Leitsatz (amtlich)
Ein Besteller, der wegen eines Baumangels die Bezahlung des Werklohns verweigert, braucht nicht zur Höhe der Mangelbeseitigungskosten vorzutragen.
Normenkette
BGB § 320 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 26.04.1995; Aktenzeichen 7 U 256/94) |
LG Koblenz (Urteil vom 20.01.1994; Aktenzeichen 9 O 124/91) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. April 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 54.645,78 DM und zur Zahlung von Zinsen verurteilt worden ist sowie Zurückbehaltungsrechte wegen Mängeln der Abdichtung der Gebäudesockel, wegen der Setzrisse und wegen der Nichtaushändigung von Baudokumenten nicht berücksichtigt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger fordert vom Beklagten aus abgetretenem Recht der Firma E.-Haus Vertriebsgesellschaft mbH (künftig: Firma E.) restlichen Werklohn.
Die Firma E. hatte für den Beklagten in einem Gewerbegebiet eine Lagerhalle sowie ein sich daran anschließendes Wohnhaus mit Garage schlüsselfertig errichtet. Nach Abnahme ihrer Arbeiten verlangte sie vom Beklagten Restwerklohn in Höhe von 115.810,60 DM. Der Beklagte erkannte diese Forderung rechnerisch nur zum Teil an und machte im übrigen zahlreiche Einwendungen geltend.
Der Kläger hat vom Beklagten nach Abtretung Zahlung von 98.000 DM und Zinsen begehrt. Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme in Höhe von 72.464,78 DM und Zinsen stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner Revision hat er seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgt. Nach Teilannahme begehrt er nunmehr Abweisung der Klage in Höhe von 17.819 DM und des gesamten Zinsausspruchs sowie die Berücksichtigung von Zurückbehaltungsrechten.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht führt aus, der Beklagte könne Ersatz des Minderwertes wegen der in Holzverbund- statt in Massivbauweise errichteten Außenwände des Wohnhauses verlangen. Allerdings stünden ihm nicht die geforderten 32.319 DM, sondern lediglich 14.500 DM zu. Dies ergebe sich aus dem im ersten Rechtszug eingeholten Sachverständigengutachten.
Das Berufungsgericht führt weiter aus, der Beklagte könne keine Zurückbehaltungsrechte geltend machen. Seine Mängelrüge, es fehle die Isolierung der Gebäudesockel, habe er im ersten Rechtszug nicht weiterverfolgt; er habe keine Ergänzung des Gutachtens beantragt. Es sei daher anzunehmen, daß er sich der Darstellung des Klägers angeschlossen habe. Zu den von ihm gerügten Setzrissen in dem Verbundestrich der Halle und der Diele des Wohnhauses habe er keinen Beweis angetreten. Schließlich könne er dem Kläger nicht entgegenhalten, ihm fehlten näher bezeichnete Baudokumente. Da er nicht behauptet habe, der Kläger sei im Besitz dieser Unterlagen, müsse er die Firma E. auf Herausgabe in Anspruch nehmen.
II.
A) Zum Minderwert
Die Erwägungen des Berufungsgerichtes halten den Angriffen der Revision nur teilweise stand.
Das Berufungsgericht durfte das Gutachten des Sachverständigen seiner Beurteilung zugrunde legen. Die hierzu erhobenen Verfahrensrügen der Revision hält der Senat nicht für durchgreifend; von einer Begründung wird abgesehen, § 565 a ZPO.
Die Revision rügt allerdings mit Recht, daß die Ausführungen des Sachverständigen zur Höhe des Minderwertes nicht folgerichtig sind, § 286 ZPO. Der Sachverständige hat zunächst allgemein die Lebensdauer eines Hauses in konventioneller Bauweise auf 80 bis 100 Jahre und die eines Hauses in Holzverbundbauweise auf 40 bis 60 Jahre geschätzt. Daraus ergibt sich rein rechnerisch jeweils eine durchschnittliche Lebensdauer von 90 und 50 Jahren; die Differenz beträgt mithin 40 Jahre. Der Sachverständige ist im Rahmen seiner nachfolgenden Berechnung allerdings nur von einem Unterschied von 20 Jahren ausgegangen. Das ist nicht folgerichtig. Der Sachverständige hat nicht erklärt, weshalb er seiner Berechnung einmal die Obergrenze (60 Jahre) und einmal die Untergrenze (80 Jahre) zugrunde legt. Das Berufungsgericht durfte danach seine Feststellungen zur Höhe des Minderwertes nicht auf die Ausführungen des Sachverständigen stützen, zumal der Beklagte den von der Revision gerügten Denkfehler schon in seiner Berufungsbegründung aufgezeigt hatte.
B) Zu den Zurückbehaltungsrechten
1. Das Berufungsgericht hat seine Feststellung, der Beklagte habe seine Mängelrüge bezüglich der Isolierung der Gebäudesockel nicht weiterverfolgt, verfahrensfehlerhaft getroffen, § 286 ZPO. Der Beklagte hat nach Eingang des Gutachtens ausdrücklich das Fehlen einerAußenisolierung der Gebäudesockel gerügt und dafür Beweis angetreten. Er hat dieses bereits vom Landgericht übergangene Vorbringen in seiner Berufungsbegründung unter erneutem Beweisantritt wiederholt, ohne daß das Berufungsgericht darauf eingegangen ist. Den vom Kläger im zweiten Rechtszug vorgelegten Lichtbildern hat das Berufungsgericht lediglich entnommen, eineInnenisolierung sei vorhanden.
2. Die Revision rügt mit Erfolg die Ausführungen zu den behaupteten Setzrissen im Verbundestrich der Halle und der Diele des Wohnhauses. Das Berufungsgericht hat den in der Berufungsbegründung hierzu gestellten Beweisantrag verfahrensfehlerhaft übergangen, § 286 ZPO.
Dagegen ist nicht einzuwenden, der Beklagte habe nicht beziffert, in welcher Höhe er seine Leistung wegen dieser Mängel zurückbehalten wolle. Der Vortrag des Beklagten zu seiner Einrede ist auch ohne eine derartige Angabe schlüssig. Nach § 320 Abs. 1 BGB kann ein Besteller wegen eines Mangels die Zahlung des noch offenen Werklohns des Unternehmers verweigern; das Gesetz sieht eine Beschränkung des Leistungsverweigerungsrechtes auf einen dem noch ausstehenden Teil der geschuldeten Gegenleistung entsprechenden Teil grundsätzlich nicht vor (Senatsurteil vom 13. Juli 1970 – VII ZR 176/68 = BGHZ 54, 244, 249). Es ist Sache des Unternehmers (Auftragnehmers) darzutun, daß der einbehaltene Betrag auch bei Berücksichtigung des Durchsetzungsinteresses des Bestellers (Auftraggebers) (sog. Druckzuschlag) unverhältnismäßig und deshalb unbillig hoch ist.
3. Die Begründung des Berufungsgerichts, der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, ihm fehlten die auf Blatt 345 GA näher aufgeführten Baudokumente, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Hatte der Beklagte, wovon in der Revision mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, im Zeitpunkt der Abtretung der Ansprüche an den Kläger einen begründeten Anspruch gegen die Firma E. auf Herausgabe der Unterlagen, so steht ihm insoweit nach § 404 BGB ein Zurückbehaltungsrecht auch gegenüber dem Kläger als dem jetzigen Gläubiger der Werklohnforderung zu (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1991 – XI ZR 45/90 = NJW 1991, 1821). Dabei ist es ohne Belang, ob der Kläger oder die Firma E. die näher bezeichneten Baudokumente in Besitz hat.
C) Zu den Zinsen
Der Anspruch des Klägers auf Verzugszinsen hängt davon ab, ob und inwieweit die vom Berufungsgericht nicht beschiedenen Einreden den Beklagten berechtigen, den restlichen Werklohn zurückzubehalten; das Berufungsurteil war daher auch im Zinsausspruch aufzuheben.
Unterschriften
L, Q, T, H, W
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.07.1996 durch Werner Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512604 |
NJW 1997, 734 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 35 |