Leitsatz (amtlich)
I. Läßt der Kläger einen ursprünglich von ihm gestellten Hilfsantrag fallen, obwohl dieser nach seinem Verbringen sachdienlich ist und liegt nach den Umständen die Annahme nahe, daß die Zurücknahme auf einem V. ersehen beruht, so hat das Gericht nach § 139 ZPO aufzuklären, ob die Zurücknahme dem wirklichen Willen des Klägers entspricht. Entscheidet es, ohne dieser Pflicht genügt zu haben, lediglich über den Hauptantrag, so kann der Kläger seine Berufung mit der Rüge, daß § 139 ZPO verletzt sei, auch dann hinreichend begründen, wenn er im übrigen gegen die Aberkennung seines Hauptanspruches keine sachlichen Gründe vorbringt.
II. Übergibt der Verkäufer dem Käufer bei der Übergabe der Kaufsache einen Lieferschein, auf dem ein - bisher nicht vereinbarter - Eigentumsvorbehalt vermerkt ist, so kommt es nicht zu einem unbedingten Eigentumserwerb des Käufers, wenn, dieser den Vermerk tatsächlich zur Kenntnis nimmt oder wenn er in seinen Verfügungsbereich gelangt. Letzteres ist dann nicht der Fall, wenn die Aufnahme eines derartigen Vermerks in einen Lieferschein mit dessen Zweckbestimmung und praktischer Verwendung in Handelsverkehr unvereinbar, und deshalb nach der Verkehrssitte derart ungewöhnlich ist, daß der Empfänger der Ware einen solchen Vermerk darin gar nicht zu erwarten hat und deshalb den Lieferschein nicht daraufhin durchzulesen braucht, ob er einem solchen Vermerk enthält.
III. Es ist an der Rechtsprechung des Reichsgerichts festzuhalten, wonach eine rechtmäßige, d.h. mit Einwilligung des Eigentümers (§ 185 BGB) vorgenommene Veräußerung durch den Gemeinschuldner ein Ersatzaussonderungsrecht des Eigentümers nicht begründet (RG 115, 262; 133, 40; 138, 91).
Beim Verkauf unter Eigentumsvorbehalt kann jedoch, wenn nicht besondere Umstände für das Gegenteil sprechen, nicht angenommen werden, daß der Verkäufer den Willen hat, sich im voraus für den Fall eines Konkurses über das Vermögen des Vorbehaltskäufers auch mit einer Veräußerung der unter Vorbehalt gelieferten Ware durch den Konkursverwalter einverstanden zu erklären.
IV. Die bloße Vereinbarung zwischen den Kaufvertragsparteien daß der nach erfolgter Lieferung bereits zum Volleigentümer der Kaufsache gewordene Käufer in Zukunft als Vorbehaltskäufer besitzen solle, schafft zwischen ihm und dem Verkäufer kein Besitzmittlerverhältnis im Sinne des § 868 BGB (RG 49, 170; 54, 396).
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Entscheidung vom 13.11.1951) |
Tenor
Das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 13. November 1951 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 3. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin hat der Firma Ha. Handelskontor in H., Re. & Sch., laut Rechnungen, vom 12. Juli, 28. Juli, 25. August und 23. September 1949 Drahtstifte geliefert, und zwar an das Auslieferungslager der Firma Ha. in B. deren Verwalter der Kaufmann Gö. war. Die Firma Ha. ist im November 1949 in Konkurs geraten. Die Klägerin hat vorgetragen, die. Kaufverträge bezw. die Lieferungen seien unter Eigentumsvorbehalt erfolgt. Dieser Eigentumsvorbehalt ergebe sich nicht nur aus den Lieferscheinen und den Auftragsbestätigungen, sondern auch aus der Vereinbarung vom 18. Juni 1949 (Bl 14), in der die Inhaber der Firma Ha. den Eigentumsvorbehalt anerkannt hätten.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin gegenüber dem Konkursverwalter ihr Aussonderungsrecht geltend. Sie hat unter Erhöhung des ursprünglichen Klagantrags beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die von der Klägerin unter Eigentumsvorbehalt an die Firma Ha. gelieferten 16,8 t Stahldrahtstifte, die noch vorhanden sind, auszusondern und an die Klägerin herauszugeben.
Ursprünglich hatte sie weiter beantragt, hilfsweise ihr DM 8.257,56 nebst Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte hat dagegen beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat eingewendet:
1.)
Die Lieferungen seien nicht unter Eigentumsvorbehalt erfolgt. Die Rechnungen hätten keinen Vermerk über einen Eigentumsvorbehalt enthalten. Auch Auftragsbestätigungen mit einem Eigentumsvorbehalt hätte die Gemeinschuldnerin vor der Lieferung der Drahtstifte niemals, erhalten, abgesehen von einer Auftragsbestätigung im Juli 1950, die sich aber auf Kommissionsware bezogen habe. Bei den Lieferscheinen habe es sich nur um Empfangsquittungen gehandelt. Auch auf die angebliche Vereinbarung vom 18. Juni 1949 könne sich die Klägerin nicht berufen, da diese Erklärung erst im Oktober 1949 und auch nur unter Zwang unterschrieben worden sei.
2.)
Außerdem seien die gelieferten Drahtstifte aus dem B. Lager mit Lieferungen anderer Firmen vermengt worden, so daß ein Eigentumsvorbehalt, wenn er bestanden hätte, dadurch erloschen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung erhoben. Hierzu war eine Prüfung von Amts wegen geboten, weil es sich bei der Zulässigkeit der Berufung um eine Prozeßvoraussetzung handelt, von der das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung, also auch noch das Verfahren der Revisionsinstanz, in seiner Gültigkeit und Rechtmäßigkeit abhängt. Das Revisionsgericht hatte dabei den für die Frage der Zulässigkeit der Berufung maßgebenden Sachverhalt selbständig festzustellen und zu würdigen, ohne an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden oder durch den Mangel an Feststellungen im Berufungsurteil gehindert zu sein (vgl das Urteil des erkennenden Senats BGHZ 6, 369).
Die Klägerin hatte in der Berufungsbegründungsschrift zu ihrem Herausgabeanspruch ausgeführt, daß dieser nicht mehr bestehe, weil die von ihr herausverlangten Drahtstifte nach Eröffnung des Konkursverfahrens von dem verklagten Konkursverwalter veräussert worden seien. Diese Erklärung war allerdings allein nicht geeignet, als Begründung der Berufung im Sinne des § 519 Abs. 3 Ziff 2 ZPO zu dienen, zumal die Klägerin damit nicht geltend machte, daß die Veräußerung erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erfolgt sei. Daß die von ihr gelieferten Waren inzwischen vom Konkursverwalter weiterverkauft seien, war vielmehr von ihr bereits im ersten Rechtszuge (S 5 des Schriftsatzes vom 15.11.50) behauptet und auch vom Beklagten (Schriftsatz vom 20.11.50) ausdrücklich bestätigt worden. Auch die allgemeine formelhafte Bezugnahme der Klägerin auf ihr Vorbringen erster Instanz konnte nach feststehender Rechtsprechung zu einer ordnungsmäßigen Begründung ihrer Berufung nicht ausreichen (EG 144, 6; 146, 250; 159, 13; 164, 57 u. 390; BGH in NJW 51, 442).
Zweifelhaft ist auch, ob eine der gesetzlichen Vorschrift genügende Berufungsbegründung darin gefunden werden kann, daß die Klägerin geltend gemacht hat, das Landgericht habe den hilfsweise von ihr erhobenen Zahlungsanspruch übergangene Einen auf Zahlung gerichteten Antrag hatte sie nach dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils und dem Sitzungsprotokoll zuletzt nicht mehr gestellt. Das Landgericht hat daraufhin offensichtlich den früher von ihr gestellten Hilfsantrag auf Zahlung als zurückgenommen angesehen und darüber nicht erkannt, weil es insoweit die Klage als mit stillschweigender Zustimmung des Beklagten zurückgenommen betrachtete. Zu dieser Auffassung konnte es - wenn auch, wie gleich darzulegen sein wird, nur unter Verstoß gegen § 139 ZPO - kommen, sodaß die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags beseitigt war.
Gleichwohl hat die Beklagte in der Berufungsbegründung ihre Auffassung, daß sie durch die Abweisung des Herausgabeanspruchs durch ein Endurteil beschwert sei, hinreichend begründet. In der näheren Darlegung und Begründung ihrer Ansicht, daß das Berufungsgericht ihren Zahlungsanspruch übergangen habe, lag zugleich die Erklärung, daß sie jedenfalls einen solchen Anspruch habe stellen wollen und daß dieser ihr Wille aus ihrem gesamten Vorbringen erster Instanz vom Gericht hätte erkannt werden können. Damit hatte sie hilfsweise auch gerügt, daß ihr gesamtes Vorbringen dem Landgericht hätte Veranlassung geben müssen, sie zu befragen, ob ein derartiger Hilfsantrag gestellt werden solle. Liese Rüge war auch gegenüber der Abweisung des Herausgabeanspruchs durch ein Endurteil schlüssig: Hätte die Klägerin auf Grund einer entsprechenden Befragung durch den Vorsitzenden den Hilfsantrag auf Zahlung ausdrücklich gestellt, wie sie offenbar geltend machen will, so wäre es möglicherweise überhaupt nicht zur vollständigen Abweisung der Klage gekommen, weil möglicherweise der Hilfsantrag sie zum Erfolg geführt hätte. Sine derartige Verfahrensrüge würde freilich, wenn sie offenbar unbegründet und lediglich zu dem Zweck vorgebracht wäre, einen bisher nicht anhängigen oder nicht mehr anhängigen Anspruch im Wege der Berufung - in den Prozeß einzuführen, nicht als Berufungsgrund im Sinne des § 519 Abs. 3 Ziff 2 ZPO angesehen werden können. Von einer solchen mißbräuchlichen Verfahrensrüge kann jedoch in vorliegenden Fall keine Rede sein. Vielmehr ist hier die Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Landgericht offensichtlich. Der Hilfsantrag war in der Klageschrift angekündigt und in der mündlichen Verhandlung zunächst mehrfach tatsächlich gestellt worden. Durch Beschluß vom 3. Oktober 1950 (Bl 62 d.A.) hatte dann das Gericht der Klägerin aufgegeben, ihren Antrag entsprechend dem Inhalt ihrer Schriftsätze genauer zu fassen. Diese Auflage bezog sich offensichtlich nur auf den Hauptantrag, denn den Hilfsantrag genauer zu fassen, lag nach dem Inhalt dieser Schriftsätze kein Anlaß vor. Die Klägerin hat dann bei der ihr aufgegebenen Neufassung ihres Hauptantrages den Hilfsantrag fortgelassen. Die Annahme, daß das aus Versehen geschehen war, lag nach dem gesamten Sachvortrag der Klägerin, insbesondere nach, ihrer bereits erwähnten Behauptung, daß die herausverlangten Sachen inzwischen vom Konkursverwalter veräußert, seien - eine Behauptung, die überdies in demselben Schriftsatz enthalten war, der den neugefaßten Klagantrag ankündigte - außerordentlich nahe. Daß die Klägerin trotz dieser Behauptung diesen ihren Hilfsantrag absichtlich fallen ließ, war bei vernünftiger und sorgfältiger Prozeßführung völlig unverständlich. In jedem Falle mußte sich bei dieser Sachlage die Sachdienlichkeit des Hilfsantrages, durch dessen Stellung unter Umständen ein neuer Rechtsstreit vermieden werden konnte, dem Gericht geradezu aufdrängen. Es hätte deshalb die Stellung dieses Hilfsantrags anregen, jedenfalls aber klarstellen müssen, ob die Klägerin ihn bewußt fallen lassem wollte (vgl RG 169, 355 ff).
Auch in der Berufungsinstanz hat die Klägerin dann unverständlicherweise ihren Hilfsantrag wiederum nicht ausdrücklich gestellt, sondern ihr Klagebegehren formelhaft dahin gefaßt:
das Urteil des Landgerichts aufzuheben und nach den Anträgen der ersten Instanz zu erkennen.
Das Berufungsgericht hat diesen Antrag wie das Landgericht wiederum dahin verstanden, daß nur der Herausgabeantrag gestellt sei, denn es erwähnt den Hilfsantrag nur als ursprünglich (neben dem Hauptantrag auf Herausgabe) gestellt. Die Frage, ob nicht der Wortlaut des von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Antrags in Verbindung mit ihrem sonstigen Vorbringen, insbesondere mit ihren Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift, ihren Willen, auch den Hilfsantrag zu stellen, für alle Prozeßbeteiligten der Berufungsinstanz mit hinreichender Deutlichkeit erkennen ließ, hat es nicht erörtert. Auf sie würde es allerdings auch nicht ankommen, wenn, wie das Berufungsgericht annimmt, die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts nicht bewiesen wäre, weil dann nicht nur der Herausgabeanspruch, sondern auch jeglicher Ersatzaussonderungsanspruch der Klägerin ebenso wie ein Anspruch aus § 59 KO entfallen würde. Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß ein Eigentumsvorbehalt nicht bewiesen sei, beruht jedoch, wie die Revision mit Recht rügt, auf einer Verletzung des § 286 ZPO, die zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht führen mußte. Die Zurückverweisung wäre allerdings unter der Voraussetzung, daß nur über den Herausgabeanspruch der Klägerin zu befinden wäre, nicht erforderlich, wenn der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt aus anderen Gründen die Unbegründetheit dieses Anspruchs ergeben würde. Das würde der Fall sein, wenn das Eigentum an den streitigen Drahtstiften auch unter der Voraussetzung; daß es zunächst der Klägerin auf Grund eines wirksam vereinbarten Eigentumsvorbehalts verblieben war, in jedem Falle nach der Lieferung an die Gemeinschuldnerin durch Vermengung mit anderen Sachen oder durch Weiterverkauf erloschen wäre, wie es entsprechend der vom Beklagten vertretenen Auffassung das Landgericht angenommen hatte. Das Berufungsgericht hat hierzu jedoch keinerlei tatsächliche Feststellung getroffen, so daß auch das Revisionsgericht seine Entscheidung nur auf die Frage abstellen kann, ob die Feststellung des Berufungsgerichts, der Eigentumsvorbehalt sei unbewiesen, zu Recht besteht. Das ist wie gesagt zu verneinen.
Das Berufungsgericht hat zunächst nicht als bewiesen angesehen, daß der Eigentumsvorbehalt schon bei den ersten Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin mündlich vereinbart sei, wie die Klägerin behauptet und durch das Zeugnis ihrer Angestellten Klute unter Beweis gestellt hatte. Diese auf dem Gebiet der Beweiswürdigung liegende Feststellung unterliegt nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Ein Rechtsverstoß ist insoweit nicht ersichtlich und auch von der Revision nicht gerügt.
Die Klägerin hatte weiter behauptet, daß sie sämtliche Warenbestellungen der Gemeinschuldnerin jeweils durch ein Bestätigungsschreiben bestätigt habe, das u.a. den Vermerk enthalten habe: "Nicht bezahlte Sendungen bleiben bis zur restlosen Bezahlung mein Eigentum.
Die Gemeinschuldnerin habe diese Bestätigungsschreiben ohne Widerspruch angenommen und damit ihr Einverständnis zu dem Eigentumsvorbehalt bekundet.
Diese Behauptung war für die Frage, ob ein Eigentumsvorbehalt wirksam vereinbart war, durchaus erheblich. Es ist eine seit langem allgemein anerkannte Rechtsanschauung, daß im kaufmännischen Verkehr, wo Nebenpunkte vertraglicher Abmachungen vielfach mittels Bestätigungsschreiben geregelt werden, die widerspruchslose Annahme eines Bestätigungsschreibens regelmäßig als Zustimmung angesehen wird. Demgemäß wäre nach der obigen Behauptung der Klägerin ein Eigentumsvorbehalt unter den Parteien auch dann vereinbart, wenn bei ihren vorangegangenen mündlichen Verhandlungen davon nicht die Hede gewesen war. Das Berufungsgericht vermerkt jedoch zu diesem Punkt lediglich:
"Die von der Klägerin vorgelegten Auftragsbestätigungen enthalten keinen Eigentumsvorbehalt".
Dieser Satz ist nach dem Tatbestand und nach dem Akteninhalt unverständlich. Die Klägerin hatte danach 7 Abschriften solcher Bestätigungsschreiben vorgelegt, und zwar Postkarten, deren vorgedruckter Text mit dem Satz begann:
"Den mir erteilten Auftrag habe ich bestens dankend zu umstehenden Bedingungen vorgemerkt".
Diese "umstehenden Bedingungen" enthielten u.a. den obigen Vermerk über den Eigentumsvorbehalt. Nach ihrer Behauptung hatte die Klägerin auf diese von ihr vorgelegten Postkarten den wörtlichen Inhalt der einzelnen von ihr an die Gemeinschuldnerin abgesandten oder unmittelbar übergebenen Bestätigungsschreiben auf Grund von Durchschlagsabschriften übertragen. Daß auf diesen Postkarten der obige Vermerk über den Eigentumsvorbehalt vorgedruckt war, ist unter den Parteien offenbar nicht streitig gewesen. Der Beklagte hatte auch zugegeben, dass die Gemeinschuldnerin eine derartige Postkarte, die aber keine ihrer hier fraglichen Bestellungen betroffen habe, erhalten habe. Im übrigen hatte er jedoch bestritten, daß die Gemeinschuldnerin diese Auftragsbestätigungen erhalten habe, und nur darüber hatten die Parteien in diesem Punkte gestritten. Mit Recht erblickt die Revision einen Verstoß gegen § 286 ZPO darin; daß das Berufungsgericht zu der Behauptung der Klägerin, sie habe derartige Bestätigungsschreiben an die Gemeinschuldnerin abgesandt oder übergeben, in keiner Weise Stellung genommen hat. Insbesondere rügt sie mit Recht, daß das Berufungsgericht die frühere Angestellte der Gemeinschuldnerin F., die die Klägerin als Zeugin dafür benannt hatte, daß die Gemeinschuldnerin diese Schreiben auch bekommen habe, nicht vernommen hat. Dieser Beweisantritt ergibt sich zwar nicht aus dem Urteil des Berufungsgerichts, das ihn nicht erwähnt und auch keine Bezugnahme auf die in den Vorinstanzen von den Parteien eingereichten Schriftsätze enthält. Er steht trotzdem für das Revisionsgericht fest, nachdem die Parteien in der Revisionsinstanz den Inhalt und die Gründe des Beschlusses vom 3. Juni 1952 vorgetragen haben, in welchem das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Berichtigung des Tatbestandes des Berufungsurteils abgelehnt, dabei jedoch ausgeführt hat, dass es u.a. auch den Schriftsatz der Klägerin vom 13. Februar 1951, der den obigen Beweisantritt enthielt, berücksichtigt habe. Daß der Inhalt dieses Schriftsatzes in der Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorgetragen ist, ist danach unstreitig und bedarf keines Beweises (Stein-Jonas-Schönke ZPO § 314 II). Der Beweisantritt war auch - entgegen der Auffassung des Beklagten - inhaltlich hinreichend genau bestimmt. Es war darin zwar nur allgemein von den Auftragsbestätigungen die Rede. Nach dem sonstigen, Vorbringen der Beklagten konnte aber nicht zweifelhaft sein, daß er sich auf sämtliche Auftragsbestätigungen der Klägerin, also auch auf diejenigen beziehen sollte, die die hier fraglichen Lieferungen betrafen.
Auf die Streitfrage, ob die Gemeinschuldnerin derartige Bestätigungsschreiben erhalten hat, würde es allerdings nicht ankommen, wenn sich aus dem sonstigen unstreitigen Sachverhalt ergeben würde, daß die Gemeinschuldnerin das Eigentum an den von der Klägerin gelieferten Waren entweder überhaupt nicht oder doch nur unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises erworben hat.
Die Gemeinschuldnerin hat die von ihr am 4. Juni 1949 erstmalig bei der Klägerin bestellten Stahldrahtstifte am 18 c Juni 1949 abgeholt. Bei der Übergabe dieser Waren hat die Klägerin dem Mitinhaber der Gemeinschuldnerin, dem Zeugen Re., 2 Lieferscheine (Block Nr. 673 und 674) vorgelegt, auf denen die übergebenen Waren einzeln nach Gewicht, Art und Maß aufgeführt waren. An dem unteren Rande der vorderen Seite dieser Lieferscheine war u.a. der Vermerk aufgedruckt: "Die Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung mein Eigentum." Das (weisse) Original dieser Lieferscheine wurde dem Zeugen Re. ausgehändigt, der die (grünen) Durchschläge derselben mit seiner Unterschrift versehen an die Klägerin zurückgab. Das gleiche Verfahren wurde auch später bei der Abholung bestellter Waren beobachtet, die allerdings in der Folgezeit nicht durch den Zeugen Re., sondern durch den Kraftfahrer des von der Gemeinschuldnerin beauftragten Frachtführers erfolgte, der dann jeweils auch seine Unterschrift unter die Lieferscheine setzte.
Die Frage, welche Wirkung einer derartigen Erklärung des Verkäufers, daß er sich das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalte, zukommt, wenn sie nach - bedingungslosem - Abschluß des Kaufvertrages in einem Lieferschein abgegeben wird, ist, soweit ersichtlich, bisher in der Rechtsprechung nicht behandelt. Dagegen hat die Rechtsprechung sich wiederholt mit der Frage befaßt, ob ein Eigentumsvorbehalt des Verkäufers wirksam ist, der erstmalig in einem mit der - zuvor bedingungslos verkauften - Ware übersandten Begleitschreiben oder einer ihr beigefügten Rechnung erklärt wird. Diese Frage ist überwiegend in dem Sinn bejaht worden, daß eine solche Erklärung, vorausgesetzt, daß sie für den Empfänger deutlich genug erkennbar ist grundsätzlich den Übergang des Eigentums auf den Käufer verhindere. Zwar sei dieser nach dem Kaufvertrag zur bedingungslosen Übereignung verpflichtet und könne diese seine vertragliche Bindung nicht durch eine einseitige Erklärung aufheben oder abändern. Das schließe jedoch deren Beachtlichkeit und Wirksamkeit für das dingliche Übereignungsgeschäft nicht aus. Mit der vor oder bei Übergabe der Ware vom Verkäufer abgegebenen Erklärung, daß er sich das Eigentum vorbehalte, bringe er seinen Willen zum Ausdruck, das Eigentum auf den Käufer nur unter einer aufschiebenden Bedingung zu übertragen. Nehme der Käufer dieses Angebot an, so erlange er nur bedingtes Eigentum. Lehne er es ab, so komme es überhaupt nicht zu einem Eigentums- Übergang, weil es an einer entsprechenden dinglichen Einigung fehle (so KG in JW 1929, 2164 [2165]; OLG Düsseldorf in JW 1931, 2580; OLG München in JW 1932, 1668; Enneccerus-Lehmann § 118, II 1; aA OLG Karlsruhe in JW 1930, 2238 [dagegen die Anmerkungen von Rühl und Holzheim in JW 1930, 3495]). Diese die Wirksamkeit des Vorbehaltsvermerks bejahenden. Ausführungen sind allgemein in dem Sinn zu billigen, daß es dem Verkäufer nicht verwehrt werden kann, auch nach Abschluß eines auf bedingungslose Eigentumsverschaffung gerichteten Kaufvertrages vor oder bei der Übereignung dem Käufer gegenüber zu erklären, daß er das Eigentum nur unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen wolle. Gelangt diese Erklärung vor oder bei der Übereignung ordnungsmäßig zur Kenntnis oder doch in den Verfügungsbereich (Empfangsbereich) des Käufers, so verhindert sie in jedem Falle den bedingungslosen Übergang des Eigentums, sei es, daß es überhaupt zu einer Einigung über den Eigentumsübergang nicht kommt, sei es, daß der Käufer sich (vorerst oder endgültig) mit einem bedingten Eigentumserwerb zufrieden gibt.
Ob danach im vorliegenden Falle der Eigentumsvorbehalt auf dem Lieferschein der Klägerin den bedingungslosen Eigentumserwerb der Gemeinschuldnerin verhindert hat, hängt davon ab, ob diese Erklärung zur Kenntnis der Gemeinschuldnerin oder doch in ihren Empfangsbereich gelangt ist. Das ist eine Tatfrage, die das Revisionsgericht auf Grund des vom Berufungsgericht bisher festgestellten Sachverhalts nicht zu entscheiden vermag. Sie wäre wenn nicht ein Vertreter der Gemeinschuldnerin die Erklärung vor oder bei der Übergabe der Drahtstifte tatsächlich gelesen hat - zu verneinen, wenn die Aufnahme eines derartigen Vermerks in einen Lieferschein mit dessen Zweckbestimmung und praktischer Verwendung im Handelsverkehr unvereinbar und deshalb nach der Verkehrssitte derart ungewöhnlich ist, daß der Empfänger der Ware einen solchen Vermerk darin gar nicht zu erwarten hat und deshalb den Lieferschein nicht daraufhin durchzulesen braucht, ob er einen solchen Vermerk enthalte ist eine solche Pflicht des Empfängers dagegen zu bejahen, so würde sich weiter die Frage ergeben, ob der Zeuge Rebien und mit ihm die Gemeinschuldnerin aus dem ihm am 18. Juni 1949 übergebenen Lieferschein entnehmen konnte und mußte, daß die Klägerin sich auch bei künftigen Lieferungen das Eigentum vorbehalten wollte, so daß es auf die Frage, ob die Vorbehaltserklärung der Klägerin auch durch Übergabe des Lieferscheins an den Fahrer des Frachtführers der Gemeinschuldnerin, wie sie bei den späteren Lieferungen erfolgte, wirksam wurde, nicht ankommen würde. Das Gesagte gilt entsprechend für den Fall, daß Rebien den Vorbehaltsvermerk tatsächlich zur Kenntnis genommen hat.
Die Frage, ob ein zunächst unbedingt übertragenes Eigentum nachträglich durch den im. Oktober 1949 abgeschlossenen, auf den 18. Juni 1949 zurückdatierten Vertrag, wirksam in bedingtes Eigentum umgewandelt worden wäre, hat das Berufungsgericht ohne erkennbares Rechtsirrtum verneint. Zwar ist der Vorbehaltskäufer nach Übergabe der Kaufsache im Verhältnis zum Verkäufer mittelbarer Besitzer der Kaufsache im Sinne des § 868 BGB (BGB RGRK 9. Aufl § 455 Anm. II A a). Die schuldrechtliche Grundlage für dieses Besitzmittlerverhältnis aber besteht in der Verpflichtung des Verkäufers, dem Käufer bei Zahlung des Kaufpreises das Eigentum zu verschaffen. Ist diese Verpflichtung durch unbedingte Übereignung erfüllt, so kann sie sinnvoll erst wieder begründet werden, wenn der Verkäufer das Eigentum wieder erlangt hat, was aber eine bereits erfolgte gültige Rückübereignung voraussetzt. Die bloße Vereinbarung, daß der bereits zum Volleigentümer gewordene Käufer in Zukunft als Vorbehaltskäufer besitzen solle, schafft also zwischen ihm und dem Verkäufer kein Besitzmittlerverhältnis im Sinne des § 868 BGB, wie es für eine gültige Rückübereignung erforderlich, ist (KG 49, 170; 54, 396).
Sollte das Berufungsgericht auf Grund der erneuten Verhandlung zu dem Ergebnis kommen, daß ein Eigentumsvorbehalt wirksam vereinbart ist, so wird es bei der Entscheidung der weiteren dann sich ergebenden Fragen folgendes zu beachten haben:
Zunächst wird endlich in zweifelsfreier Weise klarzustellen sein, ob die Klägerin ihren Hilfsantrag auf Zahlung stellen will. Dieser Antrag könnte gemäß § 46 KO als Ersatzaussonderungsanspruch - also nicht als eigentlicher Zahlungsanspruch - hinsichtlich des etwaigen Erlöses Erfolg haben, den der Konkursverwalter durch Veräusserung von Waren erzielt hat, die die Klägerin der Gemeinschuldnerin geliefert hatten, sofern dieser Erlös noch unterscheidbar (aussonderungsfähig) in der Konkursmasse vorhanden ist (vgl RG 141, 94). Er könnte auch als Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse gemäß § 816 Abs. 1 BGH in Verbindung mit § 59 Ziffer 3 KO begründet sein. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sollte zwar die Gemeinschuldnerin durch den Eigentumsvorbehalt offenbar nicht gehindert sein, die ihr von der Klägerin gelieferten Waren im ordnungsmäßigen Betriebe ihres Geschäfts weiter zu veräussern. Eine solche rechtmäßige, d.h. mit Einwilligung des Eigentümers (§ 185 BGB) vorgenommene Veräusserung begründet keinen Ersatzaussonderungsanspruch des Eigentümers (RG 115, 262; 133, 40; 138, 91). Dasselbe gilt jedoch nicht ohne weiteres von einer Veräusserung, die nach Eröffnung des Konkursverfahrens durch den Konkursverwalter erfolgt. Daß der Eigentümer bei der Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts sich auch mit einer solchen Veräusserung habe einverstanden erklären wollen, wird man, wenn nicht besondere Umstände für einen solchen Willen auf seiner Seite sprechen, grundsätzlich nicht annehmen können. Die Weiterveräußerung, die der Käufer im gewöhnlichen Betrieb seines Geschäfts vornimmt, soll ihn nach der Vorstellung der Parteien vielfach erst zur Zahlung des Kaufpreises an den Verkäufer instandsetzen. In der durch den Weiterverkauf für den Käufer gewonnenen Möglichkeit, über den Verkaufserlös zu verfügen, glaubt der Verkäufer im allgemeinen für seine Kaufpreisforderung hinreichend gesichert zu sein, so daß er auf eine weiterreichende Sicherheit, etwa durch die Vereinbarung des erweiterten auch nach der Weiterveräußerung noch in Kraft bleibenden Eigentumsvorbehalts nicht mehr besteht, zumal auch der Käufer im allgemeinen zur Übernahme einer derartigen Einschränkung, durch die die Weiterveräußerung sehr erschwert wird, nicht bereit sein wird. Eine Weiterveräusserung durch den Konkursverwalter aber würde den Sicherungszweck des Eigentumsvorbehalts bei Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Käufers regelmäßig vereiteln oder doch erheblich einschränken. Zwar würde sie, wenn sie mit Zustimmung des Eigentümers geschähe, das Eigentum des Verkäufers zum Erlöschen und damit dessen Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zur Erfüllung bringen, so daß nunmehr nach den §§ 17, 59 Ziff 2 seine Kaufpreisforderung als Masseschuld zu begleichen wäre, weil der Konkursverwalter durch dieses sein Verhalten die Erfüllung des Kaufvertrages verlangt hätte. Aber auch das würde für den Eigentümer grundsätzlich eine geringere Sicherheit bedeuten, als das Aussonderungsrecht, so daß es in aller Regel nicht in seinem Interesse liegen kann, im voraus einem Verkauf der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware durch den Konkursverwalter zuzustimmen.
Nach der Behauptung des Beklagten (Schriftsatz vom 20.11.50 Bl 89 d.A. und vom 11.10.51 Bl 148/149 d.A.) hat er die streitigen Drahtstifte an den Zeugen Göhler verkauft, von diesem den Kaufpreis aber noch nicht erhalten. Danach würde das Ersatzaussonderungsrecht der Klägerin möglicherweise nicht den Erlös, sondern die [Forderung des Konkursverwalters auf Zahlung des Erlöses zum Gegenstand haben, Das Berufungsgericht wird daher zu erwägen haben, ob die Stellung eines entsprechenden weiteren Hilfsantrages auf Abtretung dieser Forderung sachdienlich sein würde und deshalb anzuregen sei.
Falls es schließlich auf die Frage ankommen sollte, ob das Eigentum der Klägerin durch Vermengung mit gleichartigen Waren anderer Eigentümer untergegangen ist, so wird noch zu beachten sein, daß eine solche Vermengung das Eigentum der Klägerin nicht schon dann in jedem Falle zum Erlöschen brachte, wenn die fremden Waren mengenmässig den größeren Teil des Gemenges ausmachten (vgl BGB RGRK Anm. zu § 948 BGB). Grundsätzlich wäre vielmehr bei einer solchen Vermengung das Miteigentum der Klägerin bestehen geblieben, aufgrund dessen ihr ebenfalls ein Aussonderungsrecht zustehen würde, wenn ihr Miteigentumsanteil festgestellt werden kann (Jaeger SO § 43 Anm. 20). Ebenso würde nach § 46 KO der Verkauf des Miteigentumsanteils der Klägerin ein Ersatzaussonderungsrecht für diese begründen, wenn der Betrag des dafür erzielten Erlöses bezw. der dafür erworbenen Kaufpreisforderung feststellbar ist.
Fundstellen
Haufe-Index 3018505 |
NJW 1953, 217 |
NJW 1953, 217-219 (Volltext mit amtl. LS) |
JZ 1953, 122 (amtl. Leitsatz) |