Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 15.11.1995) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 15. November 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1. erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Geschäftslokals in Hamburg. Dieses war durch Mietvertrag vom 30. Juni/16. Juli 1987 für den Betrieb eines Speiserestaurants an einen Mieter S. vermietet. In den Mietvertrag war im Dezember 1990 anstelle von S. die Beklagte zu 1. (im folgenden: Beklagte) als Mieterin eingetreten. Durch Vereinbarung vom 1. Juli 1993 (Nachtrag III zum Mietvertrag) zwischen der Klägerin, der Beklagten und einem neuen Mieter B. (im folgenden B.) schied die Beklagte ihrerseits zum 30. Juni 1993 „mit allen Rechten und Pflichten aus dem bestehenden Mietvertrag aus”; zugleich trat mit Wirkung vom 1. Juli 1993 B. als neuer Mieter in das Mietverhältnis ein. Er verpflichtete sich in der Vereinbarung zur Zahlung einer Kaution von 35.000 DM und trat der Klägerin auf deren Verlangen als weitere Sicherheit Ansprüche bis zur Höhe von 13.800 DM aus einem Vertrag vom 6. April 1992 ab, durch den er seinerseits Gewerberäume an eine Firma G. vermietet hatte.
B. zahlte in der Folgezeit weder die vereinbarte Kaution noch nach Behauptung der Klägerin ab September 1993 den geschuldeten Mietzins. Wegen des Verzuges mit der Zahlung der Kaution und eines seinerzeit bestehenden Rückstandes der Augustmiete sprach die Klägerin mit Schreiben vom 31. August 1993 gegenüber B. die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses zum 3. September 1993 aus. Mit Vertrag vom 18./23. November 1993 vermietete sie durch Vermittlung der Beklagten das Mietobjekt mit Wirkung ab 16. Dezember 1993 an einen neuen Mieter N., der das der Beklagten gehörende Inventar der Gaststätte von dieser erwarb und mit Rücksicht hierauf erst ab Februar 1994 bereit war, Mietzins an die Klägerin zu zahlen.
Der Klägerin sind daher nach ihrer Behauptung die Mieten für die Zeit von September 1993 bis einschließlich Januar 1994 in Höhe von monatlich 13.577,13 DM entgangen.
Als sie sich aus den ihr abgetretenen Ansprüchen des B. gegenüber der Firma G. befriedigen wollte, erfuhr sie nach ihrem Vortrag, daß der Mietvertrag zwischen B. und der Firma G. wegen Untauglichkeit des Mietobjekts zum vertragsgemäßen Gebrauch angeblich nicht in Vollzug gesetzt worden sei und die Firma G. keine Mietzahlungen an B. geleistet habe. Mit der Behauptung, bei Kenntnis dieses Umstandes und der ersichtlich fehlenden Bonität des B. würde sie den Nachtrag III nicht abgeschlossen haben, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 28. April 1994 sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber B. die Anfechtung der Vereinbarung vom 1. Juli 1993 wegen arglistiger Täuschung. Sie stellte sich dabei auf den Standpunkt, der Eintritt des B. in das Mietverhältnis und die Entlassung der Beklagten aus dem bisherigen Mietvertrag seien untrennbar miteinander verbunden gewesen; daher führe die Anfechtung dazu, daß die Beklagte weiterhin Mieterin sei und in Höhe des vorläufigen Mietausfalls ihr – der Klägerin – gegenüber zur Mietzahlung verpflichtet bleibe. Die Beklagte wandte sich gegen den Vorwurf, eine Täuschung begangen zu haben, und machte geltend, sie habe mit der Bonität des B. und deren Überprüfung nichts zu tun gehabt.
Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagte (und die am Revisionsverfahren nicht beteiligte Hamburger Sparkasse als Bürgin für einen Teilbetrag von 25.000 DM), gestützt auf die Anfechtung vom 28. April 1994, auf Zahlung von insgesamt 67.885,65 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da das Mietverhältnis mit B. im Zeitpunkt der Anfechtung infolge der zuvor erklärten fristlosen Kündigung beendet und das Mietobjekt bereits weitervermietet gewesen sei. In der Weitervermietung liege eine Bestätigung des eventuell anfechtbaren Rechtsgeschäfts (Nachtrag III) i. S. von § 144 BGB, die zum Ausschluß der Anfechtung führe. Auf die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin einen Anspruch auf Mietzins in dem zuerkannten Umfang gemäß § 535 Satz 2 BGB zugesprochen mit der Begründung: Der Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten sei nicht durch die Nachtragsvereinbarung vom 1. Juli 1993 aufgelöst worden. Da die Klägerin diese Mietaufhebungs- und Eintrittsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB wirksam angefochten habe, sei diese als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 BGB), so daß der Mietvertrag über den 30. Juni 1993 hinaus fortbestanden habe.
Ob die Beklagte selbst die Klägerin über die Bonität des B. getäuscht habe, könne dahinstehen. Denn jedenfalls habe B. die Klägerin über seine wirtschaftlichen Verhältnisse arglistig getäuscht. Er habe ihr als Sicherheit für seine Verpflichtungen aus dem übernommenen Mietvertrag Ansprüche abgetreten, die nicht bestanden hätten. Der Mietvertrag mit der Firma G. sei nämlich nicht zur Durchführung gelangt, was B. als Vermieter jenes Vertrages gewußt haben müsse. Soweit die Beklagte dieses Vorbringen bestreite, sei dies unerheblich und im einzelnen widersprüchlich. Es bestehe kein Zweifel, daß die Klägerin sich wegen ihrer gegenüber B. nicht durchsetzbaren Ansprüche an die Firma G. gehalten hätte, wenn die ihr insoweit von B. abgetretenen Ansprüche tatsächlich bestanden hätten. Auf eine Erhebung der hierzu von der Klägerin angebotenen Beweise komme es deshalb nicht an. Der Klägerin sei es, wie für die Beklagte und B. erkennbar gewesen sei, auf die Werthaltigkeit der abgetretenen Forderungen angekommen. Diese sei für die Bereitschaft der Klägerin, B. anstelle der Beklagten als Mieter zu akzeptieren, nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme jedenfalls mitursächlich gewesen.
Allein schon die Anfechtung aufgrund der Täuschungshandlung des B. führe gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit der gesamten Nachtragsvereinbarung vom 1. Juli 1993 und somit auch der Entlassung der Beklagten aus dem im Dezember 1990 mit ihr geschlossenen Mietvertrag. Denn ohne den Eintritt des B. in das Mietverhältnis an Stelle der Beklagten wäre diese daraus nicht entlassen worden. Die Anfechtung des Mietvertrages sei rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB nach Kenntniserlangung der Klägerin von den Täuschungshandlungen des B. erklärt worden. Die Klägerin habe ihr Anfechtungsrecht auch nicht verwirkt. Ebensowenig habe sie, etwa durch die Kündigung des Mietvertrages gegenüber B. oder durch den Abschluß eines neuen Mietvertrages mit N., die Nachtragsvereinbarung vom 1. Juli 1993 i. S. von § 144 BGB bestätigt.
2. Diese Ausführungen halten, wie die Revision zutreffend rügt, der rechtlichen Nachprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
Es ist rechtsfehlerhaft, daß das Oberlandesgericht weder entschieden hat, ob die Beklagte selbst eine arglistige Täuschung begangen noch geprüft hat, ob sie zumindest eine von B. verübte arglistige Täuschung gekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.
Diese Frage konnte entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht – mit Blick auf ein Eingreifen des § 139 BGB – dahingestellt bleiben, sondern mußte für die Beurteilung der Wirksamkeit der von der Klägerin erklärten Anfechtung geklärt werden.
a) Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28. April 1994 „den Nachtrag” vom 1. Juli 1993 wegen arglistiger Täuschung sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber B. angefochten. Anfechtbar sind nach §§ 119 ff BGB (nur) Willenserklärungen, die der Anfechtende abgegeben hat. Die Willenserklärung der Klägerin, die in dem Nachtrag vom 1. Juli 1993 ihren Niederschlag gefunden hat, stellt sich nach der gewählten Vertragsgestaltung und bei Abwägung der betroffenen Interessen als Zustimmung zu einer zwischen der Beklagten und B. vereinbarten Vertragsübernahme dar (vgl. dazu BGHZ 95, 88 ff.; 96, 302 ff.; BGH Urteil vom 21. Juni 1978 – VIII ZR 155/77 = NJW 1978, 2504; Heile in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 2. Aufl. Kap. II Rdn. 807 bis 811).
Der beabsichtigte Wechsel der Vertragsparteien – etwa eines Mietvertrages – kann in rechtlich unterschiedlicher Weise vollzogen werden:
Das Mietverhältnis zwischen den bisherigen Parteien kann durch Vertrag zwischen dem Vermieter und dem bisherigen Mieter (den alten Parteien) beendet und ein neues Mietverhältnis mit dem Inhalt des bisherigen durch einen weiteren Vertrag mit dem neuen Mieter (der neuen Partei) geschlossen werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, daß der Parteiwechsel durch Vertrag zwischen dem aus dem Mietverhältnis ausscheidenden (bisheriger Mieter) und dem neu eintretenden Teil (neuer Mieter) mit Zustimmung der verbleibenden Partei (Vermieter) vereinbart wird. Dabei kann die Auswechslung der Partei im Wege eines einheitlichen Vertragswerks als sogenannter dreiseitiger Vertrag vollzogen werden (vgl. BGHZ 96 aaO S. 308, Heile aaO Rdn. 808). Welcher Vertragstyp im Einzelfall dem Willen der Beteiligten entspricht, ist gegebenenfalls durch Auslegung der getroffenen Parteiabreden zu ermitteln (vgl. Heile aaO Rdn. 812 m.N.).
Im vorliegenden Fall entspricht die Annahme getrennter Vereinbarungen über die Aufhebung des alten Mietvertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten und den Abschluß hen, daß B. die Klägerin arglistig über seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getäuscht hat. Dagegen hat das Berufungsgericht offengelassen, ob ein Anfechtungsgrund im Sinne von § 123 BGB in der Person der Beklagten gegeben ist. Das ist von einem Rechtsfehler beeinflußt.
Der Bundesgerichtshof hat in dem erwähnten Urteil BGHZ 96, 302 ff. in einem Fall, in dem der Übernehmer den Übernahmevertrag nur gegenüber dem verbleibenden und nicht auch gegenüber dem ausscheidenden Teil angefochten hatte, dahinstehen lassen, ob die „lediglich von einem Beteiligten begangene arglistige Täuschung zu Lasten der selbst nicht täuschenden Partei ohne weiteres materiell zur Anfechtung berechtigt, oder ob das nur dann der Fall ist, wenn ihr die Täuschung bekannt war oder hätte bekannt sein müssen” (aaO S. 310, 311; zu vergleichen auch BGHZ 31, 321 ff. für den Fall, daß der Schuldner den Übernehmer bei Abschluß des Grundgeschäfts/der Vertragsübernahme arglistig getäuscht hat; vgl. dazu Staudinger/Dilcher BGB 12. Aufl. § 123 Rdn. 39 m.w.N.; auch Soergel/Hefermehl aaO § 123 Rdn. 38; Dörner aaO S. 2916 mit Hinweis auf Fn. 8). Für die hier zu beurteilende Fallgestaltung, daß der zustimmende Teil die von ihm erklärte Zustimmung zu der Übernahmevereinbarung zwischen dem ausscheidenden (bisheriger Mieter) und dem übernehmenden (neuer Mieter) Teil anficht, ist die in BGHZ 96 aaO offengelassene Frage dahin zu beantworten, daß in der Person beider Empfänger der Zustimmungserklärung ein Anfechtungsgrund im Sinne von § 123 BGB vorliegen muß, damit die Anfechtung durchgreifen und zur – rückwirkenden – Vernichtung der vereinbarten Vertragsübernahme führen kann.
Die der Anfechtung unterliegende Zustimmung des in dem Vertragsverhältnis verbleibenden Teils zu der zwischen dem ausscheidenden und dem übernehmenden Partner vereinbarten Vertragsübernahme bezieht sich auf ein Rechtsgeschäft, das zweierlei Wirkung hat, nämlich zum einen das Ausscheiden bzw. aus der Sicht des Zustimmenden die Entlassung des bisherigen Mieters aus dem Mietverhältnis und zum anderen den Eintritt des übernehmenden Teils als neuer Mieter in das Vertragsverhältnis (vgl. BGB RGRK Steffen aaO § 182 Rdn. 9 a.E.). Auch wenn es im Einzelfall, wie hier, nicht der von den Beteiligten gewollten Vertragsgestaltung entspricht, die erteilte Zustimmung des Vermieters in eine solche zum Ausscheiden des bisherigen Mieters und eine solche zum Eintritt des neuen Mieters aufzuspalten, ist doch für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Anfechtung der Zustimmungserklärung zu beachten, daß die Vertragsübernahme auch auf diese Weise durch zwei jeweils mit dem Vermieter geschlossene Rechtsgeschäfte hätte vollzogen werden können. In diesem Fall wäre eine Vernichtung des gesamten Vertragsgefüges, d. h. beider Rechtsgeschäfte, durch Anfechtung von Seiten des Vermieters nur möglich, wenn in der Person beider Vertragspartner, sowohl des ausscheidenden als auch des übernehmenden Teils, ein Anfechtungsgrund gegeben wäre. Insoweit kann es indessen von der Interessenlage der Beteiligten her und unter Berücksichtigung des mit § 123 BGB verfolgten gesetzlichen Zweckes keinen grundlegenden Unterschied bedeuten, wenn die Beteiligten für die Vertragsübernahme den Weg des dreiseitigen Vertrages unter Zustimmung des Vermieters gewählt haben. Da die Anfechtung nach § 123 BGB voraussetzt, daß der Anfechtende durch arglistige Täuschung zur Abgabe seiner Willenserklärung veranlaßt wurde, durch eine erfolgreiche Anfechtung der Zustimmungserklärung zu einer Vertragsübernahme aber der „genehmigte” Vertrag insgesamt – als Rechtsgeschäft mit zweierlei Wirkungen – rückwirkend beseitigt werden soll, zeigt sich die Notwendigkeit, daß die Anfechtungsvoraussetzungen im Hinblick auf beide Wirkungen des Rechtsgeschäfts – sowohl die Entlassung des bisherigen als auch die Aufnahme des neuen Mieters, jeweils durch die Zustimmung des verbleibenden Vermieters wirksam geworden – erfüllt sein müssen.
Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß § 123 BGB an sich nur einseitige Rechtsgeschäfte und bilaterale Verträge betrifft (vgl. § 143 Abs. 2–4 BGB). Eine Anwendung der Vorschrift auf die Abgabe einer Zustimmungserklärung in einem dreiseitigen Vertrag ist dort nicht geregelt. Aus der gesetzlichen Wertung des § 123 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ist jedoch zu entnehmen, daß eine Anfechtung generell nur dann stattfinden soll, wenn derjenige, dem gegenüber die Anfechtung Wirkungen entfalten soll, entweder selbst arglistig getäuscht oder die von einem anderen begangene arglistige Täuschung gekannt hat oder jedenfalls kennen mußte. Dabei ist – neben der Täuschung durch einen Dritten nach § – 123 Abs. 2 Satz 1 BGB – in § 123 Abs. 2 Satz 2 BGB auch der Fall geregelt, daß ein anderer als derjenige, dem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus dieser unmittelbar ein Recht erworben hat; ihm gegenüber ist die Erklärung nur anfechtbar, wenn er die Täuschung, die zur Abgabe der Willenserklärung geführt hat, kannte oder kennen mußte (vgl. dazu näher Soergel/Hefermehl aaO § 123 Rdn. 36; Staudinger/Dilcher aaO § 123 Rdn. 37). Wird der dieser Regelung, ähnlich wie dem § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB, zugrundeliegende Rechtsgedanke auf den Fall der (zwischen drei Personen vollzogenen) Vertragsübernahme mit Zustimmung des verbleibenden Teils übertragen, so kann daraus als rechtliche Wertung entnommen werden: Wenn, wie hier, die Zustimmungserklärung des Vermieters durch die Täuschungshandlung des neuen Mieters beeinflußt wird, kann der bisherige Mieter, der infolge der Zustimmung einen Vorteil, nämlich die Entlassung aus dem Vertragsverhältnis erlangt, einer Anfechtung nach § 123 BGB nur ausgesetzt sein, wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte.
Die nach den vorstehenden Ausführungen aus der gesetzlichen Regelung des § 123 BGB zu entnehmende Wertung des Anfechtungsrechts im Verhältnis zwischen dem Anfechtenden und den übrigen Beteiligten kann nicht auf dem Weg über § 139 BGB außer Kraft gesetzt werden (vgl. etwa die Beispielsfälle bei BGB RGRK/Krüger-Nieland/Zöller aaO § 139 Rdn. 79).
3. Soweit der Bundesgerichtshof in dem Urteil BGHZ 96, 302, 310 für den dort entschiedenen Fall einer Vertragsübernahme offengelassen hat, ob die lediglich von einem Beteiligten begangene arglistige Täuschung zu Lasten der selbst nicht täuschenden Partei „ohne weiteres materiell zur Anfechtung berechtigt”, ist dies nach alledem für den hier vorliegenden Fall zu verneinen. Eine derartige Zurechnung der von B. begangenen arglistigen Täuschung als Anfechtungsgrund auch in der Person der Beklagten hieße, den B. zum Stellvertreter der Beklagten zu machen (§ 166 Abs. 1 BGB; vgl. Soergel/Leptien aaO § 166 Rdn. 10 ff.; Soergel/Hefermehl aaO § 123 Rdn. 35). Das scheidet jedoch nach der gewählten Vertragsgestaltung aus, da die Beklagte und B. mit dem Abschluß des Nachtrags III vom 1. Juli 1993 nicht gleichgerichtete, sondern gegenläufige Interessen verfolgten. Die Beklagte wollte aus dem Mietvertrag ausscheiden, während B. als neuer Mieter in das Vertragsverhältnis eintreten wollte. Im übrigen kann die Beklagte ihrerseits – ebenso wie die Klägerin – sogar selbst von B. über seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getäuscht worden sein. Auch dies steht einer Anwendung des § 166 BGB im Rahmen von § 123 BGB unter den hier gegebenen Umständen entgegen.
Als Ergebnis ist nach alledem festzuhalten, daß die von der Klägerin erklärte Zustimmung zu der Vertragsübernahme nur wirksam gemäß § 123 BGB angefochten werden kann, wenn entweder sowohl die Beklagte als auch B. die Klägerin arglistig getäuscht haben oder wenn die Beklagte die von B. begangene arglistige Täuschung zumindest gekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.
Das bedeutet zugleich, daß eine Anfechtung nicht in Betracht kommt, wenn lediglich B. eine arglistige Täuschung gegenüber der Klägerin begangen und die Beklagte diese weder gekannt hat noch kennen mußte. Diese Rechtsfolge entspricht der Interessenlage und dem Schutzbedürfnis der an dem Vertrag vom 1. Juli 1993 beteiligten Parteien. Hat etwa die Beklagte weder selbst eine arglistige Täuschung begangen noch Kenntnis von der von B. verübten Täuschung gehabt und diese nach den Umständen auch nicht kennen müssen, dann wäre es unvertretbar, sie möglicherweise noch nach Jahren einer rückwirkenden Vernichtung der Vertragsübernahmevereinbarung vom 1. Juli 1993 auszusetzen (§ 142 Abs. 1 BGB) mit der Folge, daß sie unverändert ab 1. Juli 1993 weiterhin als Mieterin zu gelten hätte. Andererseits ist auch die Klägerin rechtlich nicht schutzlos, wenn sie trotz (nur) von B. begangener arglistiger Täuschung die Entlassung der Beklagten aus dem Mietverhältnis nicht durch Anfechtung nach § 123 BGB rückwirkend beseitigen kann. Da die arglistige Täuschung des B. seine Zahlungsfähigkeit betraf, konnte die Klägerin nach eingetretenem Zahlungsverzug (wie geschehen) das mit ihm bestehende Mietverhältnis für die Zukunft kündigen. Außerdem kommt nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen bzw. aus deliktischer Haftung ein Schadensersatzanspruch in Betracht (vgl. Staudinger/Dilcher aaO § 123 Rdn. 47 ff.), mit dem die Klägerin nicht nur den ihr in der Zeit von September 1993 bis Januar 1994 entstandenen Mietausfallschaden geltend machen, mit dem sie vielmehr auch Befreiung von allen Verbindlichkeiten aus dem Vertragsverhältnis verlangen könnte. Im übrigen dürfte der Klägerin im Verhältnis zu B. – je nach den Umständen – die Einrede der Arglist (§ 242 BGB) zur Seite stehen.
Abgesehen hiervon hat es ein Vermieter, der sich mit einem Mieterwechsel durch Vertragsübernahme einverstanden erklärt, grundsätzlich in der Hand, auf einer Mithaftung des bisherigen Mieters neben dem neuen Mieter für die Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zumindest für einen bestimmten Zeitraum zu bestehen, bevor er seine Zustimmung zu der Vertragsübernahme erteilt. Der Vermieter kann sich auch in sonstiger Weise, etwa durch Aufnahme einer Bedingung oder eines Vorbehalts in den Vertrag, gegen mögliche Schäden als Folge des Mieterwechsels rechtlich absichern.
Da das Oberlandesgericht nicht geprüft hat, ob in der Person der Beklagten die Voraussetzungen des § 123 BGB erfüllt waren, kann das angefochtene Urteil hiernach nicht bestehen bleiben. Die Sache ist vielmehr zur weiteren Prüfung unter Nachholung der erforderlichen Feststellungen und zur neuen Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
4. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Die Klägerin hat in bezug auf die Beklagte zu § 123 BGB behauptet, diese habe sie über die Werthaltigkeit der ihr – der Klägerin – von B. zur Sicherheit abgetretenen Mietzinsforderungen getäuscht (Berufungsbegründung vom 22. Mai 1995) und sich ihr gegenüber den Anschein gegeben, die Bonität des B. aufgrund eigener Prüfung positiv eingeschätzt zu haben.
Nach diesem Vortrag ist Voraussetzung für die behauptete arglistige Täuschung durch die Beklagte, daß die „Werthaltigkeit” der Ansprüche des B. aus seinem Mietvertrag mit der Firma G. – als Grundlage der hierauf gestützten Bonität des B. – tatsächlich nicht gegeben war.
Danach hängt die Entscheidung über die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs zunächst davon ab, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, daß die ihr zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche des B. aus dem Mietvertrag mit der Firma G. bei Abschluß der Nachtragsvereinbarung vom 1. Juli 1993 nicht (mehr) bestanden haben. Die. Beklagte hat diese Behauptung rechtswirksam mit Nichtwissen bestritten, § 138 Abs. 4 ZPO. Soweit das Berufungsgericht ihr Bestreiten für widersprüchlich und deshalb für unerheblich hält, zumal die Beklagte trotz Vorlage des Mietvertrages mit der Firma G. auch dessen Zustandekommen bestritten habe, kann dem nicht gefolgt werden. Nachdem der Mietvertrag zwischen B. und der Firma G. nach dem zu den Akten gereichten Vertragsexemplar bereits am 6. April 1992 zustande gekommen war, bietet die Vorlage des Mietvertrages als solche keinen zwingenden Anhaltspunkt für einen Fortbestand des Vertrages im Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung im Juni/Juli 1993. Die Erwägung des Oberlandesgerichts, es habe keinen Zweifel, daß sich die Klägerin bei Bestehen der Ansprüche des B. gegenüber der Firma G. an diese gehalten haben würde, wird von der Revision zu Recht als unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung gerügt.
Die Behauptung der Klägerin über die fehlende Werthaltigkeit der ihr am 1. Juli 1993 von B. zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche aus dem Mietvertrag zwischen B. und der Firma G. war nach alledem entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sowohl beweiserheblich als auch beweisbedürftig. Die Revision rügt insoweit zu Recht, daß das Berufungsgericht den von der Klägerin für ihre Behauptungen angebotenen Beweis hätte erheben müssen. Das wird im weiteren Verlauf des Verfahrens nachzuholen sein. Je nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wird sodann ggf. auch dem weiteren Vortrag der Klägerin zu der behaupteten Täuschung durch die Beklagte nachzugehen sein. Falls sich dabei herausstellt, daß der Beklagten keine arglistige Täuschung gegenüber der Klägerin zur Last fällt, wird auf die weitere Frage einzugehen sein, ob die Beklagte eine von B. verübte arglistige Täuschung gekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht bietet Gelegenheit, hierzu noch vorzutragen und näher Stellung zu nehmen.
b) Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verwirkung des angenommenen Anfechtungsrechts der Klägerin und eine Bestätigung der Nachtragsvereinbarung vom 1. Juli 1993 durch die fristlose Kündigung gegenüber B. und/oder durch den Abschluß des neuen Mietvertrages mit N. verneint, sind entgegen der Auffassung der Revision aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Ebenso unterliegt die Auffassung des Oberlandesgerichts, daß die fristlose Kündigung des Mietvertrages gegenüber B. der späteren Anfechtung der Nachtragsvereinbarung nicht entgegengestanden habe, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die weitgehend streitige Frage, ob die Anfechtung eines Mietvertrages nach Überlassung der Mietsache neben der Kündigung zulässig ist, ggf. mit Rückwirkung (vgl. etwa BGB-RGRK/Gelhaar 12. Aufl. vor § 535 Rdn. 123 und Krüger-Nieland/Zöller § 142 Rdn. 14 ff.; Bub in Bub/Treier aaO II Rdn. 660 ff., 673 ff.; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl. § 564 Rdn. 46; Palandt/Putzo BGB 56. Aufl. § 564 Rdn. 4; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze 6. Aufl. B 88; Sternel, Mietrecht 3. Aufl. 1988, I 243 ff.; Prior, Lösungsmöglichkeiten der Mietvertragsparteien vor Überlassung der Mietsache, 1992, S. 34 ff. m.w.N.; RGZ 157, 173 ff.; OLG Hamburg MDR 1966, 49), stellt sich im vorliegenden Fall in dieser Form nicht. Die mit Schreiben der Klägerin vom 31. August 1993 gegenüber B. ausgesprochene fristlose Kündigung des Mietvertrages führte, sofern sie wirksam war, jedenfalls zur Beendigung des Mietverhältnisses zwischen der Klägerin und B. mit Wirkung ab 3. September 1993. Für den zurückliegenden Zeitraum seit dem 1. Juli 1993 kann das Mietverhältnis zwischen B. und der Klägerin hingegen nur durch rechtswirksame Anfechtung des Nachtrags III beseitigt werden, verbunden mit der von der Klägerin in erster Linie erstrebten Rechtsfolge, daß die Beklagte ihrerseits nicht aus dem Mietverhältnis ausgeschieden, sondern über den 1. Juli 1993 hinaus „mit allen Rechten und Pflichten” weiterhin Mieterin des Speiserestaurants geblieben ist.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 538114 |
BGHZ, 255 |
DB 1998, 813 |
NJW 1998, 531 |
NJW-RR 1998, 873 |
NZM 1998, 113 |
WM 1998, 616 |
ZMR 1998, 155 |
MDR 1998, 394 |
WuM 1998, 93 |
IPuR 1998, 54 |