Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats II) des Bundespatentgerichts vom 5. November 1996 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag am 11. April 1983 unter Inanspruchnahme der Unionspriorität einer Voranmeldung in Schweden vom 30. April 1982 angemeldeten deutschen Patents 33 42 798 (Streitpatents), das ein „Stützimplantat zur transluminalen Implantation” betrifft und neun Patentansprüche mit folgendem Wortlaut umfaßt:
„
Stützimplantat zur transluminalen Implantation, die einen elastischen, schraubenförmigen, rohrförmigen Körper umfaßt, der einen Durchmesser aufweist, der durch axiale Verschiebung der Enden des Körpers relativ zueinander veränderbar ist,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Körper (1) aus mehreren unabhängigen, festen, aber elastischen, gewundenen Elementen (2, 3, … 2a, 3a, …) zusammengesetzt ist, von denen sich jedes längs in einer Wendellinie erstreckt, wobei die Mittellinie (7) des Körpers (1) eine gemeinsame Achse bildet, und wobei eine Anzahl der Elemente (2, 3, …) die gleiche Windungsrichtung aufweist, aber axial zueinander versetzt sind, und eine Anzahl von Elementen (2a, 3a, …) kreuzt, die ebenfalls axial zueinander versetzt angeordnet sind, aber eine entgegengesetzte Windungsrichtung aufweisen, wobei der axial gerichtete Winkel (á) zwischen sich kreuzenden Elementen stumpf ist.
Stützimplantat nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die sich kreuzenden Elemente (2, 3, … 2a, 3a, …) in Art einer Verflechtung angeordnet sind.
Stützimplantat nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Anzahl der Elemente (2, 3, … 2a, 3a, …) in dem Körper (1) gleich n ist, wobei n wenigstens 10 ist.
Stützimplantat nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Anzahl der Elemente (2, 3, … 2a, 3a, …) in jeder Windungsrichtung n/2 ist.
Stützimplantat nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Körper (1) mit elastischen Bändern (11) oder einer elastischen Membran verbunden ist, die mit dem Körper auseinanderziehbar sind/ist und sich axial längs der Manteloberfläche des Körpers (1) erstrecken/erstreckt und durch die eine den Körper (1) in Axialrichtung zusammenpressende Vorspannung ausübbar ist.
Stützimplantat nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Membran aus einem porösen Material besteht und sich über den Hauptteil der Länge des Körpers erstreckt.
Stützimplantat nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Körper (53) an wenigstens einem Ende mit sich verringerndem Durchmesser ausgebildet ist.
Stützimplantat nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet,
daß das poröse Material der Membran segmentiertes Polyurethan aufweist.
- Stützimplantat nach einem der vorhergehenden Ansprüche zur Verwendung in Blut- oder Lymphgefäßen.”
Die Klägerin hat geltend gemacht, daß das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik, wie er sich insbesondere aus der britischen Patentschrift 1 205 743 und dem Aufsatz von Didcott „Oseophageal Strictures” in Ann. Roy. Coll. Surg. Engl. 1973, Vol. 53, Seiten 112 – 127, ergebe, nicht patentfähig sei. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß für nichtig erklärt.
Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung mit der Maßgabe weiter, daß in Patentanspruch 1 die Formulierung „die einen … umfaßt” durch die Formulierung „das aus einem … besteht” ersetzt wird, hilfsweise mit der Formulierung in den Einleitungsworten „Stützimplantat zur transluminalen Implantation in Blutgefäße”, weiter hilfsweise „Stützimplantat zur dauernden transluminalen Implantation in Blutgefäße”; hieran sollen sich die Patentansprüche 2 bis 9 unter Rückbeziehung auf die jeweils geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 anschließen. Weiter hat die Beklagte Streichungen in der Beschreibung vorgenommen; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Als vom Senat bestellter gerichtlicher Sachverständiger hat Dipl.-Ing. Dr. med. H. H., W., ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent zu Recht für nichtig erklärt, da dieses gegenüber dem Stand der Technik nicht schutzfähig ist (§§ 1, 4 PatG).
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Stützimplantat zur transluminalen Implantation, d.h. zur Einführung etwa in ein Blutgefäß, den Harnleiter oder andere schwer zugängliche Stellen von Mensch oder Tier, durch das betreffende Gefäß hindurch. Besondere Bedeutung hat die transluminale Implantation, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt hat, zur Verhinderung neuerlicher Verschlüsse von Herzkranzgefäßen nach Durchführung einer Aufweitung der Gefäße auf transluminalem Weg, wie sie bei der seit 1974 eingeführten Ballonangioplastie auftreten können. Nur durch die mit der Verwendung von Stützimplantaten gelungene Lösung des Problems erneuter Verengung (Restenose) behält diese Behandlungsmethode ihre Überlegenheit gegenüber der offenen Bypass-Chirurgie. Das Streitpatent nennt daneben auch andere Anwendungsbereiche wie das Schließen pathologischer Gefäßmängel, die Überbrückung pathologischer Gefäßdehnungen und -brüche und die Stabilisierung von Bronchialröhren und Bronchien sowie die Verwendung in der Vena Cava Inferior zur Verhinderung von Lungenembolien (Beschreibung Sp. 3 Z. 10-32; Sp. 9 Z. 6 ff, Z. 39 ff).
Das Streitpatent schildert derartige Implantate mit einem elastischen rohrförmigen Körper, bei denen der Durchmesser zunehmen oder abnehmen kann, als aus der deutschen Patentschrift 25 28 273 und der US-Patentschrift 38 68 956 bekannt. Die deutsche Patentschrift lehre nicht, daß es bei dem dort gezeigten schraubenförmigen Katheter von Bedeutung sein könnte, durch axiale Verschiebung der Enden eine Änderung des Durchmessers herbeizuführen. Die Vorrichtung nach der US-Patentschrift 38 68 956 könne nach ihrem Einsetzen z.B. in ein Blutgefäß expandieren. Ihr aktiver Teil basiere auf der Verwendung von Metallegierungen, die eine „Erinnerungsfunktion” aufwiesen und deshalb nach Erwärmung ihre anfängliche Gestalt wieder annähmen. Die Erwärmung erfolge durch elektrische Heizung nach Einsetzen der Vorrichtung an der vorgesehenen Stelle. Durch die Erwärmung könne jedoch das Umgebungsgewebe geschädigt werden; da das Patientenblut als Kühlmedium diene, sei es bei seiner Erwärmung unerwünschter Gerinnung ausgesetzt.
2. Durch das Streitpatent soll, wie sich aus dem Zusammenhang der Beschreibung und der dort genannten Schwierigkeiten (u.a. Sp. 1 Z. 25-31, Z. 42-52, Z. 53-60), der beschriebenen Vorteile der patentgemäßen Lehre (insbesondere Sp. 3 Z. 33-65; Sp. 10 Z. 63 ff; Sp. 11 Z. 32 ff; Sp. 14 Z. 22 ff) sowie den von Lösungselementen nicht freien Angaben über die Aufgabe (Sp. 2 Z. 16-20) ergibt, ein Stützimplantat zur Verfügung gestellt werden, das insbesondere auch an schwer zugänglichen Stellen des Körpers, einfach, ohne Schadenszufügung und dauerhaft eingesetzt werden kann, eine gute Stützwirkung erzielt und gewebeverträglich ist.
3. Hierzu lehrt das Streitpatent (im wesentlichen entsprechend der von den Parteien im Berufungsverfahren verwendeten Merkmalsaufgliederung) in seinem verteidigten Patentanspruch 1 ein
- Stützimplantat, das
- aus einem elastischen rohrförmigen Körper besteht,
- dessen Durchmesser durch axiale Verschiebung seiner Enden relativ zueinander veränderbar ist,
der aus mehreren unabhängigen, festen, aber elastischen, gewundenen Elementen zusammengesetzt ist,
- von denen sich jedes längs in einer Wendellinie erstreckt,
- wobei die Mittellinie des Körpers eine gemeinsame Achse bildet;
eine Anzahl der Elemente
- weist dabei die gleiche Windungsrichtung auf,
- ist aber axial zueinander versetzt;
eine – andere – Anzahl der Elemente
- weist eine entgegengesetzte Windungsrichtung auf,
- ist ebenfalls axial zueinander versetzt,
- die eine und die andere Anzahl von Elementen kreuzen sich unter einem axial gerichteten stumpfen Winkel.
Seitenansichten eines erfindungsgemäßen Körpers zeigen die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1a und 2a der Zeichnungen des Streitpatents; dabei zeigt Figur 2a den Körper in zusammengezogenem Zustand:
4. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß die Angabe „schraubenförmig” (statt „wendelförmig”) im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents eine für den Fachmann ohne weiteres erkennbare Fehlangabe ist, die zwar den bekannten Stand der Technik, nicht aber den Gegenstand des Streitpatents betrifft.
II. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist im Sinne des § 3 des Patentgesetzes neu; der ihm am nächsten kommende Dilatator nach der britischen Patentschrift 1 205 743 weist jedenfalls keinen axial gerichteten stumpfen Winkel (Merkmal 7) auf und der sonstige Stand der Technik liegt noch weiter ab.
2. Es bedurfte aber für den Fachmann, als den der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen einen Fachhochschul- oder Hochschulingenieur der biomedizinischen Technik oder der Feinwerktechnik ansieht, der für Fragen der Anwendungstechnik Mediziner zu Rate zieht, keines erfinderischen Zutuns, um zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents zu gelangen.
a) Die britische Patentschrift 1 205 743 zeigt und beschreibt einen chirurgischen Dilatator, d.h. ein Instrument zur Erweiterung von Kanälen, der insbesondere in der Speiseröhre (Ösophagus), aber generell in jeder Öffnung oder in jedem Hohlorgan verwendet werden kann, das vernarbt und physiologisch verengt ist (Beschreibung S. 3 Z. 49-52), wie z.B. als Urethradilatator, Gallen- und Lebergangdilatator, Wunddilatator, Anal- oder Vaginaldilatator (Beschreibung S. 3 Z. 43-48), darüber hinaus zum Halten von Transplantaten oder Hohlorganen und Blutgefäßen usw. beim Nähen (Beschreibung S. 3 Z. 58-60). Eine Seitenansicht des Dilatators zeigt Figur 1 der Entgegenhaltung:
b) Der Dilatator weist, wie das Bundespatentgericht festgestellt und der gerichtliche Sachverständige bestätigt haben und was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, die Merkmale 3 bis 6 in ihrer Gesamtheit auf. Darüber hinaus umfaßt der bekannte Dilatator auch einen elastischen rohrförmigen Körper (Beschreibung S. 1 Z. 13-30; Fig. 1). Unterschiede liegen in der Indikationsangabe (Nr. 1 der Merkmalsaufgliederung), nämlich in den zu behandelnden Organen, woraus sich Unterschiede in der Behandlungsdauer und der Art der Behandlung (stützen – dilatieren, d.h. aufweiten) ableiten, weiter in den in axialer Richtung gebildeten Winkeln des Gitters (Merkmal 7); die Beklagte macht als weiteren Unterschied gegenüber der verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 geltend, daß die britische Patentschrift nur Dilatatoren beschreibe, bei denen der rohrförmige Körper in elastisches Material eingebettet sei, was nach der verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ausgeschlossen sei.
c) Der Unterschied hinsichtlich der Indikationsangabe ist angesichts des als Sachanspruch formulierten Patentanspruchs 1 des Streitpatents patentrechtlich ohne Belang (vgl. Benkard/Ullmann, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz 9. Aufl. § 3 PatG Rdn. 32; Busse, Patentgesetz 5. Aufl. 1999 § 3 PatG Rdn. 126 f.; Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts 4. Aufl. S. 160). Die zum Stand der Technik gehörende Stoffe oder Stoffgemische betreffende Sonderregelung in § 3 Abs. 3 PatG ist als Ausnahme von dem Grundsatz, daß eine neue Verwendung nicht die Neuheit eines Erzeugnisses oder einer Vorrichtung begründet, nicht analogiefähig (Sen.Urt. v. 7. Februar 1995 - X ZR 58/93, BlPMZ 1995, 322 - Isothiazolon; Benkard aaO Rdn. 89; Busse aaO Rdn. 195; vgl. zum EPÜ EPA T 227/91, ABl. EPA 1994, 491, 498 f. = GRUR Int. 1994, 848, 850 - zweite chirurgische Verwendung; vgl. auch schweiz. Bundesamt für geistiges Eigentum GRUR Int. 1979, 168) und deshalb hier nicht heranzuziehen.
Der gerichtliche Sachverständige weist zutreffend darauf hin, daß die Stützung eines Gefäßes nichts anderes ist als der Endzustand der Erweiterung, die sowohl durch das Stützimplantat selbst als auch auf andere Weise erfolgen kann. Mit Recht weist er weiter darauf hin, daß die Funktion des Gefäßstützens einem Dilatator der in der Entgegenhaltung beschriebenen Art inhärent ist. Schließlich ergeben sich aus der Verwendung einer entsprechenden Vorrichtung als Dilatator oder als Stützimplantat, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, keine Auswirkungen auf deren gegenständliche Ausbildung oder Beschaffenheit (vgl. hierzu Sen.Urt. v. 2. Dezember 1980 - X ZR 16/79, GRUR 1981, 259, 260 - Heuwerbungsmaschine; Sen.Urt. v. 7. November 1978 - X ZR 58/77, GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen); Funktionsangaben sind bei einem Sachpatent grundsätzlich nur dem besseren Verständnis der Erfindung dienende Erläuterungen, die allenfalls die Bedeutung einer mittelbaren Umschreibung der räumlich-körperlichen Ausgestaltung haben können (Senat aaO – Schießbolzen; vgl. auch schweiz. Bundesgericht BGE 122 III 81 = GRUR Int. 1997, 932 - Beschichtungsanlage).
Zudem lenken die Anwendungshinweise in der Beschreibung der britischen Patentschrift den Fachmann in naheliegender Weise auch auf die Erkenntnis, daß die dort beschriebene Vorrichtung nicht nur zum Aufweiten (Dilatieren), sondern auch zum anschließenden Stützen, selbst über einen längeren Zeitraum hin, verwendet werden kann; dies sieht auch der gerichtliche Sachverständige so. Von daher wäre die abweichende Verwendung für den Fachmann jedenfalls naheliegend.
d) Die britische Patentschrift lehrt das Merkmal (7) des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht, nach dem sich die (strukturbildenden) Elemente in axialer Richtung in einem stumpfen Winkel, d.h. einem Winkel ≫ 90° kreuzen. Die Entgegenhaltung lehrt vielmehr ausdrücklich einen spitzen Kreuzungswinkel, und zwar einen solchen zwischen 45° und 60° (S. 1 Z. 23-25, Patentanspruch 1). Beide Winkelangaben betreffen den unbelasteten Zustand; wird die Vorrichtung gestreckt, ergibt sich in beiden Fällen notwendig eine Verkleinerung des Winkels. Dies führt jedoch nicht zu einer Merkmalsübereinstimmung hinsichtlich des Merkmals (7); die Lehre der Entgegenhaltung unterscheidet sich insoweit deutlich von der des Streitpatents.
Dieser Unterschied rechtfertigt indessen nicht die Bejahung erfinderischer Tätigkeit. Der Senat tritt insoweit der Beurteilung durch das sachkundig besetzte Bundespatentgericht im Ergebnis bei. Dieses hat hierzu ausgeführt, beim Aufweiten komme es vor allem darauf an, daß das Implantat eine ausreichend große Durchmesseränderung zwischen nichtimplantiertem und implantiertem Zustand besitze, wobei gleichzeitig die Längenänderung gering gehalten werden müsse, um die Funktionsfähigkeit des betroffenen Gefäßes oder Organs nicht zu beeinträchtigen. Es verweist insbesondere auf die Beschreibung der britischen Patentschrift (S. 1 Z. 68-72), wonach der dort vorgesehene Winkel die gewünschten niedrigen Werte für das Verhältnis zwischen axialer Ausdehnung und Durchmesseränderung des Dilatators ergibt, der in der Speiseröhre erforderlich sei, da nur kleine axiale Ausdehnungen toleriert werden könnten.
Der gerichtliche Sachverständige hat dies im wesentlichen bestätigt; er verweist darauf, daß die Wahl eines kleinen Winkels im entspannten, aufgeweiteten Zustand für den Fachmann erkennbar mit dem Einsatz des Dilatators in der Speiseröhre zusammenhänge. Bei dieser handelt es sich um ein Hohlorgan mit peristaltischer Aktivität, d.h. mit einer Schubbewegung. Bei derartigen Hohlorganen, zu denen auch Darm und Harnleiter, nicht aber Blutgefäße gehören, muß, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, der einzuführende Dilatator oder das Implantat eindrückbar ausgebildet sein, weil eine nichteindrückbare Ausbildung die peristaltische Welle, d.h. in der Speiseröhre die Schluckbewegung stören würde; diese Schwierigkeit stellt sich bei einem Einsatz in nicht-peristaltischen Hohlgefäßen, insbesondere in Blutgefäßen, nicht. Der gerichtliche Sachverständige hat weiter überzeugend ausgeführt, daß bei Ausbildung eines spitzen Winkels die relative Verkürzung bzw. Verlängerung geringer ist, wodurch die Gefahr von Irritationen oder Verletzungen in der empfindlichen Speiseröhre verringert wird; auch diese Problematik stellt sich bei Blutgefäßen jedenfalls nicht in gleichem Ausmaß. Der Sachverständige hat auch angegeben, daß dem einen Mediziner zu Rate ziehenden Fachmann diese Zusammenhänge bekannt und bei der Lektüre der britischen Patentschrift ohne weiteres erkennbar waren, und daß es einem Ingenieur auf Grund seines Fachwissens möglich war, die erforderlichen Berechnungen hinsichtlich der Verformungsfestigkeit anzustellen. Kam es dem Fachmann, dem andere Einsatzarten als in der Speiseröhre auch aus der britischen Patentschrift, aber auch aus der Entwicklung der Angioplastie, d.h. der Ballonerweiterung der Herzkranzgefäße anstelle der zuvor gebräuchlichen offenen Bypass-Chirurgie, zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents geläufig waren, nicht auf die Ausbildung eines eindrückbaren, sondern im Gegenteil eines formstabilen Implantats an, lag es für ihn nahe, den Öffnungswinkel über den in der britischen Patentschrift angegebenen Wert soweit zu vergrößern, bis die gewünschte Stabilität erreicht war; dies führte ohne erfinderische Überlegungen zur Wahl größerer Winkel als 60° und auch über den Wert von 90° hinaus in den vom Streitpatent umfaßten Bereich stumpfer Winkel. Zudem ergab sich durch die Wahl eines größeren Ausgangswinkels die Möglichkeit einer stärkeren relativen Querschnittsverminderung, bezogen auf den Ausgangsquerschnitt, bei der Implantation; auch das war für den Fachmann ohne erfinderische Überlegungen erkennbar. Die beklagte Patentinhaberin hat dem nur entgegensetzen können, daß die Entgegenhaltung einen stumpfen Winkel nicht lehre und auch keine Anregungen enthalte, die den Fachmann zu einem solchen hätten hinführen können. Dies reicht unter den vorliegenden Umständen nicht aus, um hinsichtlich des Öffnungswinkels erfinderische Tätigkeit zu bejahen oder auch nur als nicht widerlegt anzusehen.
e) Mit der Verteidigung des Streitpatents in der Form, daß das Implantat aus einem elastischen, rohrförmigen Körper „besteht” und einen solchen nicht nur „umfaßt”, sucht sich die beklagte Patentinhaberin von der Ausführung nach der britischen Patentschrift abzugrenzen, nach der der Körper dort in einer elastischen Masse eingebettet ist. Es bedarf keiner abschließenden Beurteilung, ob und wieweit durch diese Formulierung einer gelegentlich feststellbaren Praxis entsprechend (vgl. BPatGE 38, 122, 123; unveröffentlichte Entscheidungen des EPA T 711/90; T 522/91; T 759/91 sowie des Bundespatentgerichts v. 21. Juli 1997 - 31 W (pat) 49/95 - und v. 12. Januar 1998 - 15 W (pat) 16/96) das Vorhandensein weiterer Elemente ausgeschlossen wird, da auch ein Gegenstand, der auf eine Einbettung des rohrförmigen Körpers und/oder dessen äußere oder innere Umkleidung verzichtet, für den Fachmann am Prioritätstag durch die britische Patentschrift nahegelegt war. Dies ergibt sich aus den Überlegungen, die der gerichtliche Sachverständige angestellt hat. Zunächst stellt die unumkleidete und nicht eingebettete Ausbildung des Körpers die Rohform, eine erste Fertigungsstufe, dar, die bei eingebetteten oder umkleideten Ausbildungen einen notwendigen Herstellungsschritt bildet. Damit legt die Offenbarung der britischen Patentschrift eine solche Ausbildung zunächst als Vor- oder Zwischenprodukt nahe. Es kann dahinstehen, ob dies an sich schon für ein entsprechendes Endprodukt schutzhindernd wäre, insoweit noch die Möglichkeit eines Verwendungsschutzes oder aber weitergehend auch eines Sachschutzes eröffnen könnte, weil auch die unumkleidete und nicht eingebettete Ausbildung als solche als Implantat für den Fachmann naheliegend war. Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend angegeben hat, kam es für die Stützung von Koronargefäßen auf eine möglichst große Aufweitung an. Hierbei mußte sich aber für den Fachmann erkennbar jede Beschichtung oder Umkleidung behindernd auswirken. Es war damit für den Konstrukteur das Mittel der Wahl, Beschichtungen oder Umkleidungen wegzulassen, wenn er sie nicht aus anderen Gründen benötigte. Letzteres war zwar bei einem Einsatz in der Speiseröhre möglicherweise der Fall, weil hier ein Anhaften von Speisepartikeln zu vermeiden war; insbesondere in Blutgefäßen stellten sich derartige Probleme aber nicht. Dies wußte der Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige ebenfalls angegeben hat. Schließlich gehörte es am Prioritätstag des Streitpatents zum Stand der Technik, Implantate, nämlich Dauerkatheter ohne Umkleidung oder Einbettung in ein Hohlorgan, nämlich die Harnröhre einzusetzen; dies beschreibt die deutsche Patentschrift 25 28 273. Es lag somit nahe, eine Einbettung oder Umkleidung wegzulassen.
f) Gegen ein Naheliegen der Lösung nach dem Streitpatent insgesamt spricht auch nicht der Umstand, daß zwischen der Veröffentlichung der britischen Patentschrift und dem Prioritätstag des Streitpatents rund elfeinhalb Jahre liegen. Dies erklärt sich daraus, daß der wesentliche Anwendungsbereich für die Lehre des Streitpatents, die Ballonangioplastie, erst 1974 eingeführt wurde und sich erst danach im Lauf der Zeit die Problematik von Wiederverschlüssen der aufgeweiteten Gefäße zeigte, hierfür als generelle Lösung die Einbringung von Stützimplantaten entwickelt werden mußte und sich erst auf dieser Grundlage die Frage der zweckmäßigen Ausgestaltung solcher Implantate stellte, für die das Streitpatent eine Lösung bereithält. Somit ist der durch das Streitpatent gelöste Bedarf erst relativ kurz vor dessen Prioritätszeitpunkt aufgetreten und das Zeitmoment kann damit nicht die Annahme erfinderischer Tätigkeit stützen (vgl. Sen.Urt. v. 4. Juni 1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 861 f. - Rauchgasklappe, insoweit nicht in BGHZ 133, 57 ff. abgedruckt; EPA T 24/81, ABl. EPA 1983, 133, 142 = GRUR Int. 1983, 650, 653 - Metallveredelung; Schulte, PatG 5. Aufl. § 4 PatG Rdn. 22; Busse, PatG 5. Aufl. 1999 § 4 PatG Rdn. 172).
III. 1. Auch die nach dem ersten Hilfsantrag vorgenommene Einfügung in den verteidigten Patentanspruch 1, wonach das Implantat in Blutgefäße eingesetzt werden soll, kann die Annahme erfinderischer Tätigkeit nicht begründen. Es ist schon nicht ersichtlich, daß sich aus der zusätzlichen Angabe, die sich auf Blutgefäße jeder Art und aller Größen bezieht, Auswirkungen auf die körperliche Ausgestaltung des Implantats ergeben, und daß sich damit der geschützte Gegenstand verändern würde (vgl. Senat – Heuwerbungsmaschine, aaO). Im übrigen spricht auch schon die britische Patentschrift eine Verwendung in Blutgefäßen, wenngleich nur zum Halten von Transplantaten während des Nähens an; hierin liegt aber insgesamt ein Denkanstoß für den Fachmann, einen Einsatz in Blutgefäßen in Betracht zu ziehen.
2. In der mit dem zweiten Hilfsantrag verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 ist außerdem eine „dauernde” Implantation aufgenommen. Auch insoweit ist nicht erkennbar, daß damit eine besondere gegenständliche Ausbildung verbunden wäre; die Besonderheit besteht ersichtlich lediglich in der Therapieform. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob ein so formulierter Patentanspruch nicht in der Sache auf ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung gerichtet und damit bereits nach § 5 Abs. 2 Satz 1 PatG vom Schutz ausgeschlossen wäre. Es liegt auf der Hand, daß die Frage der Dauer des Einsatzes eines Implantats von verschiedenen Faktoren bestimmt wird, die zwar auch mit der gegenständlichen Ausbildung und der Materialwahl im Zusammenhang stehen können, im wesentlichen aber auf medizinischen Überlegungen beruhen werden und sich bei der sachgerechten Anwendung ergeben, somit aber im wesentlichen therapeutische Fragen betreffen, die der Therapiefreiheit des Arztes unterliegen. Jedenfalls waren aber Implantate zum dauernden Einsatz bekannt (vgl. den in der deutschen Patentschrift 25 28 273 beschriebenen Dauerkatheter) und auch die britische Patentschrift geht in bestimmten Anwendungsfällen von einem längerfristigen Einsatz aus. Schon von daher lag es nahe, jedenfalls in Anwendungsbereichen, die sich für einen kurzzeitigen Einsatz nicht eigneten, einen dauernden Verbleib des Implantats im Körper vorzusehen.
IV. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der in den nachgeordneten Patentansprüchen 2 bis 8 vorgesehenen zusätzlichen Merkmale ist weder jeweils für sich noch in Kombination mit weiteren Merkmalen des Patentanspruchs 1 in seinen verschiedenen verteidigten Fassungen behauptet worden; das Bundespatentgericht hat ihn nicht sehen können. Er ist nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen für den Senat nicht erkennbar.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf dem nach der Übergangsregelung in Art. 29 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze (2.PatGÄndG) übergangsweise weiterhin anwendbaren § 110 Abs. 3 Satz 1, 2 PatG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.12.1980 in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Keukenschrijver
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.05.1999 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen