Leitsatz (amtlich)
Eine Grundschuld, die zur Absicherung mehrerer Darlehen unterschiedlicher Schuldner bestellt wurde, kann vom Gläubiger, sofern nichts Abweichendes vereinbart wurde, in vollem Umfang zur Befriedigung wegen eines der gesicherten Darlehen verwertet werden, wenn die Voraussetzungen für die Verwertung gerade bei diesem Darlehen eingetreten sind. Eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Schuldner anderer gesicherter Darlehen besteht dabei auch dann nicht, wenn die Darlehensnehmer die Sicherheit gemeinsam zur Verfügung gestellt haben.
Normenkette
BGB § 1191
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge
- das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist,
- das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 1. Juni 1994 geändert.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin insgesamt – einschließlich des vom Oberlandesgericht zuerkannten Betrags – 99.140,21 DM nebst 9,75 % Zinsen aus 86.568,01 DM für die Zeit vom 18. bis zum 30. Juli 1991 und 10,8 % aus 86.568,01 DM ab 31. Juli 1991 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der Anrechnung eines Versteigerungserlöses auf die Darlehensverbindlichkeiten der Beklagten. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die beklagten Eheleute und die Eheleute B. beabsichtigten im Rahmen des sogenannten Bauherrenmodells den Erwerb eines Hausgrundstücks. Beide Ehepaare sollten jeweils hälftige Miteigentümer werden. Die klagende Sparkasse, die das gesamte Bauvorhaben finanzierte, gewährte 1981 in zwei gleichlautenden Darlehensverträgen den Beklagten und den Eheleuten B. Darlehensbeträge von jeweils 191.480 DM, die durch eine Grundschuld in Höhe von 382.950 DM auf dem Grundstück gesichert wurden. Unter Ziffer 13 der Vertragsurkunden wurde festgelegt, daß die Grundschuld insbesondere auch zur Absicherung des Darlehens des jeweils anderen Ehepaares dienen sollte.
1986 gerieten die Eheleute B. in Zahlungsrückstand. Die Klägerin kündigte ihnen das Darlehen und betrieb die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld. Die Versteigerung des Grundstücks im Oktober 1988 erbrachte einen Erlös von 280.429,77 DM. Damit tilgte die Klägerin die Verbindlichkeiten der Eheleute B. in vollem Umfang und brachte den Restbetrag von 74.873,84 DM den Beklagten gut. Die Beklagten waren mit dieser Aufteilung nicht einverstanden und verweigerten weitere Zahlungen auf ihre Darlehensverbindlichkeiten. Die Klägerin kündigte daraufhin mit Schreiben vom 17. Juli 1991 das Darlehen der Beklagten zum 30. Juli 1991 und stellte es mit einer Kontenabrechnung über 100.720,68 DM fällig.
Die Klägerin hat die Beklagten zunächst auf Zahlung von 92.365,44 DM nebst 10,8 % Zinsen seit dem 24. Januar 1992 verklagt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin 86.568,01 DM nebst 10,8 % Zinsen seit dem 17. Juli 1991 sowie weitere 12.572,20 DM Zinsen verlangt. Das Berufungsgericht hat ihr 21.802,68 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, jedoch nicht mehr als insgesamt 10,8 %, seit dem 1. August 1991 zugesprochen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter, soweit das Berufungsgericht ihnen nicht entsprochen hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat überwiegend Erfolg; sie führt – mit Ausnahme einer geringfügigen Herabsetzung der Zinsforderung – zur Verurteilung der Beklagten.
I.
Das Berufungsgericht hat die Verteilung des Versteigerungserlöses durch die Klägerin nicht gebilligt und den Beklagten stattdessen den halben Erlösbetrag (140.214,89 DM) gutgebracht. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gehe hervor, daß die Klägerin ursprünglich eine Gesamtschuldnerschaft der Beklagten und der Eheleute B. gewollt habe, die Beklagten dies jedoch abgelehnt hätten. Deshalb hätten beide Ehepaare jeweils getrennte und nur sie verpflichtende Schuldurkunden über die jeweilige Hälfte des Gesamtbetrages unterzeichnet. Dementsprechend habe die Klägerin in der Folge auch mit beiden Ehepaaren jeweils selbständig abgerechnet und für sie eigene Konten geführt.
Aus diesen Umständen ergebe sich, daß es zusätzliche Erklärungen gegeben habe und die Schuldurkunde die Vereinbarung der Parteien nicht erschöpfend regele. Demnach sei davon auszugehen, daß die Haftung der Beklagten sich nur auf die Hälfte des durch die Grundschuld abgesicherten Betrages erstreckt habe. Bleibe aber die persönliche Haftung der Beklagten auf ihren Darlehensanteil beschränkt, so enthalte jede andere Anrechnung von Erlösen aus dem Grundstück auf die Darlehensverbindlichkeiten als jeweils zu 1/2 eine unzulässige Begünstigung der Klägerin. Die von ihr vorgenommene Aufteilung der Erlöse führe zu einer Gesamthaftung, die gerade nicht gewollt gewesen sei.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Unterschied zwischen persönlicher Verbindlichkeit und dinglicher Haftung verkannt und die Bestimmungen unter Ziffer 13 der Darlehensurkunde unberücksichtigt gelassen.
1. Die Beklagten haben dadurch, daß sie jeweils getrennte Darlehensverträge für sich und die Eheleute B. durchgesetzt haben, lediglich erreicht, daß sie nicht als Gesamtschuldner für deren Darlehen mithafteten. Das betraf jedoch nur die Frage des persönlichen Einstehenmüssens für die Darlehensverbindlichkeiten und nicht den Bereich der dinglichen Absicherung. Dieser Bereich war unter Ziffer 13 der Darlehensurkunde dahin geregelt, daß die Grundschuld, die zugunsten der Klägerin an dem gemeinsamen Grundstück der Beklagten und der Eheleute B. vorgesehen war, „insbesondere auch zur Sicherstellung des Darlehens … an die Eheleute … B.” dienen sollte.
Eine Grundschuld, die zur Absicherung mehrerer Darlehen unterschiedlicher Schuldner bestellt wurde, kann vom Gläubiger, sofern nichts Abweichendes vereinbart ist, ohne weiteres und in vollem Umfang zur Befriedigung wegen eines der gesicherten Darlehen verwertet werden, wenn die Voraussetzungen für die Verwertung gerade bei diesem Darlehen eingetreten sind. Eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Schuldner anderer gesicherter Darlehen besteht dabei auch dann nicht, wenn die Darlehensnehmer die Sicherheit gemeinsam zur Verfügung gestellt haben. Die anderen Darlehensnehmer müssen sich in solchen Fällen ebenso behandeln lassen wie jeder Sicherungsgeber, der für fremde Schulden Sicherheiten bestellt hat und vom Sicherungsnehmer grundsätzlich keine besondere Rücksichtnahme bei der Sicherheitenverwertung verlangen kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. April 1997 – XI ZR 176/96, WM 1997, 1247, 1249).
2. Im vorliegenden Fall bestehen keine von diesen Grundsätzen abweichenden Vereinbarungen der Parteien. Aus der Darlehensurkunde ergeben sich solche Abreden nicht. Auch mündliche Vereinbarungen über eine Einschränkung der Befugnisse der Klägerin zur Verwertung der Grundschuld hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es ist lediglich zu der Feststellung gelangt, im Vorfeld der Unterzeichnung der Darlehensurkunde habe es „zusätzliche Erklärungen” gegeben, nämlich die Weigerung der Beklagten, eine gesamtschuldnerische Mithaftung für das Darlehen der Eheleute B. zu übernehmen. Dieser Weigerung hat die Klägerin durch den Abschluß getrennter Darlehensverträge mit jedem der beiden Ehepaare Rechnung getragen. Hinsichtlich der unter Ziffer 13 der Darlehensurkunde geregelten dinglichen Absicherung beider Darlehen durch eine Grundschuld ergibt sich daraus jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen. Diese Grundsätze müssen daher auch im vorliegenden Fall gelten. Von einer „Gesamthaftung” kann dabei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Rede sein. Wenn es die Absicht der Parteien gewesen wäre, die Beklagten auch hinsichtlich einer möglichen Grundschuldverwertung vor Nachteilen aus Leistungsstörungen auf seiten der Eheleute B. zu bewahren, so hätte es nahegelegen, entweder getrennte Grundschulden in entsprechend geringerer Höhe vorzusehen oder zumindest Regelungen über die Erlösverteilung im Falle der Grundschuldverwertung in die Darlehensurkunden aufzunehmen. Eine derartige Regelung kann nicht nachträglich entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Zweckerklärung in die vertraglichen Vereinbarungen hineininterpretiert werden.
III.
Das Berufungsurteil konnte daher im Hauptpunkt keinen Bestand haben. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Dabei ergibt sich, daß den Anträgen der Klägerin mit einer geringfügigen Einschränkung hinsichtlich der Zinsforderung stattzugeben ist.
1. Da die Klägerin berechtigt war, sich wegen ihrer notleidenden Darlehensforderung gegen die Eheleute B. in voller Höhe aus dem Versteigerungserlös des Grundstücks zu befriedigen, hat sie den Beklagten mit Recht nur den verbleibenden Rest des Erlöses gutgebracht. Daraus folgt, da die übrigen Berechnungsgrundlagen der Darlehensforderung der Klägerin nicht im Streit sind, daß der Klägerin in der Hauptsache über die vom Berufungsgericht zugesprochenen 21.802,68 DM hinaus weitere 64.765,33 DM zustehen.
2. Aus der Berechtigung der von der Klägerin durchgeführten Aufteilung des Versteigerungserlöses ergibt sich auch die Begründetheit der von ihr geltend gemachten Forderung nach rückständigen Vertragszinsen in Höhe von 12.572,20 DM für die Zeit bis zum 17. Juli 1991. Die übrigen Berechnungsgrundlagen dieser Zinsforderung werden von den Beklagten nicht in Frage gestellt.
3. Überwiegend begründet ist auch die weitere Zinsforderung der Klägerin.
a) Verzugszinsen kann die Klägerin allerdings erst für die Zeit ab dem 31. Juli 1991 verlangen, weil sie in ihrem Kündigungsschreiben vom 17. Juli 1991 den Beklagten eine Zahlungsfrist bis zum 30. Juli 1991 eingeräumt hat. Soweit ihr Verzugszinsen zustehen, kann sie im Wege der abstrakten Schadensberechnung (vgl. dazu BGHZ 62, 103, 107 f.; 104, 337, 344 ff.) den geltend gemachten Zinssatz von 10,8 % beanspruchen, weil sie – von den Beklagten unbestritten – vorgetragen hat, daß der gewichtete Durchschnittszinssatz ihres Aktivgeschäfts 10,8 % beträgt.
b) Für die Zeit vom 18. Juli 1991 bis zum 30. Juli 1991 steht der Klägerin dagegen nur der vertraglich vereinbarte Darlehenszins von 9,75 % zu.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller
Fundstellen
Haufe-Index 1825798 |
NJW 1998, 601 |
JurBüro 1998, 277 |
Nachschlagewerk BGH |
WuB 1998, 227 |
ZAP 1998, 207 |
DNotZ 1999, 133 |
MDR 1998, 146 |
ZBB 1998, 35 |
ZNotP 1998, 77 |