Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, nach welcher Grundstücksqualität die Enteignungsentschädigung zu bemessen ist, wenn das enteignete Grundstück ursprünglich über sieben Jahre lang – ohne Verwirklichung dieser Nutzung – Bauland war, jedoch anschließend durch einen Bebauungsplan, der die bauliche Nutzbarkeit im übrigen Plangebiet unverändert läßt, als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen worden ist.
Normenkette
BauGB § 95 Abs. 2 Nr. 7, § 42 Abs. 3 S. 1, § 43 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beteiligten zu 2 gegen das Urteil des Senats für Baulandsachen des Kammergerichts vom 6. März 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2 hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin eines 617 m² großen Grundstücks in Berlin-Schöneberg, das früher mit einem im Krieg zerstörten fünfgeschossigen Mietshaus bebaut war und seither brachliegt. Im Baunutzungsplan für (u.a.) Schöneberg vom 28. Dezember 1960 war das Grundstück als allgemeines Wohngebiet der Baustufe V/3 (GFZ 1,5) dargestellt.
Wegen des Erweiterungsbedarfs einer seit 1970 auf dem angrenzenden Grundstück von der Gemeinde betriebenen Kindertagesstätte stellte das Bezirksamt Schöneberg von Berlin am 18. November 1992 einen – durch Verordnung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 26. September 1994 (GVBl. S. 424) festgesetzten – Bebauungsplan auf, durch den das Grundstück der Beteiligten zu 1 in eine Fläche für den Gemeinbedarf, Zweckbestimmung: „Kindertagesstätte und Anlagen für soziale Zwecke” einbezogen wurde. Der Bebauungsplan erfaßte außer dem Bereich der Kindertagesstätte und dem Grundstück der Beteiligten zu 1 auch einige weitere Grundstücke, für die es jedoch bei der Einstufung als allgemeines Wohngebiet mit wenigstens fünfgeschossiger Bebauung verblieb.
Die Beteiligte zu 1 verlangte vom Land Berlin die Übernahme ihres Grundstücks und beantragte mangels einer Einigung über den Preis am 20. Dezember 1994 bei der Beteiligten zu 5 (Enteignungsbehörde) die Entziehung ihres Eigentums. Mit Beschluß vom 11. April 1996 hat die Beteiligte zu 5 das Grundstück zugunsten des Landes Berlin enteignet. Die vom Land Berlin zu leistende Enteignungsentschädigung hat der Beteiligte zu 5 im Hinblick auf eine derzeit noch mögliche gewerbliche Nutzung des Grundstücks als Lagerplatz oder Standort für einen Gebrauchtwagenhandel auf 336.000 DM (und ausgehend hiervon die der Beteiligten zu 1 zu erstattenden notwendigen Rechtsvertretungskosten auf 8.856,61 DM) festgesetzt. Das Ansinnen der Beteiligten zu 1, für die Höhe der Enteignungsentschädigung auf die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks vor der Nutzungsänderung durch den Bebauungsplan vom 26. September 1994 abzustellen, hat der Beteiligte zu 5 mit dem Hinweis auf die über die Sieben-Jahres-Frist nach § 42 Abs. 3 BauGB hinaus unterbliebene Bebauung des Grundstücks abgelehnt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Landgericht (Kammer für Baulandsachen) und Kammergericht (Senat für Baulandsachen) haben der Beteiligten zu 1 recht gegeben, das Kammergericht in einer Urteilsfassung, wonach die vom Land Berlin an die Beteiligte zu 1 zu leistende Entschädigung anstelle von 336.000 DM 1.120.000 DM beträgt und sich die zu erstattenden Auslagen der Beteiligten zu 1 für ihre Rechtsvertretung auf 23.592,25 DM anstelle von 8.856,61 DM belaufen. Mit der Revision erstrebt das Land Berlin die Wiederherstellung der Entscheidung der Beteiligten zu 5 zur Höhe der Enteignungsentschädigung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Mit Recht hat das Berufungsgericht (in Übereinstimmung mit der Kammer für Baulandsachen) entschieden, daß die Entschädigung der Beteiligten zu 1 für das aufgrund ihres Übernahmeverlangens (§§ 40 Abs. 2, 43 Abs. 1 BauGB) enteignete Grundstück nach der Qualität Bauland (baureifes Land in einem allgemeinen Wohngebiet mit fünfgeschossiger Bebauung) zu bemessen ist, nicht etwa nur – wie im Enteignungsbeschluß der Beteiligten zu 5 angenommen – nach einem an der ausgeübten bzw. vor der Enteignung zuletzt ausübbaren Nutzung ausgerichteten Ertragswert.
1. a) Maßgebend für die Bestimmung der „Qualität”, also der Gesamtheit der im Enteignungsobjekt liegenden Bewertungsmerkmale, ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Eingriffs, d.h. der Tag, an dem die Enteignungsbehörde über den Enteignungsantrag entscheidet (§ 93 Abs. 4 BauGB). Dieser Zeitpunkt kann sich jedoch ausnahmsweise verschieben. So bleiben gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 BauGB bei der Festsetzung der Entschädigung u.a. Wertänderungen unberücksichtigt, die infolge der bevorstehenden Enteignung eingetreten sind. Diese Regelung bringt den Grundsatz der sog. Vorwirkung der Enteignung zum Ausdruck. Bei einem sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Enteignungsverfahren tritt an die Stelle des Enteignungsbeschlusses oder der Besitzeinweisung diejenige Maßnahme, von der ab eine weitere Entwicklung des Objekts, insbesondere der Qualität des Grundstücks verhindert, also das Grundstück endgültig von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 98, 341, 342 und vom 20. April 1989 - III ZR 237/87 - BGHR GG Art. 14 Abs. 3 Satz 3 Vorwirkung 4). Vorliegend stellt sich die Beplanung des Grundstücks der Beteiligten zu 1 durch den Bebauungsplan vom 26. September 1994 als Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung „Kindertagesstätte und Anlagen für soziale Zwecke” als Vorwirkung der späteren Entziehung des Eigentums an dem Grundstück dar. Die Enteignung ist die Folge einer verbindlichen Planung, die den Entzug des Grundeigentums mit Sicherheit erwarten ließ. Unter Berücksichtigung dieser Vorwirkung des Bebauungsplans – einschließlich des Verfahrens, das zu seiner Festsetzung führte – bietet sich hier mithin ein davor liegender Zeitpunkt als maßgeblicher Qualitätsstichtag an.
b) Zu dieser Zeit war das Grundstück im Baunutzungsplan vom 28. Dezember 1960 als allgemeines Wohngebiet der Baustufe V/3 (GFZ 1,5) dargestellt. Damit war es nach den weiteren vom Berufungsgericht im Anschluß an das Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte vom 24. November 1995 getroffenen Feststellungen – ersichtlich auch aufgrund seiner Lage im Innenbereich (§ 34 BauGB) – baureifes Land als allgemeines Wohngebiet der Baustufe V/3 mit einer realisierbaren Geschoßflächenzahl von 2,1. Für die Annahme dieser – damaligen – Qualität, die auch die Revision nicht in Zweifel zieht, kommt es auf eine nähere Beurteilung der Rechtsnatur des Baunutzungsplans vom 28. Dezember 1960 nicht an (vgl. dazu Jaeckel/Förster, Bauordnung für Berlin in der Fassung vom 21. November 1958, Ausgabe 1959, S. 38, 39, 46).
2. a) Die beschriebene Methode der Qualitätsermittlung des enteigneten Grundstücks unter Rückgriff auf den Grundsatz der Vorwirkung der Enteignung (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 BauGB) führt auch im Streitfall zur gesetzmäßigen Entschädigung. Aus § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB ergibt sich nichts anderes.
Nach dieser Vorschrift, die im Fall der Übernahme eines Grundstücks von der Verweisung in § 43 Abs. 1 Satz 3 BauGB umfaßt wird, bleiben bei der Festsetzung der Entschädigung Bodenwerte unberücksichtigt, die nicht zu berücksichtigen wären, wenn der Eigentümer eine Entschädigung in den Fällen der §§ 40 bis 42 BauGB geltend machen würde. Diese sog. Reduktionsklausel knüpft nach ihrem Wortlaut und Sinn – wie heute überwiegend anerkannt ist (vgl. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr BauGB 6. Aufl. § 95 Rn. 10; Krohn, in: BerlKomm zum BauGB 2. Aufl. § 95 Rn. 18; Reisnecker, in: Brügelmann BauGB § 95 Rn. 174; Schmidt-Assmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg BauGB § 95 Rn. 101 g; Breuer, in: Schrödter BauGB 6. Aufl. § 95 Rn. 44 jeweils m.w.N.) – nicht nur an den Tatbestand des § 43 Abs. 4 BauGB an (um den es hier nicht geht), sondern auch an die sog. Reduktions- und Harmonisierungsklauseln des Planungsschadensrechts: Wird durch einen Bebauungsplan die zulässige Nutzung eines Grundstücks erst nach Ablauf einer Frist von sieben Jahren ab Zulässigkeit aufgehoben oder geändert, kann der Eigentümer eine Entschädigung (vgl. § 42 Abs. 1 BauGB) nur für Eingriffe in die ausgeübte Nutzung verlangen, insbesondere wenn infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung die Ausübung der verwirklichten Nutzung oder die sonstigen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks, die sich aus der verwirklichten Nutzung ergeben, unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden. Eine Wertminderung des Grundstücks wegen Aufhebung oder Änderung der bisher zulässigen aber nicht ausgeübten Nutzbarkeit kommt nach dem Ablauf dieser Frist grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Zusätzlich bestimmt § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB (als sog. Harmonisierungsklausel), daß in den Fällen der §§ 40 und 41 – und um einen Fall der Beplanung früheren Baulandes der Beteiligten zu 1 als Fläche für den Gemeinbedarf nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BauGB handelt es sich hier – „solche Wertminderungen nicht zu berücksichtigen” sind, „die bei Anwendung des § 42 nicht zu entschädigen wären”.
Da im Streitfall außer Frage steht, daß bezogen auf das Grundstück der Beteiligten zu 1 die Frist von sieben Jahren mit baulicher Nutzbarkeit im Rahmen eines allgemeinen Wohngebiets, die am 1. Januar 1977 mit dem Inkrafttreten des mit der Novelle 1976 zum Bundesbaugesetz neu geregelten Planungsschadensrechts (Gesetz zur Änderung des Bundesbaugesetzes vom 18. August 1976, BGBl. I S. 221) zu laufen begonnen hatte, am 31. Dezember 1983 endete (vgl. Senatsurteil BGHZ 118, 11, 13), könnte aus dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang der §§ 95 Abs. 2 Nr. 7, 42 Abs. 3 und 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB der Schluß gezogen werden, daß die frühere, über sieben Jahre nicht ausgenutzte Bebaubarkeit als Merkmal für die Wertbestimmung unberücksichtigt bleibt und die maßgebliche Qualität nur nach der im Zeitpunkt des Enteignungszugriffs ausgeübten Nutzung (vgl. § 42 Abs. 3 Satz 1 BauGB) zu beurteilen ist.
b) Der erkennende Senat folgt jedoch mit dem Berufungsgericht der herrschenden Meinung in der enteignungsrechtlichen Fachliteratur darin, daß für den vorliegenden Fall der Enteignung – hier: auf ein begründetes Übernahmeverlangen des Eigentümers – im Anschluß an eine insoweit ausschließlich fremdnützige und damit „eigentumsverdrängende” (vgl. Senatsurteil BGHZ 118, 11, 21) Planung insbesondere im Blick auf das Grundrecht des Art. 14 GG und den allgemeinen Gleichheitssatz eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung der genannten Gesetzesbestimmungen aus der Baurechtsnovelle 1976 vorgenommen werden muß, mit der Folge, daß hier dem Grundstück der Beteiligten zu 1 für die Entschädigung die im Plangebiet nach der Be- bzw. Umplanung allgemein verbleibende bauliche Nutzbarkeit als Qualitätsmerkmal angerechnet werden muß (vgl. zu diesem Fragenkreis Battis aaO § 95 Rn. 10; Krohn aaO § 42 Rn. 2 ff; ders., Festschrift für Schlichter [1995], S. 439 ff, 452 ff Reisnecker aaO Rn. 175 ff, 181; Bielenberg/Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg BauGB § 42 Rn. 105 a; Bielenberg aaO § 43 Rn. 36; Schmidt-Assmann aaO; Breuer aaO Rn. 46 ff).
aa) Es war eines der Ziele der Neuregelung des Planungsschadensrechts durch die Novelle 1976 zum Bundesbaugesetz, die in das Baugesetzbuch mit geringen Änderungen übernommen wurde, mit der grundsätzlichen Beschränkung des vermögensrechtlichen Schutzes der planungsrechtlich zulässigen Nutzung auf sieben Jahre die städtebauliche Entwicklung insbesondere auch dadurch zu fördern, daß städtebaulich notwendige Änderungen baurechtlich zulässiger Nutzungen nicht an Entschädigungsforderungen – aus einer unbefristeten vermögensrechtlichen Plangewährleistung – scheiterten (vgl. BT-Drucks. 7/2496, S. 29, 55 f; wegen der Einzelheiten der Entstehung der Novelle 1976 Bielenberg aaO Vorbem. §§ 39-44 Rn. 30 ff; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 118, 11, 16). Bei diesem Konzept des Gesetzgebers mit der Einführung einer zeitlich begrenzten Nutzungsgewährleistung, die das Vertrauen in den Fortbestand bisher zulässiger Nutzungen nach Ablauf einer Frist von sieben Jahren außer bei ausgeübten Nutzungen nicht mehr gegen Umplanungen schützt, handelt es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), gegen die grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (Battis aaO § 42 Rn. 3; Krohn, in: BerlKomm zum BauGB § 42 Rn. 2; Reisnecker aaO § 95 Rn. 180; Bielenberg aaO Vorbem. §§ 39-44 Rn. 93; Breuer aaO § 42 Rn. 100; vgl. auch Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog GG Art. 14 Rn. 421). Unabhängig davon, ob, wie Rechtsprechung und herrschende Meinung annehmen (vgl. Senat BGHZ 88, 51, 59; 118, 59, 66; Urteil vom 25. Januar 1973 - III ZR 256/68 - NJW 1973, 616, 618 f; BGH, Urteil vom 22. Juni 1990 - V ZR 59/89 - NJW 1991, 176 f; BVerwG NVwZ 1986, 556; 1998, 842, 844 mit Einschänkungen für den Bestandsschutz; BayVerfGH NVwZ 1986, 551 f; 1992, 160; BayVerwGH NVwZ-RR 1997, 343; Krautzberger, in Battis/Krautzberger/Löhr aaO § 1 Rn. 7; Krohn, Festschrift für Schlichter 1995, 439, 441 f; Papier aaO Rn. 58 ff, 66, 410 f), die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG das Recht des Eigentümers umfaßt, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze zu bebauen („Baufreiheit”), oder ob es sich bei der baulichen Nutzbarkeit eines Grundstücks nur um eine aus dem Inhalt des privaten Eigentums ausgeschiedene, öffentlich-rechtlich „zugeteilte” oder „verliehene” Befugnis handelt (vgl. Breuer DÖV 1978, 189, 190 f; ders., in Schrödter BauGB 6. Aufl. § 42 Rn. 7 ff; Schmidt-Assmann DVBl. 1972, 627, 632; Schulte DVBl. 1979, 133), können sich gesetzliche Regelungen, durch die die bauliche Nutzbarkeit allgemein eingeschränkt oder aufgehoben wird oder die planerische Festsetzungen erlauben, die die bisherige Bodennutzbarkeit eines Gebiets aufheben oder ändern – ohne die Privatnützigkeit der Nutzung als solche anzutasten (vgl. Papier aaO Rn. 422) –, im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) halten, soweit die weiteren verfassungsrechtlichen Erfordernisse hierfür – insbesondere die Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Erhaltung der Substanz des Eigentums und die Beachtung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG – erfüllt sind (vgl. BVerfGE 31, 275, 284 f; 79, 174, 198; 83, 201, 211 ff; 87, 114, 138 f; BVerfG NJW 1998, 367 f).
bb) Hiervon ausgehend liegt es grundsätzlich auch im Rahmen einer zulässigen Inhaltsbestimmung des Eigentums, daß nach dem Planungsschadensrecht dann, wenn im Plangebiet von fremdnützigen Festsetzungen (§ 40 Abs. 1 BauGB) betroffene Eigentümer mit Erfolg die Übernahme ihres Grundstücks durch die Gemeinde verlangen oder gegen ihren Willen enteignet werden, sie sich unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 Satz 1 BauGB – planbedingte Aufhebung einer sieben Jahre lang zulässigen, aber nicht verwirklichten Nutzung – mit einer Enteignungsentschädigung abfinden müssen, die an keine bessere Bodenqualität anknüpft als an die im Falle einer allgemeinen Herabstufung der Nutzbarkeit durch den zugrundeliegenden Bebauungsplan verbliebene Nutzbarkeit im Plangebiet. In diesem Sinne hat der Gesetzgeber mit der Einführung der jetzt in § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB enthaltenen Harmonisierungsklausel dem Gleichbehandlungsgrundsatz, und zwar in erster Linie dem Gedanken Rechnung tragen wollen, daß derjenige, der nach einer Planänderung sein Grundstück behält, demjenigen gleichgestellt wird, der sein Grundstück im Wege des Übernahmeverlangens an die Gemeinde abgibt (vgl. BT-Drucks. 7/4793 S. 41).
Gerade der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung bzw. der Lastengleichheit als unverzichtbares Element einer Enteignungsentschädigungsbestimmung, die nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu erfolgen hat, verbietet im vorliegenden Zusammenhang aber auch eine wertmäßige Benachteiligung desjenigen, der im Hinblick auf eigentumsverdrängende Planungen nach § 40 Abs. 1 enteignet wird, gegenüber demjenigen, der sein Grundstück nach einer Planänderung – ohne eigentumsverdrängende Festsetzungen bezüglich seines Grundstücks – behält. Das heißt, es gibt unter dem Gesichtspunkt der Lastengleichheit keinen sachlichen Grund, den im Hinblick auf eigentumsverdrängende Festsetzungen der Planung letztlich enteigneten Eigentümer bei der Bewertung des ihm Genommenen in Anwendung der §§ 42 Abs. 3, 43 Abs. 3 Satz 2, 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB über diejenigen Minderungen des Bodenwertes hinaus, die sich aus den in § 42 BauGB angesprochenen – sich im Bereich der Privatnützigkeit des Eigentums haltenden – Planungsmaßnahmen ergeben, entschädigungslos zu lassen.
(1) Es kann dahingestellt bleiben, ob schon dem Wortlaut nach die – im Streitfall die §§ 42 Abs. 3 und 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB verknüpfende – Vorschrift des § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB, wonach in den Fällen der §§ 40 und 41 solche Wertminderungen nicht zu berücksichtigen sind, „die bei Anwendung des § 42 nicht zu entschädigen wären”, allgemein (nur) dahin verstanden werden kann, daß sie in den Fällen der §§ 40 und 41 BauGB entzogene – nicht ausgenutzte – Bodenwerte nur von einer Entschädigung ausschließt, soweit es sich um die Auswirkung von Planungsmaßnahmen handelt, die sich noch im Bereich der Privatnützigkeit halten, also nicht eigentumsverdrängender Natur sind (vgl. dazu Krohn, in: BerlKomm aaO § 43 Rn. 8; ders. § 95 Rn. 18).
Jedenfalls ergibt sich diese Einschränkung für Fälle wie dem vorliegenden aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB, soweit er sich – über § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB – auf die Entschädigung für die administrative Enteignung eines Grundstücks infolge eigentumsverdrängender planerischer Festsetzungen auswirkt. Die (Wert-)Garantie des Eigentums und der in Art. 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Lastengleichheit verbieten es, einzelne Eigentümer, die in einem Plangebiet von eigentumsverdrängenden Festsetzungen betroffen sind, im Falle der Enteignung mit einem (weiteren) Sonderopfer und im Verhältnis zu den übrigen Planbetroffenen ungleich und unzumutbar zu belasten. Diese verfassungsrechtlichen Grundlagen fordern vielmehr, daß dann, wenn die in Rede stehende Be- oder Umplanung insgesamt zu einer „Herabzonung” des Plangebiets geführt hat, die Enteignungsentschädigung des von Festsetzungen nach § 40 Abs. 1 BauGB betroffenen Eigentümers zwar auf der Grundlage der Herabzonung, insoweit aber nach der im Plangebiet allgemein verbliebenen – etwa auch noch baulichen – Nutzung zu bemessen (vgl. Battis aaO § 95 Rn. 10; Krohn aaO § 43 Rn. 8; ders. § 95 Rn. 18; Bielenberg aaO § 43 Rn. 36; Schmidt-Assmann aaO § 95 Rn. 101 g; grundsätzlich abweichend Breuer aaO § 95 Rn. 46, 47, der allerdings anerkennt, daß in einem zweistufigen Vorgehen zunächst eine zulässige, aber nicht ausgeübte Bodennutzung nach Ablauf der Sieben-Jahres-Frist aufgrund unmittelbarer Anwendung der genannten planungsschadensrechtlichen Klauseln entschädigungslos aufgehoben oder geändert werden kann und danach bei einer Enteignung des betroffenen Grundstücks die Entschädigung auf der Grundlage der Herabzonung sowie der hierdurch bedingten Wertminderung zu bemessen ist).
Dieselben Überlegungen im Blick auf Art. 14 i.V.m. Art. 3 GG führen dann, wenn die die spätere Enteignung auslösende eigentumsverdrängende Planung (§ 40 Abs. 1 BauGB) nicht von einer gleichzeitigen allgemeinen Nutzungsbeschränkung im Plangebiet begleitet wird – also bei „isolierter” eigentumsverdrängender Planung – zwangsläufig zu einer Enteignungsentschädigung nach derjenigen Grundstücksqualität (Nutzbarkeit), die das enteignete Grundstück vor der es herabzonenden Ausweisung im Bebauungsplan besaß und die übrigen Grundstücke im Plangebiet weiterhin besitzen (Krohn aaO § 95 Rn. 19; Bielenberg aaO § 43 Rn. 36 a.E.; im grundsätzlichen Ansatz [Gesichtspunkt der Lastengleichheit] ähnlich, jedoch im Ergebnis – nicht überzeugend – nur eine Enteignungsentschädigung nach Bauerwartungslandqualität befürwortend Reisnecker aaO Rn. 181; a.A. Breuer aaO Rn. 46, 47).
c) Das führt im Streitfall im Ergebnis dazu, daß der Vorwirkungsgrundsatz (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 BauGB) von der Regelung in § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB unberührt bleibt, mithin zu der vom Berufungsgericht zuerkannten Enteignungsentschädigung des Beteiligten zu 1 auf der Grundlage der vor der Beplanung vom 26. September 1994 gegebenen Baulandqualität. Denn durch diesen Bebauungsplan, der schließlich zum Entzug des Eigentums der Beteiligten zu 1 geführt hat, erfolgte keine allgemeine Herabzonung des Plangebiets im Sinne des § 42 BauGB, und die übrigen Grundstücke im Plangebiet behielten ihre bisherige (bauliche) Nutzbarkeit. Ob eine andere Beurteilung in Betracht käme, wenn die übrigen Grundstücke im Plangebiet bei Inkrafttreten des Bebauungsplans bereits im Sinne der Festsetzungen desselben bebaut und nur noch das Grundstück der Beteiligten zu 1 als „Baulücke” vorhanden gewesen wäre, kann dahinstehen (vgl. hierzu Krohn aaO § 95 Rn. 19 S. 1519). Von einem solchen Sachverhalt ist im vorliegenden Revisionsverfahren entgegen der Revision nicht auszugehen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfaßte der Bebauungsplan vom 26. September 1994 auch einige der angrenzenden Grundstücke, für die es bei der Einstufung als allgemeines Wohngebiet verblieb. Daß sämtliche dieser von dem Bebauungsplan noch betroffenen Grundstücke bereits in vollem Umfang – im Sinne der vorgesehenen baulichen Nutzbarkeit – bebaut waren, ergibt sich daraus nicht, auch nicht aus dem von der Revision zitierten allgemeinen Vortrag der Beteiligten zu 1 in den Tatsacheninstanzen, Baulücken seien im Lauf der Zeit geschlossen worden.
3. Der in der Revisionsverhandlung vom Land Berlin gestellte Antrag, der Enteignungsbehörde vorzeitig die Anordnung der Ausführung des Enteignungsbeschlusses vom 11. April 1996 aufzugeben (§ 225 BauGB), ist im Hinblick auf das vorliegende Revisionsurteil, durch das der Enteignungsbeschluß Bestandskraft erlangt – so daß dessen Ausführung nach § 117 BauGB erfolgen kann –, gegenstandslos.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.05.1999 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538764 |
BGHZ |
BGHZ, 319 |
NJW 1999, 3488 |
BGHR |
BauR 1999, 1001 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1686 |
ZfIR 1999, 462 |
DÖV 1999, 824 |
NJ 1999, 545 |
VersR 1999, 1248 |
ZfBR 1999, 273 |
DVBl. 1999, 1282 |
UPR 1999, 306 |