Leitsatz (amtlich)
Nach dem Tode des Erblassers kann ein wegen fehlender vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung schwebend unwirksamer Erbvertrag durch nachträgliche Zustimmung des volljährig gewordenen Vertragsgegners nicht geheilt werden.
Verfahrensgang
OLG Hamm (Entscheidung vom 10.10.1975) |
LG Paderborn |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Oktober 1975 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Tatbestand
Die Beklagte ist die Enkelin der am ... 1972 verstorbenen Witwe Johanna van R. Diese hatte am 19. Februar 1932 mit ihrem Ehemann Otto, dem Großvater der Beklagten, einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen. Hierin heißt es u.a.:
"Für den Todesfall setzen wir uns gegenseitig zu Erben ein und bestimmen, daß nach dem Tode des Längstlebenden von uns unser einziger Sohn Wilhelm Nacherbe des Erstversterbenden und Erbe des Längstlebenden von uns sein soll."
Otto van R. verstarb am ... 1944. Sein Sohn Wilhelm, einziges Kind der Eheleute, starb am ... 1961. Er hinterließ eine Tochter, die am ... 1945 in Wien geborene Beklagte.
Der Vater der Beklagten war Deutscher. Seine Ehe mit der Mutter der Beklagten, die stets in Österreich gelebt hatte, wurde 1949 geschieden. Die Beklagte lebte mit ihrer Mutter weiter in W. Durch Dekret des Bezirksgerichts Innere Stadt W. vom 30. März 1962 wurde die Mutter der damals noch minderjährigen Beklagten zu deren Vormünderin, durch Dekret desselben Gerichts vom 11. April 1962 der Verwaltungsdirektor Winnersbach zum Mitvormund gemäß § 211 ABGB bestellt.
Die Mutter der Beklagten bevollmächtigte am 4. April 1962 Wi., die Erbinteressen der Beklagten nach ihrem Vater wahrzunehmen, auch der Großmutter Johanna van R. gegenüber, und mit dieser für die Beklagte einen Erbvertrag abzuschließen.
Auf Ersuchen der Großmutter (Erschienene zu 1) und des Verwaltungsdirektors Wi. (Erschienene zu 2) beurkundete der Notar G. in M. am 15. Februar 1964 einen Erbvertrag, in dem es u.a. heißt:
"Die Erschienenen ersuchten um die Beurkundung eines Erbvertrages. Dabei soll die Erschienene zu 1) testieren. Der Erschienene zu 2) hob noch hervor, daß er Mitvormund der minder jährigen Sylvia van R. W. Kri. gasse ..., sei.
Die Erschienene zu 1) erklärte zur Sache:
1.
Zu meiner alleinigen Erbin bestimme ich meine Enkeltochter Sylvia van R. jetzt W. Kri. gasse 19/25. Ich besitze ein Haus in L., F. str. ..., welches im Grundbuch von L. Band 55 Blatt 1469 verzeichnet ist. Es ist mein sehnlichster Wunsch, daß meine Erbin und Enkelin nach meinem Tode in diesem Hause Wohnung nimmt. Sollte sie dies nicht tun, ist sie gehalten, das Haus zu veräußern.
2.
Ich bestimme hiermit einen besonderen Kreis von Verwandten, an welche dieses Haus im Falle der Ziff. 1, letzte Alternative, zu verkaufen ist.
a)
die Ehefrau des Erschienenen zu 2), Johanna W. geb. O. in M.,
b)
die Ehefrau Hilde K. geb. O., L.,
c)
die unverehelichte Gerta Wil., S., R. Str. ...."
Die zu 1 b) genannte Ankaufsberechtigte ist die Klägerin.
Im selben Erbvertrag bestimmte die Großmutter der Beklagten den Verwaltungsdirektor Wi. zum Testamentsvollstrecker und übertrug ihm die Aufgabe, bei Interesse mehrerer Berechtigter das Grundstück an den Ankaufsberechtigten zu verkaufen, der ihren, im einzelnen genannten Wünschen am nächsten komme. Der Kaufpreis sollte so bemessen sein, daß er dem Käufer nach Abzug der laufenden Ausgaben eine angemessene Kapital Verzinsung gewährleistete.
Am 12. Juni 1964 erklärte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Beklagte für volljährig.
Am 10. August 1972, also fünf Tage nach dem Tod ihrer Großmutter, gab die Beklagte folgende öffentlich beglaubigte "Zustimmungserklärung" ab:
"Ich, Sylvia van R., geboren am ... 1945 zu W., erkläre, nachdem ich inzwischen für grossjährig erklärt worden bin, dass ich die Wünsche meiner Grossmutter väterlicherseits, der Witwe Johanna van R., wohnhaft zu L., F.straße ..., die sie im Erbvertrag vom 15.2.1964, ausgefertigt durch den Notar G. zu M. in Westfalen ... zum Ausdruck gebracht hat, respektieren will. Ich erkenne damit den genannten Erbvertrag an."
Am 8. Oktober 1973 veräußerte die Beklagte das Grundstück zum Preis von 220.000,- DM an Dritte, ohne es den im Erbvertrag von 1964 genannten Ankaufsberechtigten angeboten zu haben.
Die Klägerin sieht hierin eine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung ihres Ankaufsrechts. Sie hat ihren Schaden mit wenigstens 120.000,- DM beziffert und hiervon einen Teilbetrag von 40.000,- DM nebst Zinsen eingeklagt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im zweiten Rechtszug hat die Klägerin den Hauptanspruch auf 41.000,- DM erhöht. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, verfolgt die Klägerin den in der Berufungsinstanz gestellten Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch deshalb unbegründet, weil die der Klägerin im Erbvertrag vom 15. Februar 1964 eingeräumte Ankaufsberechtigung unwirksam sei. Dies gelte unabhängig davon, ob Vertragspartner der Erblasserin damals Wi. oder die Beklagte selbst gewesen sei. Auch ihre Erklärung vom 10. August 1972 hindere die Beklagte nicht, sich auf die Unwirksamkeit der Ankaufsberechtigung zu berufen. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
I.
1.
Für den Fall eines Vertragsabschlusses zwischen Wi. und der Großmutter hat das Berufungsgericht angenommen, die im Erbvertrag von 1964 eingeräumte Ankaufsberechtigung sei gemäß § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, da sie die Rechte der Beklagten aus dem zwischen ihren Großeltern abgeschlossenen Ehe- und Erbvertrag von 1932 beeinträchtige. Dieser Vertrag enthalte die Einsetzung des Vaters der Beklagten als Nacherbe des Erstversterbenden und Erbe des Letztversterbenden. Die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 2108 Abs. 2 Satz 1, 2069 BGB seien hier anwendbar. Die Beklagte sei daher Nacherbin nach ihrem Großvater und Ersatzerbin nach ihrer Großmutter geworden. In dieser Rechtsstellung werde sie u.a. durch die Verpflichtung beeinträchtigt, das Grundstück in L. besonders preisgünstig einem bestimmten Personenkreis zum Verkauf anbieten zu müssen, wenn sie selbst nicht darin wohnen wolle.
Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Beklagte ihren Vater allein beerbt habe und somit gemäß § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB als Nacherbin ihres Großvaters in Betracht komme, ist unbegründet. Aus den beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Beiakten ergibt sich, daß der Vater der Beklagten verstorben ist, ohne eine Verfügung von Todes wegen getroffen zu haben, und daß die Beklagte ihn allein beerbt hat. Davon gingen auch beide Parteien in den Vorinstanzen aus. Im unstreitigen Tatbestand der Urteile beider Vorinstanzen heißt es, daß Wilhelm van R. eine Tochter, die Beklagte, hinterlassen habe und daß deren Mutter den Mitvormund Wi. bevollmächtigt habe, die Erbinteressen der Beklagten nach ihrem Vater wahrzunehmen. Damit ist zugleich auch festgestellt, daß die Beklagte Alleinerbin ihres Vaters geworden ist.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht aufgrund der weiteren, von ihm getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hier die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 2108 Abs. 2 Satz 1, 2069 BGB angewandt hat. Daraus ergibt sich, daß die Beklagte mit dem Tode ihres Vaters am 29. April 1961 als Nacherbin des Großvaters und Ersatzerbin der Großmutter feststand. Entgegen der Meinung der Revision kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte bei Abschluß des Erbvertrags von 1964 sich in einer rechtlich und tatsächlich gefährdeten Stellung befunden habe, die durch den Erbvertrag "vergleichsweise" auf eine sichere und endgültige Grundlage gestellt worden sei.
2.
Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht auch angenommen, die Erklärung der Beklagten vom 10. August 1972 hindere sie nicht, sich auf die Unwirksamkeit der Ankaufsberechtigung zu berufen.
a)
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine nach § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksame Verfügung von Todes wegen dadurch Wirksamkeit erlangen kann, daß der durch sie Beeinträchtigte zustimmt, ist im einzelnen umstritten (vgl. hierzu einerseits OLG Hamm NJW 1974, 1174 ff; BayObLG BayObLGZ 74, 401 ff; OLG Celle RdL 1975, 205 ff; Palandt-Keidel, BGB 36. Aufl, § 2289 Anm. 1 b dd; Staudinger-Dittmann, BGB 11. Aufl, § 2289 Rdn. 20; andererseits RGZ 134, 325 ff; Erman-Hense, BGB 6. Aufl, § 2289 Rdn. 5; Lange, Erbrecht 1962, S. 408; Siebert in Festschr. f. Hedemann, 1958 S. 262). Einer Entscheidung dieser Streitfrage bedarf es im vorliegenden Fall nicht, da die Beklagte ihre öffentlich beglaubigte "Zustimmungserklärung" erst nach dem Tode der Erblasserin und - wenn überhaupt - dann nur Wi. gegenüber abgegeben hat. Zumindest bei einer derartigen Sachlage ist eine etwaige Zustimmung der beeinträchtigten Bedachten rechtlich nicht geeignet, einer gemäß § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksamen Verfügung von Todes wegen nachträglich zur Wirksamkeit zu verhelfen.
b)
Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe trotz ihrer Erklärung von 1972 nicht arglistig gehandelt, als sie sich auf die Unwirksamkeit der im Erbvertrag enthaltenen Ankaufsberechtigung berufen habe. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Beklagte zu Lebzeiten ihrer Großmutter nicht bereit war, dem Erbvertrag von 1964 zuzustimmen. Ihre wenige Tage nach dem Tode der Großmutter abgegebene "Zustimmungserklärung" erfolgte nicht etwa gegenüber der Klägerin oder den anderen Ankaufsberechtigten. Anwesend bei der Abgabe dieser Erklärung war nur Winnersbach, auf dessen Wunsch sie sich erst zur Unterzeichnung der ihr vorformuliert vorgelegten Erklärung entschlossen hatte. Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt, daß die Initiative zur Abgabe dieser Erklärung wie auch zum Abschluß des Erbvertrags von 1964 von Wi. ausging, dessen Ziel es war, die Zustimmung der Beklagten zu einer Regelung zu erreichen, durch die u.a. er selbst und seine Frau begünstigt gewesen wären. Die Würdigung dieser besonderen Umstände rechtfertigt die vom Berufungsgericht gezogene Schlußfolgerung, die Beklagte habe nicht arglistig gehandelt.
Soweit die Revision demgegenüber annimmt, die Beklagte habe sich mit ihrer Erklärung vom 10. August 1972 bewußt auf den Boden des Erbvertrags stellen wollen und auch gestellt, weil sie sich hiervon den sofortigen Eintritt einer für sie günstigen Rechtsposition versprochen habe, wendet sie sich in unzulässiger Weise gegen die tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts.
c)
Ob die Zustimmungserklärung der Beklagten als Teil eines zwischen der Beklagten und Wi. abgeschlossenen Vertrages zugunsten Dritter angesehen werden könnte, durch den die Beklagte sich gegenüber den Ankaufsberechtigten verpflichtete, die Bestimmungen des Erbvertrags zu erfüllen, hat das Berufungsgericht nicht geprüft. Da weitere tatrichterliche Feststellungen insoweit nicht in Betracht kommen, kann der Senat die Erklärung der Beklagten selbst auslegen. Sowohl der Wortlaut der Erklärung, in dem die Beklagte nur erklärte, den Erbvertrag respektieren zu wollen und anzuerkennen, wie auch die Begleitumstände ergeben keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagte mit dieser Erklärung der noch nicht einmal anwesenden Klägerin das Recht eingeräumt hat, von ihr die Erfüllung der im Erbvertrag enthaltenen unwirksamen Ankaufsregelung verlangen zu können.
II.
1.
Soweit das Berufungsgericht einen Vertragsabschluß zwischen der Beklagten und ihrer Großmutter unterstellt hat, hat es dessen Wirksamkeit wegen fehlender vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung verneint. Hierzu hat es ausgeführt: Unabhängig davon, ob die Beklagte Österreicherin sei, besitze sie als Tochter eines immer deutsch gewesenen Vaters zumindest auch die deutsche Staatsangehörigkeit, da sie nie eine Ausschlagungserklärung abgegeben habe. Nach deutschem Recht sei der Abschluß des Erbvertrags von 1964, der sie in ihrer Rechtsstellung erheblich beeinträchtigt habe, gemäß § 1822 Nr. 1 BGB genehmigungspflichtig gewesen. Die Genehmigung eines deutschen Vormundschaftsgerichts liege nicht vor. Auch die volljährig gewordene Beklagte selbst habe die Genehmigung zumindest bis zum Tode ihrer Großmutter nicht erklärt. Nach diesem Zeitpunkt aber sei eine Genehmigung rechtlich nicht mehr möglich gewesen. Ob die Genehmigung eines deutschen Vormundschaftsgerichts auch dann erforderlich sei, wenn das österreichische Recht eine entsprechende Genehmigungspflicht vorsehe und ein österreichisches Gericht diese Genehmigung erteilt habe, könne offenbleiben. Es stehe fest, daß eine Genehmigung in Österreich weder beantragt noch erteilt worden sei.
2.
Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis zuzustimmen. Ob die Rechtsauffassung zutrifft, auch bei Dopelstaatigkeit der Beklagten müsse die Genehmigung eines deutschen Vormundschaftsgerichts zumindest dann immer vorliegen, wenn keine entsprechende Genehmigung nach österreichischem Recht erteilt worden sei, erscheint fraglich, bedarf jedoch keiner Klärung. Diese Frage kann offenbleiben, da die rechtliche Überprüfung die Unwirksamkeit des Erbvertrags nach beiden in Betracht kommenden Rechten ergibt. Der Senat kann dahingestellt lassen, welches Recht hier anzuwenden ist. Die Verpflichtung, sich insoweit festlegen zu müssen, ergibt sich allein aus der fehlenden Revisibilität ausländischen Rechts und gilt daher nur für den Tatrichter, nicht jedoch für die Revisionsinstanz (RGZ 167, 274, 280; BGH NJW 1963, 252, 253; Baumbach-Lauterbach, ZPO 35. Aufl., § 549 Anm. 2 B).
a)
Nach deutschem Recht bedarf ein Erbverzicht des erbvertraglich Bedachten der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn der Verzichtende noch unter Vormundschaft steht (§§ 2346 Abs. 1, 2352, 2347 Abs. 1 BGB). Auch ein teilweiser Erbverzicht unterliegt der Genehmigungspflicht. Dieser liegt dann vor, wenn der Bedachte sich so wie hier mit der nachträglichen Anordnung bestimmter Beschwerungen einverstanden erklärt, etwa mit Vermächtnissen, Auflagen oder der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers (BGB-RGRK 12. Aufl., § 2346 Rdn. 23; Kipp-Coing, Erbrecht 11. Aufl., § 82 II 1 b). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat das Vormundschaftsgericht eine derartige Genehmigung nicht erteilt. Auch die volljährig gewordene Beklagte hat bis zum Tode ihrer Großmutter ebenfalls keine Genehmigungserklärung abgegeben (§ 1829 Abs. 3 BGB). Nach dem Tode der Erblasserin konnte der Vertrag nicht mehr genehmigt werden (Palandt-Keidel, BGB 36. Aufl., § 2275 Anm. 3; BGB-RGRK 12. Aufl., § 2275 Rdn. 4; Soergel-Wolf, BGB 10. Aufl., § 2275 Rdn. 4; Staudinger-Dittmann, BGB 11. Aufl., § 2275 Rdn. 6, 9; Lange, Erbrecht 1962 S. 209; Bartholomeyczik-Schlüter, Erbrecht 10. Aufl., S. 147; zweifelnd BayObLG NJW 1960, 577 ff). Die Sicherheit des Rechtsverkehrs erfordert es, daß die mit dem Tod des Erblassers eingetretene Erbfolgeregelung auf einer festen Grundlage stehen muß und nicht noch nach beliebig langer Zeit durch eine Genehmigungserklärung des beeinträchtigten Bedachten wieder umgestoßen werden kann. Sind die Beteiligten bereit, eine unwirksam gebliebene letztwillige Verfügung des Erblassers nach dessen Tod zu erfüllen, so bleibt es ihnen unbenommen, sich hierzu im Vertragswege zu verpflichten.
b)
Stellt man auf die österreichische Staatsangehörigkeit der Beklagten ab, so bestehen gegen die Zulässigkeit des zwischen der Großmutter und ihr abgeschlossenen Erbvertrages keine Bedenken. Zwar sieht § 602 ABGB nur Erbverträge zwischen Ehegatten oder Verlobten vor. Diese Vorschrift kommt jedoch nicht zur Anwendung, da Zulässigkeit, Inhalt und Wirkung des hier vorliegenden einseitigen Erbvertrages sich nach dem Erbstatut der Erblasserin, hier also nach deutschem Recht richten (Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht, Deutschland Grundzüge C III Rdn. 29).
Inwieweit ein nicht voll Geschäftsfähiger in der Lage ist, ein Rechtsgeschäft vorzunehmen, d.h. ob und gegebenenfalls welche Genehmigungen erforderlich sind, beurteilt sich dagegen nach dem Personalstatut des nicht voll Geschäftsfähigen (Staudinger-Firsching EGBGB 11. Aufl., Art. 11 Rdn. 5, 95), im vorliegenden Fall also nach österreichischem Recht. Die Vorschrift des § 233 ABGB verlangt für alle Geschäfte des Vormunds, "die nicht zu dem ordentlichen Wirtschaftsbetriebe gehören und welche von größerer Wichtigkeit sind", eine gerichtliche Genehmigung. Hierunter fällt auch der Erbvertrag von 1964, der zu Lasten der Beklagten eine erhebliche Einschränkung ihrer bisherigen Rechtsstellung als Nacherbin und Ersatzerbin enthält. Daß dieser Vertrag gerichtlich nicht genehmigt worden ist, hat das Berufungsgericht festgestellt. Ist der Mündel volljährig geworden, so tritt auch nach österreichischem Recht seine Genehmigung an die Stelle der vormundschaftgerichtlichen Genehmigung (Klang, ABGB 2. Aufl., § 1250 III 4; Gschnitzer, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1966 S. 163 f). Ob eine derartige Genehmigung jedoch auch noch nach dem Tod des Erblassers rechtswirksam abgegeben werden kann, bestimmt sich nach dem Erbstatut, hier also nach deutschem Recht, da nunmehr im Vordergrund die Frage der Wirksamkeit der Verfügung von Todes wegen steht. Da das deutsche Recht eine Genehmigungsmöglichkeit nach dem Tode des Erblassers nicht kennt, ist der Erbvertrag auch dann unwirksam, wenn man auf die österreichische Staatsangehörigkeit der Beklagten abstellt.
3.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, als sie sich trotz ihrer Erklärung vom 10. August 1972 auf die Unwirksamkeit des Erbvertrages berief. Es ist dabei nicht unterschieden, ob Vertragspartner des Erbvertrages die Beklagte oder Wi. war. Auch soweit das Berufungsgericht damit einen Verstoß gegen Treu und Glauben bei Annahme eines Vertrages zwischen der Erblasserin und der Beklagten verneint hat, ist seine auf einer Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls beruhende Rechtsauffassung nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 3018732 |
DB 1978, 1029 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1978, 1159 |
NJW 1978, 1159-1160 (Volltext mit amtl. LS) |
DNotZ 1978, 300 |
DNotZ 1978, 300-301 |
MDR 1978, 392 (Volltext mit amtl. LS) |
IPRspr. 1977, 105 |