Entscheidungsstichwort (Thema)
Dingliches Wohnungsrecht durch Altenteilsvertrag: Nutzungsentschädigung bei Scheitern der Ehe
Leitsatz (amtlich)
Zum Entschädigungsanspruch eines Ehegatten, der aufgrund des Scheiterns der Ehe die Ehewohnung verlassen hat, gegen den in der Wohnung verbliebenen Ehegatten, wenn beiden an der Wohnung ein dingliches Wohnrecht zusteht, das ihnen durch Altenteilsvertrag „als Gesamtberechtigten im Sinne von § 428 BGB” eingeräumt worden ist.
Normenkette
BGB §§ 428, 745 Abs. 2, §§ 1093, 1361b Abs. 2; EGBGB Art. 96
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 33. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Oktober 1994 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien waren miteinander verheiratet. Die Klägerin war Eigentümerin eines ca. 1.700 qm großen Hausgrundstücks in H., das sie durch notariellen Vertrag vom 9. Februar 1990 dem gemeinsamen Sohn M. gegen das Versprechen bestimmter Altenteilsleistungen für sie selbst und den Beklagten sowie einer Zahlung von 40.000 DM an die Tochter A. übertrug. Bestandteil des ausbedungenen Altenteils war u.a. ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnungsrecht unter Ausschluß des Eigentümers an einer ca. 56 qm großen Wohnung im Erdgeschoß des Anwesens.
Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befand sich die Ehe der Parteien bereits in der Krise. Im März 1990 zog die Klägerin aus der Wohnung aus, auf die sich das gemeinsame Wohnungsrecht bezog, nachdem der Beklagte dort neue Türschlösser hatte anbringen lassen. Durch anwaltliches Schreiben vom 8. März 1991 ließ die Klägerin den Beklagten auffordern, ihr eine monatliche Nutzungsentschädigung von 300 DM zu zahlen, ohne daß der Beklagte dem nachkam. Durch am 4. März 1992 rechtskräftig gewordenes Urteil wurde die Ehe der Parteien geschieden. Etwa drei Monate später ging der Beklagte eine neue Ehe ein; er nahm seine zweite Ehefrau in die Wohnung auf.
Mit der Klage beanspruchte die Klägerin von dem Beklagten aufgrund ihres Auszugs aus der Wohnung die Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 7.650 DM für die Zeit von März 1991 bis Januar 1993 sowie fortlaufend von monatlich 550 DM für die Zeit ab 1. Februar 1993. Das Landgericht gab der Klage teilweise statt; es verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 5.671,34 DM sowie einer Geldrente von monatlich 246,58 DM für die Zeit ab 1. Februar 1993.
Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage ab; das Urteil ist veröffentlicht in FamRZ 1995, 806.
Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Durch den Übergabevertrag vom 9. Februar 1990 ist den Parteien u.a. ein gemeinsames Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) eingeräumt worden, das ihnen „als Gesamtberechtigte im Sinne von § 428 BGB” zustehen sollte. Eine solche Art der Bestellung eines Wohnungsrechts ist rechtlich möglich (vgl. BGHZ 46, 253); der Anspruch des einzelnen Berechtigten gegen den Eigentümer geht hierbei auf Nutzung durch ihn allein, doch ist er im Innenverhältnis zu dem anderen Berechtigten nach § 430 BGB zum Ausgleich verpflichtet, der wiederum nur darin besteht, daß die Mitbenutzung geduldet werden muß (vgl. Meder BWNotZ 1982, 36, 38). Das Berufungsgericht hat zutreffend und von der Revision unbeanstandet dargelegt, daß § 430 BGB den Anspruch der Klägerin auf eine Nutzungsentschädigung nicht zu stützen vermag. Soweit der Beklagte nach deren Auszug die Wohnung allein nutzte, war er dazu gegenüber dem Eigentümer berechtigt; gemäß § 1093 Abs. 2 BGB war er auch befugt, seine neue Ehepartnerin aufzunehmen. Die im Innenverhältnis zur Klägerin bestehende Duldungspflicht hing davon ab, daß diese ihr Recht auf Mitbenutzung tatsächlich ausübte. Selbst bei Miteigentümern löst allein der Umstand, daß ein Teilhaber das in Miteigentum stehende Grundstück allein nutzt, noch keine Entschädigungsrechte des anderen Teilhabers aus (vgl. BGHZ 87, 265, 271). Eine vertragliche Regelung, aus der die Klägerin einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen den Beklagten herleiten könnte, liegt nicht vor. Der Übergabevertrag enthält zwar in § 3 Nr. 5 eine Bestimmung, die die Umwandlung der ausbedungenen Altenteilsleistungen in eine Geldrente vorsieht, wenn sich die Berechtigten mit dem Grundstückseigentümer „nicht sollten vertragen können” und deswegen von der übertragenen Besitzung wegziehen. Diese Abrede gilt aber nicht für das Verhältnis der Berechtigten untereinander, das keine eigentliche Leistungsbeziehung darstellt. Art. 96 EGBGB statuiert, daß landesgesetzliche Vorschriften über einen mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Altenteilsvertrag unberührt bleiben, soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen worden sind. Der danach hier in Betracht kommende Art. 15 PrAGBGB (vgl. BGHZ 25, 293, 297) enthält ebenfalls keine Bestimmungen, aus denen ein Geldanspruch des einen Altenteilers gegen den anderen hergeleitet werden könnte. Zwar ist nach § 9 Abs. 3 der Vorschrift u.a. dann ein Anspruch auf Geldrente vorgesehen, wenn der Berechtigte durch andere Umstände als durch das Verhalten des Verpflichteten ohne eigenes Verschulden genötigt ist, das Grundstück dauernd zu verlassen. Auch dieser mögliche Anspruch richtet sich aber gegen den Grundstücksübernehmer und nicht gegen den am Altenteil Mitberechtigten. Im Blick auf mehrere Berechtigte enthält § 10 zwar eine Regelung für den Fall des Todes eines von ihnen, aber ansonsten keine, die für die vorliegende Fallgestaltung einschlägig sein könnte.
2. Wenn eine Ehewohnung im Miteigentum beider Ehegatten steht und sich diese endgültig trennen, kann aufgrund des § 745 Abs. 2 BGB eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung nach billigem Ermessen verlangt werden, die auch darin bestehen kann, daß derjenige, der in der Wohnung verbleibt, an den anderen eine angemessene Nutzungsentschädigung zu zahlen hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1982 – IX ZR 88/80 – FamRZ 1982, 355, 356; BGHZ 87 aaO; Senatsurteile vom 11. Dezember 1985 – IVb ZR 83/84 – FamRZ 1986, 436 und vom 13. April 1994 – XII ZR 3/93 – FamRZ 1994, 822). Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, die Grundsätze dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall der Gesamtberechtigung an einem Wohnungsrecht zu übertragen. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt, anders als ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück sei das Wohnungsrecht unvererblich und unübertragbar und damit wirtschaftlich nicht verwertbar. Der zurückbleibende Mitberechtigte könne weder sein eigenes Nutzungsrecht noch das des Abwesenden durch Vermietung oder Verkauf finanziell umsetzen. Es handele sich um eine höchstpersönliche Rechtsposition, die nicht disponibel sei.
Soweit das Berufungsgericht aus diesen Erwägungen folgert, auf die Rechtsbeziehungen zwischen Mitberechtigten eines Wohnungsrechts sei § 745 Abs. 2 BGB nicht anwendbar, trifft das in dieser Allgemeinheit nicht zu. Jedenfalls wenn und solange eine Nutzungsgemeinschaft zwischen ihnen tatsächlich besteht, kann über Streitigkeiten, etwa über die Abgrenzung des beiderseitigen Mitgebrauchs, auf der Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 745 Abs. 2 BGB nach billigem Ermessen entschieden werden (vgl. MünchKomm/Karsten/Schmidt 2. Aufl. § 741 Rdn. 66; Staudinger/Huber BGB 12. Aufl. § 741 Rdn. 69, offengelassen in BGHZ 46 a.a.O. 259). So hat der Senat bereits die Vorschrift entsprechend in einem Fall angewendet, in dem es um die Regelung des Innenverhältnisses von nach § 428 BGB gesamtberechtigten Ehegatten an einem Grundstücksnießbrauch ging (vgl. Urteil vom 29. September 1993 – XII ZR 43/92 – FamRZ 1994, 98, 99). Wäre vorliegend die Klägerin in der Wohnung verblieben, hätte etwa nach Aufnahme des neuen Ehepartners durch den Beklagten eine Situation eintreten können, die möglicherweise eine Neuregelung der Nutzungsverhältnisse nach billigem Ermessen erforderlich gemacht hätte.
Dem Berufungsgericht ist aber darin beizutreten, daß seit dem endgültigen Auszug der Klägerin aus der Wohnung für eine auch nur entsprechende Anwendung des § 745 Abs. 2 BGB kein Raum mehr ist. Altenteilsleistungen sind typischerweise aus und auf einem Grundstück zu gewähren und dienen der persönlichen Versorgung des Berechtigten (vgl. etwa BayObLGZ 1989, 479, 482); infolgedessen ist die Berechtigung regelmäßig mit dem Verbleiben auf dem Grundstück verknüpft, falls nicht die besonderen Voraussetzungen vorliegen, unter denen trotz des Wegzugs eine Geldrente von dem Grundstücksübernehmer verlangt werden kann. Für das Innenverhältnis zwischen zwei Berechtigten eines in diesem Rahmen gewährten Wohnungsrechts bedeutet dies, daß von einer Nutzungsgemeinschaft, die Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 745 Abs. 2 BGB sein könnte, nach dem Auszug des einen von ihnen nicht mehr ausgegangen werden kann.
Die Klägerin hat davon abgesehen, sich während der Trennung oder in Zusammenhang mit der Scheidung wegen einer Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung an den Hausratsrichter zu wenden, um gegebenenfalls die Zubilligung einer Nutzungsentschädigung durchzusetzen, sofern sie die Wohnung dem Beklagten zur alleinigen Nutzung hätte überlassen müssen (vgl. § 1361 b Abs. 2 BGB; MünchKomm/Müller-Gindullis 3. Aufl. § 46. DVO EheG Rdn. 8; OLG Hamburg FamRZ 1991, 1317, 1319). Es kann dahinstehen, ob der Prozeßrichter, der nach einem freiwilligen Auszug aus der Ehewohnung wegen einer Nutzungsentschädigung angegangen wird (zu dessen Zuständigkeit vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1982 a.a.O. S. 355), eine solche nach den gleichen Grundsätzen zubilligen kann, die im Falle der Wohnungszuweisung durch den Hausratsrichter gälten (eine Analogie befürwortet etwa MünchKomm/Wacke 3. Aufl. § 1316 b Rdn. 14). Denn die Zubilligung einer Nutzungsentschädigung im Verfahren der Hausratsverordnung setzt voraus, daß die Verdrängung des Anspruchsstellers aus seinem Mitbesitz an der Ehewohnung einen Eingriff in Rechtspositionen darstellt, die auch im Verhältnis zum anderen Ehegatten einen ihm vorbehaltenen Vermögenswert haben (vgl. MünchKomm/Wacke a.a.O. Rdn. 9). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, weil zwar beide Parteien an der Wohnung dinglich nutzungsberechtigt sind, dem Beklagten aber, wie ausgeführt, durch den Auszug der Klägerin kein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erwuchs. Ferner hat das Berufungsgericht festgestellt, daß der Beklagte im Zeitpunkt des Auszugs der Klägerin die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft wünschte, ihm also die alleinige Nutzung letztlich aufgedrängt wurde (näher dazu unten 3). Bei dieser Sachlage kann der Umstand, daß die Klägerin, bedingt durch das Scheitern der Ehe, den Vorteil kostenfreien Wohnens verlor, allenfalls unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sein, weil sich ihre Bedürftigkeit um die Wohnkosten erhöhte, ohne daß insoweit im Sinne von § 1579 Nr. 3 BGB von einer mutwilligen Herbeiführung der Bedürftigkeit auszugehen war (vgl. dazu Senatsurteil vom 11. Dezember 1985 – IVb ZR 82/84 – FamRZ 1986, 434, 435 f).
3. Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadensersatzes nicht für begründet angesehen und dazu ausgeführt: Im Zeitpunkt der Trennung der Parteien sei keine Pflichtverletzung des Beklagten ersichtlich, die die Klägerin an der Ausübung ihres Wohnungsrechts behindert habe. Wie die Anhörung der Parteien in der Berufungsverhandlung ergeben habe, sei der Austausch der Schlösser durch den Beklagten nicht maßgeblich für den Entschluß der Klägerin gewesen, nach Hause nicht mehr zurückzukehren. Sie sei bereits in den Monaten davor kaum noch über Nacht in der Wohnung gewesen und lediglich tagsüber sporadisch zu Hausarbeiten dorthin zurückgekehrt. Der Beklagte habe durch seine Maßnahme der Klägerin nicht die Möglichkeit der Wohnungsnutzung nehmen wollen, sondern habe sie nur von ihren unregelmäßigen Besuchen in der Wohnung abhalten wollen, um sie im Hinblick auf eine Fortsetzung der Ehe, die er gewünscht habe, zu einer Entscheidung zu zwingen. Der Klägerin sei auch kein Schaden entstanden. Sie wolle von ihrem Nutzungsrecht solange keinen Gebrauch machen, wie der Beklagte das seinige ausübe.
Die Revision hält dem entgegen, der Beklagte habe die Klägerin durch den Austausch der Schlösser tatsächlich an der Ausübung ihres Wohnrechts gehindert. Seine Verhaltensweise könne durch die Absicht, die Klägerin zur Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bewegen, nicht als gerechtfertigt angesehen werden. Außerdem habe der Beklagte die Klägerin mehrfach mißhandelt und dadurch schließlich zum Auszug gezwungen.
Damit vermag die Revision nicht durchzudringen. Was den Schlösseraustausch betrifft, verlangt die Klägerin keine Nutzungsentschädigung für die unmittelbar anschließende Zeit, sondern fortlaufend für eine Zeit, die erst ein Jahr später beginnt (zum Schadensersatzanspruch wegen hartnäckiger Verweigerung des Mitgebrauchs vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1966 – V ZR 163/63 – NJW 1966, 1707, 1709).
Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die Ursächlichkeit des Verhaltens des Beklagten für den Auszug der Klägerin verneint hat, können dahingestellt bleiben. Jedenfalls kann Schadensersatz für die entgangene Nutzungsmöglichkeit einer Wohnung nur für Zeiten verlangt werden, in denen der Berechtigte die fraglichen Räumlichkeiten auch nutzen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1986 – V ZR 273/84 – NJW 1987, 771). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehlte es hier an dem erforderlichen Nutzungswillen der Klägerin.
Unterschriften
Blumenröhr, Zysk, Hahne, Sprick, Weber-Moencke
Fundstellen
Haufe-Index 542467 |
NJW 1996, 2153 |
Nachschlagewerk BGH |