Leitsatz (amtlich)
a) Gesamtgläubigerschaft besteht nicht zwischen Sozialversicherungsträgern und einem Schadensversicherer hinsichtlich der auf sie gemäß § 1542 RVO bzw. § 67 Abs. 1 VVG übergegangenen Forderungen.
b) Da die Rheinische Zusatzversorgungskasse für Gemeinden und Gemeindeverbände kein Schadensversicherer ist, gehen auf sie Ersatzansprüche ihrer Versicherten nicht nach § 67 Abs. 1 VVG, sondern nur kraft Abtretung über.
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.11.1978) |
LG Krefeld |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. November 1978 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen der Klägerin zur Last.
Tatbestand
Die Gemeinde G. hatte zu Gunsten des am 3. Juni 1971 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Gemeindearbeiters Erich Sch. bei einer Sonderkasse der Klägerin, der Rheinischen Zusatzversorgungskasse für Gemeinden und Gemeindeverbände, eine Versicherung abgeschlossen, aufgrund deren diese Versorgungsrenten an die Hinterbliebenen leistet (NRW-Gesetz v. 8. April 1975, NRW-GVBl S. 286). Den Unfall hatte ein belgischer Kraftfahrer, für den der beklagte Versicherungsverband anstelle des belgischen Versicherers die Pflichten eines Haftpflichtversicherers nach dem Auslandspflichtversicherungsgesetz übernommen hat (vgl. § 8 a AuslPflVG), mitverursacht.
Den Hinterbliebenen ist in der Zeit vom 3. Juni 1971 bis 31. Dezember 1974 (ohne Berücksichtigung des weggefallenen Krankenversicherungsschutzes) ein Unterhaltsschaden in Höhe von 65.030,47 DM entstanden. Die Klägerin zahlte ihnen für diese Zeit 18.497,90 DM. Für denselben Zeitraum erbrachten die Sozialversicherungsträger, bei denen der Getötete pflichtversichert war, ebenfalls Versicherungsleistungen, die zum Unterhalt der Hinterbliebenen bestimmt waren, und zwar die Berufsgenossenschaft 67.216,70 DM und die Landesversicherungsanstalt 37.642,40 DM. Außerdem zahlte diese 18.226 DM als Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner.
Der Regulierungsbevollmächtigte des belgischen Haftpflichtversicherers traf mit den beiden Sozialversicherungsträgern und mit der Klägerin gesonderte Vereinbarungen über die Haftungsquoten. Danach beträgt die Haftungsquote gegenüber der LVA 50 %, der Berufsgenossenschaft 66 2/3 % und der Klägerin 75 %. Entsprechend diesen Vereinbarungen erstattete der ausländische Versicherer gemäß der bei Gesamtgläubigern für die Ausgleichung im Innenverhältnis angewandten Formel (vgl. Geigel/Schlegelmilch, Der Haftpflichtprozeß, 17. Aufl. Kap. 30, Rn. 20) der LVA 11.671,03 DM und der Berufsgenossenschaft 27.792,28 DM.
Die Klägerin hat von dem beklagten Versicherungs-Verband, gestützt auf Abtretungserklärungen der Witwe und ihrer Kinder, zunächst 5.409,20 DM verlangt. Sie vertrat dabei den Standpunkt, der Beklagte habe ihr gegenüber seine Schadensersatzpflicht erst erfüllt, wenn er insgesamt 75 % des den Hinterbliebenen entstandenen Schadens (= 48.772,85 DM) ausgeglichen habe. Ihr stehe also, da sie sich dessen Zahlungen in Höhe von 66 2/3 % an die beiden Sozialversicherungsträger, nämlich 43.363,65 DM, gemäß § 428 BGB anrechnen lassen müsse, noch die Differenz zwischen 75 % und 66 2/3 % zu.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Verurteilungssumme auf 313,66 DM ermäßigt und die Anschlußberufung der Klägerin, mit der diese weitere 3.890,34 DM verlangt hat, zurückgewiesen.
Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihre im Berufungsrechtszug gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind auf die Klägerin Ansprüche der Hinterbliebenen kraft Gesetzes gemäß § 67 Abs. 1 VVG übergegangen, wodurch sie, wie das Berufungsgericht meint, neben der LVA und der Berufsgenossenschaft Gesamtgläubigerin geworden sei. Da die Leistungen, die die LVA, die Berufsgenossenschaft und die Klägerin erbracht haben, im Verhältnis von 39,5: 47,5: 13 stünden, hätten vom übergangsfähigen Schaden von 65.030,47 DM, bleibe die Quotenvereinbarung außer Betracht, der LVA 25.687,03 DM, der Berufsgenossenschaft 30.889,47 DM und der Klägerin 8.453,96 DM zugestanden. Auf diese Anteile seien aber die vereinbarten Quoten zu beziehen, so daß der LVA grundsätzlich 50 % ihres Anteils, nämlich 12.843,52 DM, der Berufsgenossenschaft 66,66 % von 30.889,47 DM, nämlich 20.592,98 DM und der Klägerin 75 % von 8.453,96 DM, nämlich 6.340,47 DM zugestanden hätten. Alle drei Gesamtgläubiger zusammen hätten somit von der Beklagten 39.776,97 DM verlangen können. Da der Beklagte aber bereits 39.463,31 DM an die Sozialversicherungsträger gezahlt habe, ständen der Klägerin nur noch 313,66 DM zu.
II.
Die Revision der Klägerin hat im Ergebnis keinen Erfolg. Zwar ist die Begründung des Berufungsurteils rechtlich verfehlt. Soweit es jedoch zum Nachteil der Klägerin erkannt hat, ist seine Entscheidung aus anderen Gründen gerechtfertigt (§ 563 ZPO).
1.
Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei zusammen mit den Sozialversicherungsträgern Gesamtgläubigerin geworden.
a)
Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß die bei der Klägerin bestehende Zusatzversorgungskasse kein "Versicherer" im Sinne des § 67 VVG ist. Diese Vorschrift gewährt nur "Schadens"-versicherern einen Rechtsübergang, also nur solchen Versicherern, deren Leistung durch die Höhe des Schadens bestimmt und begrenzt wird (BGHZ 52, 350, 353). Ein Schadensversicherer ist die Rheinische Zusatzversorgungskasse jedoch nicht (BGH, Urt. v. 26. September 1979 - IV ZR 94/78 = VersR 1979, 1120). Zudem käme eine Gesamtgläubigerschaft zwischen der Klägerin und den Sozialversicherungsträgern, die ihre Ansprüche aus § 1542 RVO herleiten, selbst dann nicht in Betracht, wenn Ansprüche der Hinterbliebenen auf sie nach § 67 VVG übergegangen wären. Denn der Forderungsübergang des § 1542 RVO tritt - dem Grunde nach - schon im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses ein (BGHZ 48, 181, 184 ff), während nach der Vorschrift des § 67 VVG, auf die nach Ansicht des Berufungsgericht die Klägerin ihr Ersatzbegehren stützen kann, der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger erst dann auf den Versicherer übergeht, wenn dieser seine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag erbringt (vgl. BGHZ 44, 382, 388). Eine Gesamtgläubigerschaft kann aber nur bei gleichzeitigem Rechtsübergang eintreten (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 39. Aufl., § 428 Anm. 2; vgl. auch Senatsurteil vom 17. November 1959 - VI ZR 207/58 = VersR 1960, 85 zur Gesamtgläubigerschaft bei Forderungsübergang aus § 1542 RVO und § 87 a BBG). Infolgedessen steht schon die zeitliche Priorität des Forderungsübergangs auf Sozialversicherungsträger einer Gesamtgläubigerschaft mit einem Schadensversicherer entgegen.
b)
Die Klägerin kann daher nur Ansprüche geltend machen, die ihr die Witwe und die Kinder abgetreten haben. Insoweit steht sie jedem anderen privaten Gläubiger gleich. Zwischen ihnen und Sozialversicherungsträgern besteht aber keine Gesamtgläubigerschaft (vgl. BGHZ 44, 382, 389 f).
2.
Scheidet somit eine Gesamtgläubigerschaft zwischen der Klägerin und den Sozialversicherungsträgern aus, dann können der Klägerin keine Ansprüche gegen den Beklagten zustehen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob den Sozialversicherungsträgern ihr gegenüber ein Quotenvorrecht zustände.
Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, war allein schon die Berufsgenossenschaft verpflichtet, für die hier fragliche Zeit den Hinterbliebenen mehr zu zahlen als deren gesamter Unterhaltsschaden - ausgenommen der ihnen entgangene Krankenversicherungsschutz - ausmachte, und die LVA mußte ihnen durch Zahlung der KVdR-Beiträge wiederum einen vollen Krankenversicherungsschutz vermitteln. Damit waren im Unfallzeitpunkt gemäß § 1542 RVO sämtliche den Hinterbliebenen zustehende Schadensersatzansprüche aus § 844 Abs. 2 BGB bzw. § 10 Abs. 2 StVG auf die Sozialversicherungsträger übergegangen. Da die Sozialversicherungsträger bereits den vollen Schaden der Hinterbliebenen auszugleichen hatten, konnten diese keine Ansprüche mehr besitzen, die sie an die Klägerin hätten abtreten können.
Nur dann, wenn die Klägerin zusammen mit den Sozialversicherungsträgern Gesamtgläubigerin gewesen wäre, hätte die Rechtslage anders sein können. Denn dann könnte sie von dem Beklagten entsprechend der ihr zugestandenen und offenbar dem Gesetz (§ 254 BGB bzw. § 17 StVG) entsprechenden Haftungsquote den noch offenen Teil der Forderung beanspruchen, die den Gesamtgläubigern insgesamt zustünde. Dieser wäre dann sogar, wie die Revision zutreffend geltend macht, höher als das Berufungsgericht angenommen hat, da jedenfalls die Sozialversicherungsträger auch insoweit Gesamtgläubiger sind, als der Träger der Rentenversicherung KVdR-Beiträge geleistet hat und insofern Ersatzansprüche bestehen (Senatsurteil vom 8. November 1960 - VI ZR 183/59 = VersR 1960, 1122), mögen auch im Innenverhältnis die Beiträge, die der Ersatzpflichtige für den Krankenversicherungsschutz erstattet, nur der LVA zustehen (Senatsurteil vom 1. Juli 1969 - VI ZR 216/67 = VersR 1969, 898, 899).
Wenn die Sozialversicherungsträger, nachdem sie Gläubiger der Gesamtforderung geworden waren, mit dem belgischen Haftpflichtversicherer des Schädigers diesem günstigere Vereinbarungen über die Haftungsquote getroffen haben, dann konnte dies nur das Verhältnis zwischen ihnen und dem Haftpflichtversicherer bzw. dem Schädiger berühren. Auf die Hinterbliebenen fiel dadurch nicht, wie dies die Klägerin sieht, der nachgelassene Teil der Ansprüche "zurück", den sie dann an die Klägerin hätten abtreten können. Entgegen der Annahme der Revision sind die Vereinbarungen, welche die Sozialversicherungsträger mit dem Haftpflichtversicherer geschlossen haben, nicht dahin auszulegen, daß dadurch ein Teil der gemäß § 1542 RVO auf sie übergegangenen Ersatzforderung wieder auf die Hinterbliebenen zurückübertragen worden ist, so daß der Haftpflichtversicherer diese "Differenz" noch nachzuzahlen hätte. Dafür besteht nicht der geringste Anhaltspunkt.
Fundstellen
Haufe-Index 3018796 |
MDR 1981, 42 (Volltext mit amtl. LS) |