der anderen Seite der Öffnung durch ein Loch (36) in einem am Bügel (12) angebrachten Flansch (20) hindurchführbar und festlegbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Kopf (24) der Spannschraube (10) mit Bezug auf deren Mittellängsachse axial durch das Loch (36) im Flansch (20) hindurchführbar ist und durch eine vor dem Spannen zwischen Kopf (24) und Flansch (20) eingeführte, mit einem am Ende offenen Langloch (40) ausgebildete Unterlegscheibe (38) gehalten ist.”
Die Figuren 1 bis 7 der Klagepatentschrift stellen Ausführungsbeispiele der Erfindung dar. Figur 1 zeigt in Seitenansicht und teilweise im Schnitt eine Rohrschelle mit einem so großen Loch in einem Flansch, daß der Kopf der Spannschraube axial hindurchgeführt werden kann. Figuren 2 und 3 zeigen Längsschnitt und Seitenansicht einer mit einem einseitig offenen Langloch ausgebildete Unterlegscheibe zur Verwendung bei der Rohrschelle nach Figur 1, Figur 4 eine Draufsicht auf den Flansch mit Durchsteckloch der Rohrschelle nach Figur 1, Figur 5 eine Draufsicht auf die Unterlegscheibe nach Figuren 2 und 3 und Figuren 6 und 7 ein weiteres Ausführungsbeispiel einer Unterlegscheibe im Längsschnitt und in Draufsicht.
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Die Beklagte zu 1 vertreibt Rohrschellen, die sie mit einem Prospekt gemäß Anlage K 2 beworben hat. Für diese ist ihrer Lieferantin, der T. GmbH, N., unter Berücksichtigung des Klagepatents im Jahre 1993 das europäische Patent 0 471 989 erteilt worden. Bei dieser Rohrschelle kann eine auf der einen Seite der Öffnung mit ihrem Fuß gelagerte Spannschraube – wie nach der Lehre des Klagepatents – mit ihrem Kopf durch ein Loch im gegenüberliegenden Flansch hindurchgesteckt werden. Sie kann dort durch eine mit einem offenen Langloch versehene Platte festgehalten werden, die bei hinreichendem Abstand zwischen Schraubenkopf und Flansch in diesen Zwischenraum hinein schwenken kann. Folgende Abbildung verdeutlicht die Rohrschelle der Beklagten zu 1.
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Die Beklagte zu 1 und ihre Muttergesellschaft haben jeweils Nichtigkeitsklagen gegen das Klagepatent erhoben. Das Bundespatentgericht hat die Klagen abgewiesen. In der Berufungsinstanz (X ZR 8/94) ist die Klage der Muttergesellschaft zurückgenommen worden.
Die Klägerin hat die H. F. wegen Verletzung des Klagepatents vor dem Tribunal de Grande Instance de Paris in Anspruch genommen (R.G. 4669/94). Dieses hat durch Urteil vom 14. Januar 1998 die Gültigkeit des Klagepatents festgestellt und die Verletzungsklage abgewiesen. Das Klagepatent war ferner Gegenstand eines Nichtigkeits- und Verletzungsverfahrens der H. AG L. gegen den Patentinhaber F. M. vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich. Das Kantonsgericht hat durch Teilurteil vom 7. April 1997 die Nichtigkeitsklage abgewiesen und auf die Widerklage festgestellt, daß H. AG die Rechte des Patentinhabers aus dem Klagepatent verletzt (U/O/HG 920 584). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der H. AG hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich durch Beschluß vom 29. Mai 1998 (97/230 Z) das angefochtene Teilurteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Hinsichtlich des Verletzungsverfahrens wurde Berufung zum Bundesgericht in Lausanne eingelegt.
Die Klägerin hat die Beklagte wegen Patentverletzung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sachverständig beraten das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I. 1. Die Erfindung betrifft eine Rohrschelle, die aus einem ringförmigen Bügel mit wenigstens einer Öffnung besteht, die durch eine Spannschraube geschlossen werden kann (Sp. 1 Z. 4 ff. der Klagepatentschrift).
Rohrschellen dieser Art waren am Prioritätstag des Klagepatents bekannt. Nach der Klagepatentschrift (Sp. 1 Z. 13-33) ist beispielsweise eine solche Rohrschelle in der deutschen Offenlegungsschrift 33 08 459 beschrieben. Die Figuren 1 und 2 verdeutlichen ein Ausführungsbeispiel dieser Rohrschelle.
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Die Klagepatentschrift würdigt diese Rohrschelle dahin, bei ihr sei ein Langloch im Flansch mit Bezug auf die Mittellängsachse der Rohrschelle radial innen offen. Der Kopf der Spannschraube werde beim Einhaken durch ein ausreichend großes Loch im Bügel hindurchgeführt, welches in das Langloch übergehe. Als nachteilig wird angesehen, daß die zum Einhaken notwendige Beweglichkeit der Spannschraube viel Spiel zwischen Rohr und Rohrschelle erfordere, so daß deren Öffnung sehr weit sein müsse; dies bedinge eine lange Spannschraube und entsprechend lange Montagezeiten; außerdem könnten die im fertig montierten Zustand weit von der geschlossenen Rohrschelle abstehenden Schrauben störend oder gefährlich sein.
Die Klagepatentschrift befaßt sich weiter mit der aus der deutschen Offenlegungsschrift 33 46 423 bekannten Rohrschelle (Sp. 1 Z. 34-54), die in den Figuren 1, 3 und 4 dieser Druckschrift verdeutlicht ist.
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Bei dieser Rohrschelle wird der Schraubenkopf nicht durch ein Loch hindurchgeführt, sondern außen um den Flansch geschwenkt. Von ihr heißt es in der Klagepatentschrift, der Fuß der Spannschraube sei in eine scheibenförmige Mutter eingeschraubt. Diese sei an dem Bügel der Rohrschelle derart schwenkbar gelagert, daß der Schraubenkopf von dem Bügel weg nach außen verschwenkt werden könne, um von dort aus in ein radial außen offenes Langloch in einem Flansch auf der anderen Seite der Öffnung der Rohrschelle eingehakt zu werden. Als nachteilig wird angesehen, daß diese Rohrschelle nur gering belastbar sei, weil bei Verformung das Kopfende der Spannschraube aus dem radial außen offenen Langloch herausrutsche. Auch bei ihr müsse die Spannschraube verhältnismäßig lang sein. Werde der Schraubenkopf gemäß der deutschen Offenlegungsschrift 34 36 710 durch ein größeres Loch im Bügel radial von innen in das Langloch eingeschwenkt, sei der Übergang vom Bügel zum Langloch geschwächt. Auch hierbei brauche man eine verhältnismäßig lange Schraube.
2. Hiervon ausgehend wird als Aufgabe bezeichnet, eine Rohrschelle der bekannten Art zur Verfügung stellen, „die sich auch mit einer sehr kurzen Spannschraube gut handhaben und leicht schließen läßt” (Z. 1 Sp. 56-57).
Hierzu schlägt Anspruch 1 des Klagepatents eine Rohrschelle der als vorbekannt beschriebenen Art vor, bei der der Kopf der Spannschraube mit Bezug auf deren Mittellängsachse axial durch das Loch im Flansch hindurchführbar ist und durch eine vor dem Spannen zwischen Kopf und Flansch eingeführte, mit einem am einen Ende offenen Langloch ausgebildete Unterlegscheibe gehalten ist.
Im einzelnen besteht die Lösung in einer Kombination der folgenden Merkmale:
1. Die Rohrschelle besteht aus
- a) einem ringförmigen Bügel (12)
- b) mit wenigstens einer Öffnung,
- c) die durch eine Spannschraube (10) schließbar ist.
- 2. Der Fuß der Spannschraube (10) ist auf der einen Seite der Öffnung mit Gewindeeingriff gelagert.
3. Der Kopf (24) der Spannschraube (10) ist
a) auf der anderen Seite der Öffnung durch ein Loch (36) in einem am Bügel (12) angebrachten Flansch (20) hindurchführbar, und zwar
- aa) mit Bezug auf deren Mittelachse axial,
b) und dort durch eine Unterlegscheibe (38) gehalten,
- aa) die mit einem an einem Ende offenen Langloch (40) ausgebildet ist und
- bb) die vor dem Spannen zwischen Kopf (24) und Flansch (20) eingeführt ist.
Beim Schließen dieser Rohrschelle wird die Spannschraube axial zu ihrer Mittellängsachse bewegt. Ihr Kopf kann daher auf kürzestem Weg durch das Loch im Gegenflansch hindurchgeführt werden. Zur Festlegung des Schraubenkopfes wird eine Unterlegscheibe als besonderes Haltemittel eingesetzt, die mit einem an einem Ende offenen Langloch ausgebildet ist. Ist sie eingeführt, kann bereits mit wenigen Umdrehungen über die kurze Spannschraube das sich dem Schließen und Festlegen nachfolgende Verspannen von Rohr und Rohrschelle erfolgen. Da es keiner Verschwenkbewegung der Spannschraube bedarf, vielmehr nur ein axiales Durchstecken durch den Gegenflansch erforderlich ist, kann eine Schelle gewählt werden, die bis auf geringes Spiel (Sp. 2 Z. 3) sogleich an dem Rohr anliegt, und ferner eine so kurze Spannschraube, deren Schaft gerade ausreicht, den sich ergebenden Öffnungsspalt zu überbrücken (Sp. 2 Z. 3-6).
II. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterliegt die Auslegung des Klagepatents durch den Tatrichter der vollen Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Das Revisionsgericht ist an die Auslegung des Berufungsgerichts nicht gebunden; vielmehr kann es das Klagepatent selbst auslegen (u.a. Sen.Urt. v. 22.3.1983 - X ZR 9/82, GRUR 1983, 497, 498 - Absetzvorrichtung; Urt. v. 26.9.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116, 117 - Prospekthalter m.w.N.). Die Grundlagen der Auslegung liegen allerdings im Bereich der Tatsachenfeststellung des Tatrichters, die gemäß § 561 Abs. 2 ZPO für das Revisionsgericht bindend sind, falls insoweit keine zulässigen und begründeten Revisionsangriffe erhoben worden sind. In den Tatsachenbereich gehört es, wenn im Rahmen der Ermittlung des in der Patentschrift offenbarten Erfindungsgegenstandes festgestellt wird, wie der Durchschnittsfachmann die in den Patentansprüchen verwendeten Begriffe unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen versteht und welche konkreten Vorstellungen er mit ihnen und mit dem geschilderten Erfindungsgedanken verbindet (u.a. Sen.Urt. v. 20.12.1979 - X ZR 85/78, GRUR 1980, 280, 281 - Rolladenleiste; Urt. v. 22.3.1983 - X ZR 9/82, GRUR 1983, 497, 498 - Absetzvorrichtung; Urt. v. 26.9.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter; vgl. auch Urt. v. 5.6.1997 - X ZR 73/95, NJW 1997, 3377 - Weichvorrichtung II).
III. 1. Das Berufungsgericht hat, zu dem – einzigen streitigen – Merkmal 3 b) bb) des Patentanspruchs 1 des Klagepatents im wesentlichen ausgeführt: Das Verständnis des Fachmanns werde davon geprägt, was mit dem Merkmal der „eingeführten Unterlegscheibe” erreicht werden solle. Der Fachmann erkenne, daß man derartige Rohrschellen nur dann mit minimal kurzen Schrauben ausstatten könne und daß nur dann minimale Drehwege zum Anziehen der Schrauben benötigt würden, wenn nach dem Hindurchführen des Schraubenkopfes durch das Loch des Flansches die Unterlegscheibe auf einer Bahn zwischen den Ebenen in Spannposition geführt werde, welche durch die Flanschfläche und die Schraubenkopfspannfläche gebildet werden. Das werde durch die Ausführungsbeispiele in der Klagepatentschrift und deren Beschreibung in Sp. 2 Z. 40-45 bestätigt.
2. Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe das Merkmal 3 b) bb) fehlerhaft in dem Sinne gedeutet, daß die Unterlegscheibe geradlinig (translatorisch) und nicht auf einer Kreisbahn in die Spannposition gebracht werde. Es habe hierdurch dem Merkmal einen Sinn beigemessen, als ob dieses laute, „vor dem Spannen zwischen Kopf (24) und Flansch (20) geradlinig längs einer Flanschfläche (20 a) eingeführt”. Damit habe das Berufungsgericht den Hauptanspruch des Klagepatents unter seinen Wortlaut eingeschränkt. Diese Interpretation lasse die zur Auslegung von Patentschriften entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung außer acht und übergehe wesentliches Vorbringen der Klägerin (Verletzung der §§ 286 ZPO, 14 PatG).
Dies folge bereits aus dem Wortlaut des Merkmals 3 b) bb), wonach es nicht auf die Art und Weise, wie die Unterlegscheibe „eingeführt” werde, ankomme, sondern auf den Zustand, der durch das „Einführen” bewirkt worden sei, also auf die Position, welche die Unterlegscheibe einnehme, bevor mit dem Spannvorgang begonnen werden könne; denn der Wortlaut des Anspruchsmerkmals bediene sich der Perfektform, wodurch nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Zustand beschrieben werde. Bestätigt werde diese Auslegung durch den unterschiedlichen Wortlaut der Patentansprüche 1 und 3. Auf Bewegungen der Unterlegscheibe stelle erst der Unteranspruch 3 ab. Auch aus den von der Klägerin zitierten und in Auszügen vorgelegten technischen Wörterbüchern, Patentschriften und Gebrauchsmusterunterlagen (Anlagen F 10-F 12/13) sowie den überreichten Privatgutachten (Anlagen F 7 S. 16, F 8 S. 11-13) folge, daß unter dem Begriff „Einführen” keine an eine bestimmte Richtung gebundene Bewegung zu verstehen sei. Aus der Klagepatentschrift ergebe sich kein Hinweis, daß der Begriff „eingeführt” abweichend vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch interpretiert werden könne. Auch das Berufungsgericht und der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. K. hätten ihr rechtlich erhebliche Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis nicht entnehmen können. Das Berufungsgericht habe es versäumt, zur Auslegung des Hauptanspruchs des europäischen Klagepatents dessen französische und englische Anspruchsfassungen zum Vergleich heranzuziehen. Die in diesen verwendeten parallelen Begriffe „mise en place” und „is inserted” seien im Sinne von „Anordnen zwischen oder in” zu verstehen; sie hätten keinen auf eine bestimmte Bewegungsrichtung hindeutenden Bedeutungsinhalt. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. K. habe den ihm erteilten Auftrag mißverstanden. Er habe sich nicht darauf beschränkt, den Aussagegehalt des Hauptanspruchs des Klagepatents in seiner erteilten Fassung zu ermitteln, sondern habe sich bemüht darzulegen, mit welcher Auslegung das Klagepatent schutzwürdig sei.
3. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht von den Grundsätzen aus, die der Senat in ständiger Rechtsprechung zur Auslegung eines europäischen Patents entwickelt hat. Nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Inhalt bedeutet nicht Wortlaut, sondern Sinngehalt. Maßgebend ist der Offenbarungsgehalt der Patentansprüche und ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat. Dies ergibt sich aus dem Protokoll über die Auslegung des Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II, 1000). Danach dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der Erfindung (st. Rspr. des Sen. BGHZ 105, 1 - Ionenanalyse; BGHZ 133, 1 - Autowaschvorrichtung; vgl. auch zu § 14 PatG: BGHZ 98, 12 - Formstein). Für die Beurteilung entscheidend ist dabei die Sicht des in dem jeweiligen Fachgebiet tätigen Fachmanns. Begriffe in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425, 426 - Bierklärmittel; Urt. v. 26.9.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116, 117 f. - Prospekthalter; Urt. v. 29.4.1997 - X ZR 101/93, GRUR 1998, 133, 134 - Kunststoffaufbereitung).
Aus der Sicht des fachkundigen Lesers wird durch das streitige Merkmal 3 b) bb) des Anspruchs 1 des Klagepatents dem Wortlaut nach nur Schutz für eine Unterlegscheibe begehrt, die vor dem Spannen zwischen Schraubenkopf und Flansch eingeführt ist. Auf welche Weise die Unterlegscheibe in die Spannposition gebracht wird, erschließt sich aus dem Wortlaut nicht. Um den Sinngehalt und die Bedeutung dieses Merkmals verstehen zu können, wird der Fachmann zu ermitteln suchen, was mit dem streitigen Merkmal im Hinblick auf die Erfindung erreicht werden soll. Das Verständnis des Fachmanns wird sich deshalb entscheidend an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck des einzelnen Merkmals orientieren (Benkard/Ullmann, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 13 PatG Rdn. 72). Dabei wird der Fachmann nicht nur den Wortlaut aller Patentansprüche, sondern den gesamten Inhalt der Klagepatentschrift zu Rate ziehen. Belehrt der Stand der Technik ihn darüber, daß eine Auslegung in dieser oder jener Richtung nicht in Betracht kommen kann, etwa deshalb, weil die betreffende Vorrichtung nicht ausführbar erscheint, so wird er diese Auslegungsmöglichkeit verwerfen, auch wenn sie nach dem Wortlaut an sich in Betracht käme. Bei solcher Sachlage ist die durch das Patent gekennzeichnete Lehre auf die verbleibende Ausführung beschränkt, die der dem Durchschnittsfachmann bekannte Stand der Technik als ausführbar zuläßt und die der Fachmann allein in Betracht zieht. Der Inhalt einer Patentschrift kann daher den Offenbarungsgehalt eines Patents begrenzen, wenn der Fachmann der Gesamtheit der Patentschrift eine engere Lehre entnimmt, als diejenige, die der Wortlaut eines Merkmals zu vermitteln scheint (vgl. Benkard/Ullmann, aaO, § 14 PatG Rdn. 67).
b) Dem entsprechend hat das Berufungsgericht, sachverständig beraten, den Sinngehalt des Patentanspruchs 1 des Klagepatents ermittelt. Es hat dabei festgestellt, wie der durch die Klagepatentschrift angesprochene Fachmann den Begriff „eingeführte Unterlegscheibe” im Patentanspruch 1 des Klagepatents unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen versteht. Nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts wird der Fachmann aufgrund der ihm in der Klagepatentschrift vermittelten Kenntnisse über den Stand der Technik und des mit der Erfindung zu lösenden technischen Problems erkennen, daß die im Stand der Technik benutzten langen Schrauben und Schraubwege Folgen der ungünstigen Bewegung zwischen Spannschraubenkopf und Spannflansch sind und nicht Folge des „Eingeführtseins”. Er wird ferner erkennen, daß bei der einen Lösung des Standes der Technik deshalb lange Schrauben erforderlich sind, weil der Schraubenkopf auf einer Kreisbahn mit Drehmittelpunkt nahe der Flansche in Spannposition bewegt wird, während bei der anderen Lösung nach dem Stand der Technik die langen Schrauben dadurch bedingt sind, daß Schraubenkopf und Flanschfläche auf einer angenähert zykloiden- oder evolventenförmigen Bahn zueinander in Spannposition gebracht werden. Durch diese Erkenntnisse wird der Fachmann davon abgehalten, die Lehre des Merkmals 3 b) bb) im Sinne der Revision dahin zu verstehen, daß es nur auf das „Eingeführtsein” ankommt. Vielmehr wird er diese Lehre dahin deuten, daß sie sich darauf bezieht, auf welchem Weg bzw. mit welcher Bewegungsform die Unterlegscheibe in Spannposition gebracht wird. Dabei wird er zu dem Ergebnis gelangen, daß mit dem „Einführen” gemeint ist, die Unterlegscheibe (38) geradlinig, längs einer Flanschfläche (20 a) zwischen den Flansch (20) und den Schraubenkopf (24) in die Spannposition einzuschieben. Dieser aufgrund funktionaler Betrachtungsweise ermittelte, so vom Berufungsgericht tatrichterlich festgestellte und für das Revisionsverfahren hinzunehmende Sinngehalt bedeutet keine Beschränkung unter den Wortlaut, sondern eine Auslegung gemäß dem Wortlaut, wie er vom Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Klagepatentschrift sinnvoll verstanden werden muß.
c) Die Revision kann dem nicht entgegenhalten, aus dem Wortlaut des Merkmals 3 b) bb), insbesondere die Perfektform des Merkmals, folge, daß es nicht auf die Bewegung des Einführens der Unterlegscheibe, sondern auf den Zustand ankomme, der durch das „Einführen” bewirkt worden sei; das ergebe sich auch aus den zitierten technischen Wörterbüchern und Schriften sowie aus den überreichten Privatgutachten. Ob im allgemeinen technischen Sprachgebrauch das Wort „eingeführt” in diesem Sinne verstanden wird, kann dahinstehen. Der Senat hat wiederholt zum früheren Recht ausgeführt, daß für die Auslegung eines Patents nicht am Wortlaut zu haften ist, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen ist, den der Inhalt der Patentschrift dem Durchschnittsfachmann vermittelt. Der Patentanspruch ist nicht wörtlich in philologischer Betrachtung, sondern seinem technischen Sinn nach aufzufassen, das heißt der Erfindungsgedanke muß unter Ermittlung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich aus dem Patent ergeben, bestimmt werden. Der Senat hat daher die rein sprachliche Ausdeutung eines in der Patentschrift verwendeten Begriffs abgelehnt und auf den technischen Sinn der in der Patentschrift benutzten Worte und Begriffe abgestellt (Urt. v. 30.6.1964 - X ZR 109/63, GRUR 1964, 612, 615 - Bierabfüllung; Urt. v. 12.11.1974 - X ZR 76/68, GRUR 1975, 422, 424 - Streckwalze II; vgl. auch für das Einspruchsverfahren Sen.Beschl. v. 17.1.1995 - X ZB 15/93, GRUR 1995, 330, 332 - Elektrische Steckverbindung). Dies gilt auch für die Auslegung eines europäischen Patents. Entscheidend ist deshalb nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Begriffsabstimmung, sondern die Auffassung des praktischen Fachmanns, so wie ein unbefangener, technisch geschulter Leser die in der Patentschrift verwendeten Begriffe versteht. Diese Auffassung wird, soweit ersichtlich, auch im europäischen Ausland geteilt (vgl. EPA GRUR Int. 1994, 59, 60, 61 - Waschmittel/UNILEVER, m.w.N.; House of Lords GRUR Int. 1982, 136 - Stahlträger II; Court of Appeal R.P.C. 1997, 737, 752).
Da das Berufungsgericht mit Hilfe des gerichtlichen Sachverständigen das Verständnis des Fachmanns vom Inhalt des Merkmals 3 b) bb) ermittelt hat, verbietet sich – von diesem Ansatz aus – auch der Rückgriff der Revision auf den allgemeinen Sprachgebrauch. Zwar können der allgemeine Sprachgebrauch wie auch der allgemeine technische Sprachgebrauch Anhaltspunkte für das Verständnis des Fachmanns geben. Auch wird der allgemeine Sprachgebrauch den Fachmann veranlassen, gegebenenfalls weitere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Allerdings wird stets zu berücksichtigen sein, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, daß Patentschriften im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellen, die Begriffe abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch benutzt werden können und daß letztlich nur der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgeblich ist. Deshalb wird für einen Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch um so weniger Raum sein, desto eindeutiger der Wortlaut des Merkmals und seine Bestimmung aus dem Inhalt der Patentschrift erscheint.
Das Berufungsgericht hat sich auch mit der Frage der Begriffsbestimmung nach dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch und insbesondere mit den von der Klägerin als Anlagen 7 und 8 eingereichten Gutachten befaßt und auseinandergesetzt. Es hat die darin vertretene Auffassung, der Fachmann verstehe den Patentanspruch 1 dahin, daß es für die Erfindung allein wesentlich sei, die Schließsicherung durch ein drittes, bei den Rohrschellen der bekannten Art nicht vorhandenes Element, nämlich die Unterlegscheibe, zu erzielen, ausdrücklich und überzeugend verworfen.
d) Eine andere Beurteilung ist auch nicht durch das von der Klägerin vorgelegte Teil-Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 7. April 1997 (U/O/HG 920 584) geboten. Die von der Revision in Bezug genommenen Stellen auf den Seiten 20 bis 23, 39 und 40 stützen ihre Auffassung nicht. Die Seiten 20 bis 23 betreffen im Rahmen der Nichtigkeitsklage die Stellungnahme der dortigen Klägerin (H. AG L.) zum Fachrichtervotum und die Frage, ob das Merkmal „Einführen” – einschränkend – nur im Sinne eines „Einschiebens” verstanden werden kann. Auf den Seiten 39 und 40 wird im Rahmen der Entscheidung über die Verletzungsfrage das Fachrichtervotum referiert, in dem die unzutreffende Auffassung vertreten wird, „die sehr kurze Schraube” sei „eine unnötige und unbestimmte Angabe, die dementsprechend auch nicht eine Aufnahme der Merkmale des Anspruchs 3 in den Patentanspruch 1 notwendig” mache.
e) Nicht durchdringen kann die Revision mit der Rüge, das Berufungsgericht habe bei der Auslegung des europäischen Klagepatents dessen englische und französische Fassung berücksichtigen müssen. Nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ stellt der Wortlaut eines europäischen Patents in der Verfahrenssprache (hier Deutsch) in jedem Vertragsstaat die verbindliche Fassung dar. Der Wortlaut der Patentansprüche in den anderen Amtssprachen des Europäischen Patentamts ist demgegenüber ohne Gewicht. Er läßt lediglich Rückschlüsse darauf zu, wie der Übersetzer den Wortlaut in der Verfahrenssprache verstanden hat.
f) Die Ausführungen des Berufungsgerichts werden auch nicht durch die Annahme der Revision in Frage gestellt, der Sachverständige Prof. Dr. K. habe den ihm erteilten Auftrag mißverstanden; er habe seinen Ausführungen nicht den Offenbarungsgehalt des Patentanspruchs 1 des Klagepatents in seiner erteilten Fassung zugrunde gelegt, sondern sich bemüht, für das Klagepatent eine Auslegung zu finden, die sich nach seiner Auffassung vom vorbekannten Stand der Technik soweit abhebt, daß sie schutzwürdig ist.
Zur richtigen Beurteilung des Gegenstandes des Klagepatents können auch Überlegungen beitragen, für welche Rohrschellen mit dem Klagepatent kein Schutz beansprucht wird. Aus dem Stand der Technik hat der gerichtliche Sachverständige entnommen, daß das Klagepatent jedenfalls eine im Stand der Technik bekannte Lösung mit kreisförmigen Bewegungsabläufen nicht einschließt, die nicht zu einer Rohrschelle mit sehr kurzen Schrauben und Spannwegen führt.
Im übrigen hat der im Nichtigkeitsverfahren tätige Sachverständige Prof. Dr. S. Merkmal 3 b) bb), das Einführen der Unterlegscheibe zwischen Kopf (24) und Flansch (20) vor dem Spannen, im gleichen Sinne verstanden hat wie der Sachverständige Prof. Dr. K.. Das räumt auch die Revision ein. Auch Prof. Dr. S. hat davon gesprochen, daß die Unterlegscheibe „in radialer Richtung zum Rohr zwischen Kopf (24) der Schraube (10) und dem Flansch (20) geschoben werde”. Allerdings meint die Revision, hieraus könne nicht geschlossen werden, daß Prof. Dr. S. die einschränkende Auslegung durch das Berufungsgericht gebilligt hätte. Wesentlich sei für ihn an der Lehre des Klagepatents gewesen, daß zum Fixieren der Lagezuordnung „lediglich ein nahezu kraftfreies Einschieben der Unterlegscheibe (38) zwischen Schraubenkopf (24) und dem Flansch (20) erforderlich” ist. Wäre Prof. Dr. S. der Auffassung gewesen, daß die Lehre des Klagepatents sich vom Stand der Technik nur erfinderisch abhebe, wenn die Unterlegscheibe, wie im Ausführungsbeispiel gezeigt, parallel zum Flansch eingeschoben werde, hätte er vorgeschlagen, das Klagepatent auf den im Ausführungsbeispiel beschriebenen Anwendungsfall zu beschränken. Diese Überlegungen der Revision sind spekulativ.
IV. Das Berufungsgericht hat die Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Rohrschelle verneint, weil diese weder dem Wortlaut nach noch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln von der Lehre des Patentanspruchs 1 Gebrauch mache.
1. Zu der Gestaltung und Arbeitsweise der angegriffenen Rohrschelle (Anlage K 2) hat das Berufungsgericht folgendes festgestellt: Die von der Beklagten zu 1 als Fangplatte bezeichnete Unterlegscheibe sei in einer Ausnehmung im Verriegelungsflansch drehbar gelagert und werde mittels eines elastischen Gliedes gegen den Verriegelungsflansch gedrückt. Wenn die Rohrschelle geschlossen werden solle, werde die Bügelhälfte, an der sich die Fangplatte befindet, in Richtung auf die andere Bügelhälfte gedrückt, so daß der Kopf der Schraube durch die Durchlaßöffnung des Verriegelungsflansches hindurchgeschoben werde. Dabei werde die Fangplatte gegen die Kraft des elastischen Gliedes vom Verriegelungsflansch weggeschwenkt. Sobald sie den Schraubenkopf passiert habe, springe sie wie ein Schnappverschluß zwischen den Schraubenkopf und den Flansch, wobei sie eine Schwenkbewegung mache. Anschließend könne die Spannschraube angezogen werden.
Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.
2. Das Berufungsgericht hat sodann eine wortlautgemäße Verwirklichung des zwischen den Parteien streitigen Merkmals 3 b) bb) verneint. Es hat dazu ausgeführt: Bei der angegriffenen Ausführungsform werde die Fangplatte (Unterlegscheibe) vor dem Spannen nicht im Sinne des streitigen Merkmals geradlinig zwischen Kopf und Flansch „eingeführt”. Vielmehr werde die Fangplatte auf einer Kreisbahn, deren Drehpunkt in der Nähe eines Rohrschellenflansches liege, in Spannposition gebracht. Damit verzichte die angegriffene Ausführungsform auf den Nutzen der Lehre des Merkmals 3 b) bb) und bediene sich hinsichtlich der Bewegungsform von Schraubenkopf und Spannfläche eines Rohrschellenflansches der aus dem Stand der Technik bekannten kreisförmigen Bewegungsform, die mit der im Merkmal 3 b) bb) angesprochenen „Einführung” der Unterlegscheibe zwischen Kopf und Flansch nicht gemeint sei.
Die hiergegen vorgebrachten Rügen der Revision haben keinen Erfolg.
Zwar trifft es zu, daß wie bei der geschützten Vorrichtung auch bei der angegriffenen Rohrschelle das Langloch der Unterlegscheibe am Schaft der Spannschraube entlanggleitet und das Herausrutschen des Kopfes der Spannschraube aus dem Loch des Flansches verhindert, durch das der Kopf hindurchgesteckt worden ist. Auch bei der angegriffenen Rohrschelle liegt die Fangplatte (Unterlegscheibe) dem Flansch parallel und bündig in radialer Richtung zum Rohr an, wenn mit dem Spannvorgang begonnen wird. Hierauf kommt es aber, wie das Berufungsgericht fehlerfrei festgestellt hat, nicht an. Maßgebend ist, daß im Unterschied zur Lehre des Klagepatents bei der angegriffenen Vorrichtung die Fangplatte auf einer Kreisbahn in Spannposition gebracht wird und durch diese Bewegungsform gerade auf die Vorteile verzichtet, die mit dem Einführen der Unterlegscheibe im Sinne des Merkmals 3 b) bb) bezweckt sind.
3. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die angegriffene Rohrschelle der patentgemäßen Lösung auch nicht patentrechtlich äquivalent, weil die von der Klägerin beanspruchten Mittel den patentgemäßen in der technischen Funktion nicht entsprächen und mit ihnen nicht im wesentlichen gleichwirkend seien. Mit der bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten Bewegung, mit der die Fangplatte auf einer Kreisbahn in die Spannposition gebracht werde, sei das mit dem Merkmal 3 b) bb) angestrebte Ziel, sehr kurze Schrauben und sehr kurze Spannwege einzusetzen, nicht zu erreichen.
Die Revision macht demgegenüber geltend, das Berufungsgericht habe auch prüfen müssen, ob die Verletzungsform der geschützten Vorrichtung unter dem Gesichtspunkt der „verschlechterten Ausführung” patentrechtlich äquivalent sei, wozu es nach der Rechtsprechung genüge, daß die angegriffene Ausführungsform die Vorteile der Erfindung in einem praktisch erheblichen Maße erreiche. Das sei auch hier der Fall, wenn man entgegen der Meinung des Berufungsgerichts davon ausgehe, daß die erfinderische Leistung des Klagepatents sich nicht auf das Ziel beschränke, eine mit möglichst kurzen Spannschrauben verwendbare Rohrschelle zur Verfügung zu stellen, sondern darin liege, eine einfache und schnelle Lagezuordnung der ringförmigen Bügel zu schaffen, ein einfaches Fixieren der Lagezuordnung der Flansche zu gewährleisten, ein rasches und sicheres Spannen der Verbindung und damit eine insgesamt einfache, sichere, schnelle und wirtschaftliche Montage zu ermöglichen. Dazu stelle die Verwendbarkeit sehr kurzer Spannschrauben nur einen von mehreren Teilaspekten der Lösung dar. Auch insoweit werde immerhin erreicht, daß die Spannschrauben und Spannwege gegenüber dem Stand der Technik verkürzt seien. Auch bei der angegriffenen Ausführungsform würden Spannschrauben mit einer gefährlichen oder störenden Länge vermieden.
Auch hiermit hat die Revision keinen Erfolg. Die Überlegungen der Revision beruhen auf einem unzutreffenden Verständnis des Klagepatents. Wie bereits vorstehend ausgeführt und im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei festgestellt wurde, steht die Verkürzung der Spannschrauben und Spannwege eindeutig im Vordergrund der Lehre des Klagepatents. Sie ist nicht lediglich eine von mehreren in etwa gleichgewichtigen Teilaspekten, wie die Revision meint. Die Lehre des Klagepatents beschränkt sich auch nicht auf eine „gewisse Verkürzung” in völlig unbestimmter Größenordnung. Sie will vielmehr ganz betont die Verwendung „sehr kurzer” Schrauben ermöglichen, die mit „wenigen Umdrehungen” gespannt werden können (Sp. 1 Z. 54; Sp. 2 Z. 7-9). Gerade dies wird bei der angegriffenen Ausführungsform nicht erreicht, wie auch die Revision nicht verkennt. Das angefochtene Urteil stellt insoweit fest, daß die Spannschrauben und Spannwege bei der angegriffenen Ausführungsform nur geringfügig kürzer sind als bei dem in der Patentschrift gewürdigten Stand der Technik. Die Spannschrauben der angegriffenen Form müssen zumindest so lang sein, daß ihr Kopf die Fangplatte gegen die Kraft des elastischen Gliedes anheben und solange an ihr entlang gleiten kann, bis der Kopf das offene Ende des Langlochs passiert hat und damit ein Zurückschnappen der Fangplatte hinter dem Schraubenkopf ermöglicht. Es kann daher keine Rede davon sein, daß das der geschützten Erfindung zugrundeliegende Problem, sehr kurze Spannschrauben und sehr kurze Spannwege vorzusehen, bei der angegriffenen Form noch in einem praktisch erheblichen Maße gelöst wird. Damit fehlt eine entscheidende Voraussetzung für die Annahme einer Patentverletzung durch äquivalente Mittel. Nach den Grundsätzen, die der Senat zum alten Recht herausgebildet hat, liegt Äquivalenz im patentrechtlichen Sinne nur dann vor, wenn bei den sich gegenüberstehenden Ausführungsformem Aufgabe und technischer Erfolg gleich, die zur Lösung der Aufgabe und damit zur Erzielung des gleichen Erfolges verwendeten Mittel aber verschieden sind. Erforderlich ist demnach, daß das Ersatzmittel, welches bei der angegriffenen Ausführungsform anstelle des im Patent ausdrücklich empfohlenen Mittels benutzt wird, zur Erfüllung der im Patent gestellten konkreten Aufgabe dient und den vom Patent angestrebten Erfolg – zumindest im wesentlichen – erreicht (BGH, Urt. v. 14.7.1966 - Ib ZR 79/64, GRUR 1967, 84, 85 - Christbaumbehang II; Sen.Urt. v. 29.4.1997 - X ZR 101/93, GRUR 1998, 133, 135 - Kunststoffaufbereitung; vgl. dazu auch ÖOGH, Urt. v. 3.4.1984, GRUR Int. 1985, 766, 767; Benkard/Ullmann, aaO, § 14 Rdn. 130, 149). Diese Grundsätze gelten auch für die Bemessung des Schutzbereichs eines europäischen Patents. Sie entsprechen dem in der englischen Rechtsprechung im Rahmen der sog. „Catnic”-Fragen entwickelten und auch auf den Schutzbereich europäischer Patente angewendeten Grundsatz, daß Abwandlungen außerhalb des Schutzbereichs eines Patents liegen, wenn sie wesentliche Auswirkungen auf die Funktionsweise einer Erfindung haben (vgl. Court of Appeal v. 16.6.1995 in Sachen K. v. R., GRUR Int. 1997, 374 - Zigarettenblättchen). Der Schutzbereich eines europäischen Patents kann daher nicht auf Ausführungsformen erstreckt werden, die Ersatzmittel verwenden, die völlig oder bis zu einem praktisch nicht mehr erheblichen Umfang auf den mit dem Patent erstrebten Erfolg verzichten.
V. Nach alledem ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Keukenschrijver
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 02.03.1999 durch Schanz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539445 |
NJW-RR 2000, 259 |
GRUR 1999, 909 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1999, 1215 |
RIW 1999, 703 |
Mitt. 1999, 304 |