Leitsatz (amtlich)
a) Der Anspruch des Mieters (Pächters) gegen den Vermieter (Verpächter), die Wegnahme von Einrichtungen zu dulden, ist dinglicher Natur.
b) Gibt der Mieter (Pächter) nach Vertragsbeendigung die Mietsache (Pachtsache) mit in seinem Eigentum verbliebenen Einrichtungen zurück, so sind der Vermieter (Verpächter) und ein neuer Mieter (Pächter) dem bisherigen Mieter (Pächter) gegenüber zum Besitz dieser Einrichtungen berechtigt, bis Duldung der Wegnahme verlangt wird.
Verjährung der Wegnahmebefugnis führt zu einem dauernden Recht zum Besitz.
c) Der zum Besitz der Einrichtungen Berechtigte schuldet unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Nutzungsentschädigung.
Normenkette
BGB §§ 258, 547a, 556, 558, 581 Abs. 2, § 986 Abs. 1, § 991 Abs. 1
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. März 1980 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Straßenbauunternehmung Otto M. in W. Die Gemeinschuldnerin hatte von der katholischen Kirchengemeinde Ke. die Hälfte eines in der R. straße in W. gelegenen Grundstücks „zur Lagerung von Baustoffen und zum Aufstellen von Büro- und Werksbaracken für 15 Jahre” zu einem Jahreszins von 2000 DM gepachtet. Pächter der anderen Grundstückshälfte war der Beklagte. Er unterhielt ebenfalls einen Bauhof.
Die Gemeinschuldnerin errichtete auf ihrer Grundstückshälfte Baracken, Holzschuppen, eine (gemauerte) Lkw-Werkstatt, eine Verladerampe, zwei Beleuchtungsmasten, zwei Sickerschächte, verlegte Verbundpflaster und befestigte eine Zufahrt. Dies alles verblieb bei Beendigung des Pachtvertrages nach Konkurseröffnung auf dem Pachtgrundstück, welches die Verpächterin im Mai oder Juni 1973 zurückerhalten hat.
Am 1. November 1973 schloß der Beklagte mit der Kirchengemeinde Ke. einen – bisher vom bischöflichen Generalvikariat in Trier noch nicht genehmigten – Pachtvertrag Über das gesamte Grundstück. Eine von der Gemeinschuldnerin errichtete Bürobaracke hat der Beklagte inzwischen wegen Baufälligkeit abgerissen.
In einem Vorprozeß hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 38850 DM als Kaufpreis einschließlich Mehrwertsteuer für „Hofbefestigung und Aufbauten” auf dem Pachtgrundstück der Gemeinschuldnerin in Anspruch genommen. Durch Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz ist diese Klage rechtskräftig abgewiesen worden.
Nunmehr verlangt der Kläger vom Beklagten für die Zeit vom 1. Januar 1974 bis zum 31. Dezember 1977 eine monatliche Entschädigung von 800 DM, insgesamt. 38400 DM, gestützt auf die Behauptung, der Beklagte habe in dieser Zeit die von der Gemeinschuldnerin geschaffenen Aufbauten und Einrichtungen genutzt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht ist der Meinung, alle denkbaren Ansprüche des Klägers auf Nutzungsentschädigung seien gemäß § 558 BGB „dadurch ausgeschlossen”, daß die Gemeinschuldnerin und der Kläger nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Pachtvertrages zwischen der Gemeinschuldnerin und der Kirchengemeinde Ke. das Wegnahmerecht (§ 547 a BGB) ausgeübt hätten. Dazu hat es im einzelnen ausgeführt:
1. An Verbundpflastersteinen und Lavalitt habe die Gemeinschuldnerin das. Eigentum gemäß § 94 BGB verloren; alle Aufbauten seien dagegen gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB in ihrem Eigentum verblieben.
2. An den Aufbauten habe der Beklagte das Besitzrecht aufgrund des Pachtvertrages vom 1. November 1973 erworben, auch wenn das nicht ausdrücklich ausgesprochen worden sei. Nach den gegebenen Umständen müsse der Pachtvertrag dahin ausgelegt werden, die Aufbauten sollten mitverpachtet werden.
3. Die Verpächterin habe dem Beklagten den Abriß der Aufbauten gestattet. Dazu sei sie berechtigt gewesen, weil sie selbst die Beseitigung habe vornehmen dürfen, nachdem die Gemeinschuldnerin den Anspruch der Kirchengemeinde auf Beseitigung der Aufbauten (§ 556 BGB) nicht erfüllt habe.
a) Ersatz der Beseitigungskosten könne die Verpächterin nicht verlangen. Der Anspruch sei verjährt; § 558 BGB gelte auch gegenüber dem Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.
b) Habe die Verpächterin selbst abreißen dürfen, so habe sie diese Befugnis dem Beklagten übertragen können. Stattdessen habe der Beklagte aber auch die Grundstücksflächen mit den Aufbauten nutzen dürfen. Auch das folge aus dem Zweck des § 558 BGB. Hätten einerseits Mieter/Pächter vom Wegnahmerecht nicht Gebrauch gemacht und andererseits Vermieter/Verpächter die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht binnen sechs Monaten herbeigeführt, so stünde ihren jeweiligen Ansprüchen eine dauernde Einrede entgegen.
c) Treffe den Vermieter/Verpächter aber die Last der Wiederherstellung des früheren Zustandes, so dürfe er über die Sache in dem bestehenden Zustande verfügen. Dem früheren Mieter/Pächter (= Gemeinschuldnerin) sei es in diesem Falle verwehrt, Ansprüche, die er gegen den Vermieter/Verpächter (= Kirchengemeinde) nach § 558 BGB nicht mehr durchsetzen könne, nunmehr gegen den neuen Mieter/Pächter (= Beklagten) durchzusetzen. Auch wenn dieser am ursprünglichen Vertrage nicht beteiligt und nicht in dessen Schutzwirkungen einbezogen gewesen sei, müsse dies nach Meinung des Berufungsgerichts jedenfalls dann gelten wenn sonst der Gesetzeszweck vereitelt würde.
d) Auch in der Person des Dritten, hat die Vorinstanz ausgeführt, gelte die kurze Verjährungsfrist gemäß § 558 BGB gegenüber allen mit dem mietrechtlichen Anspruch konkurrierenden Ansprüchen aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, aus ungerechtfertigter Bereicherung und aus Geschäftsführung ohne Auftrag.
II. Gegen den Standpunkt des Berufungsgerichts wendet sich die Revision vergeblich. Er hält einer Nachprüfung im Ergebnis stand.
Verträgliche Beziehungen verbinden die Parteien nicht. Auch aus gesetzlichen Schuldverhältnissen ist das Klagebegehren nicht gerechtfertigt.
1. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger gemäß §§ 987 ff BGB Nutzungsvergütung zu zahlen.
a) Die Gemeinschuldnerin war aufgrund des Pachtvertrages befugt, das Grundstück, wie geschehen, zu befestigen und die für ihren Gewerbebetrieb erforderlichen Baulichkeiten zu errichten. Daß sie gemäß § 95 BGB Eigentümerin der Baracken, der Werkstatt und der Lichtmasten geblieben ist, hat das Berufungsgericht angenommen. Ob die Vorinstanz nicht auch darin recht hat, an den Verbundpflastersteinen und dem Lavalitt habe die Gemeinschuldnerin das Eigentum nach der Regel des § 94 BGB verloren, kann letztlich dahinstehen. Selbst wenn die Pächterin, wie die Revision meint, auch bei der Verarbeitung dieser Baustoffe die Vorstellung gehabt haben sollte, die Befestigung fremden Grund und Bodens erfolge nur zu vorübergehendem Zweck, so würde das dem Kläger, wie noch darzulegen sein wird, nichts nützen.
b) Der Beklagte hat mit dem Besitz an der zweiten Grundstückshälfte, den die Verpächter in ihm nach Unterzeichnung des Pachtvertrages vom 1. November 1973 eingeräumt hat, auch die tatsächliche Herrschaft über die von der Gemeinschuldnerin geschaffenen Einrichtungen und die Grundstücksbefestigung erlangt. Dafür ist ohne Belang, daß der Pachtvertrag vom 1. November 1973 vom bischöflichen Generalvikariat in Trier nicht genehmigt worden ist. Es genügt, daß die Verpächterin bei der Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der zweiten Grundstückshälfte auf den Beklagten keinerlei Einschränkungen vornahm, wie das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat. Im übrigen könnte auch ein schwebend unwirksamer Pachtvertrag Grundlage der Besitzübertragung sein.
c) Auch wenn sich danach Eigentümer und Besitzer von Baulichkeiten und Grundstücksbefestigungen gegenüberstehen, scheitert der Anspruch auf Nutzungsvergütung daran, daß der Beklagte nicht unrechtmäßiger Besitzer ist.
aa) Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der von der Gemeinschuldnerin abgeschlossene Pachtvertrag auf Betreiben des Klägers wegen der Konkurseröffnung beendet und das Pachtobjekt der katholischen Kirchengemeinde Ke. im Mai oder Juni 1973 zurückgegeben worden ist, greift die Revision nicht an.
bb) Der Pachtvertrag des Klägers enthält keine Bestimmung darüber, was im Falle seiner Beendigung mit den bei der Errichtung im Eigentum der Gemeinschuldnerin verbliebenen Einrichtungen geschehen solle. Deshalb greift die gesetzliche Regelung Platz, welche dem Pächter eine Wegnahmebefugnis einräumt (§§ 581 Abs. 2, 547 a BGB) und ihm darüber hinaus eine Wegnahmepflicht auferlegt (§§ 581 Abs. 2, 556 BGB; vgl. dazu Gelhaar BGB-RGRK, 12. Aufl. § 547 a Rdn. 11; Soergel/Siebert/Kummer, BGB, 11. Aufl. § 547 a Rdn. 6; Staudinger, BGB, 11. Aufl. § 547 Rdn. 5 m.w.Nachw.; KG in OLG 10, 251; Senatsurteil vom 27. April 1966 – VIII ZR 148/64 = WM 1966, 765). Mit der Wegnahmebefugnis des Pächters und seiner Wegnahmepflicht korrespondieren die Pflicht des Verpächters, die Wegnahme zu dulden und sein Anspruch auf Beseitigung von Einrichtungen. Einigkeit besteht in Literatur und höchstrichterlicher Rechtsprechung darüber, daß der Verpächter (Vermieter) nicht die Herausgabe vom Pächter (Mieter) geschaffener Einrichtungen schuldet (Soergel/Siebert/Kummer aaO Rdn. 5; Staudinger aaO; RGZ 109, 128, 131). Er ist vielmehr, wenn der Pächter, wie hier, ihm den unmittelbaren Besitz am Pachtobjekt gemäß §§ 581 Abs. 2, 556 BGB wieder eingeräumt hat, nur zur Duldung der Wegnahme von Einrichtungen verpflichtet. Das Wegnahmerecht des Pächters geht mit Rückgabe der Pachtsache in einen Anspruch auf Gestattung der Wegnahme über, wie sich aus § 258 BGB ergibt (Soergel/Siebert/Kummer, aaO Rdn. 5; Staudinger aaO; MünchKomm, BGB, § 547 a Rdn. 10). Der Anspruch auf Gestattung der Wegnahme ist dinglicher Natur. Hatte der Pächter das Eigentum an den Einrichtungen verloren (§ 94 BGB), so kommt das darin zum Ausdruck, daß sich in der Wegnahme die (Wieder-) Aneignung vollzieht. Ist der Pächter dagegen, wie im vorliegenden Falle, Eigentümer der Einrichtungen geblieben, so erweist sich der dingliche Charakter des Gestattungsanspruchs, wie in der älteren Literatur überzeugend dargelegt worden ist, in der Beschränkung des Eigentumsherausgabeanspruchs gemäß § 986 BGB in seinen Voraussetzungen und Wirkungen (vgl. dazu im einzelnen Brinkmann, Das Wegnahmerecht des Mieters, Rechtswissenschaftliche Studien, Heft 19, Berlin, 1922, S. 48, 49, 63 ff) Bis zur Ausübung des Wegnahmerechts ist der Verpächter (Vermieter) als Besitzer auch dem Pächter (Mieter) als Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt (Staudinger, aaO; RGZ 109, 128, 131; RG in WarnRspr 1934 Nr. 51). Diese Auffassung hat, soweit ersichtlich, keinen Widerspruch erfahren. Der erkennende Senat schließt sich ihr an.
Nach Rückgabe der Pachtsache war mithin die katholische Kirchengemeinde Ke… zu deren Besitz berechtigt. Sie hat den unmittelbaren Besitz dem Beklagten eingeräumt. Wegen seiner von der Verpächter in abgeleiteten Position war auch er zum Besitz berechtigt. Ebenso wie der Verpächter (Vermieter) einem Erwerber der Einrichtungen das Recht zum Besitz einredeweise entgegenhalten kann (RGZ 109, 128, 131), steht diese Befugnis auch einem neuen Pächter (Mieter) gegenüber dem bisherigen zu. Das folgt aus §§ 986 Abs. 1, 991 Abs. 1 BGB. Die Einrede zum Besitz berechtigt zu sein, steht danach auch demjenigen Besitzer zu, der seinen Besitz von einem mittelbaren Besitzer herleitet, welcher, wie hier, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist.
d) Gestattung der Wegnahme haben weder die Gemeinschuldnerin noch der Kläger verlangt. Mit Ablauf des 31. Dezember 1973 endete, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, die sechsmonatige Verjährungsfrist für diesen Anspruch (§ 558 BGB). Ist der Anspruch auf Duldung der Wegnahme verjährt, so kann die katholische Kirchengemeinde Ke… – und der als unmittelbarer Besitzer an ihre Stelle getretene Beklagte – dem Kläger das Recht zum Besitz als dauernde Einrede entgegenhalten. Damit entfällt zugleich für alle Zeit die Möglichkeit, den Beklagten als unrechtmäßigen Besitzer auf Nutzungsvergütung gemäß §§ 987 ff BGB in Anspruch zu nehmen.
2. Beschränkt das Gesetz die Befugnis des Pächters (Mieters) in bezug auf die von ihm geschaffenen Einrichtungen nach Beendigung des Vertrages auf den gemäß § 258 BGB verdinglichten Anspruch, ihre Wegnahme gemäß §§ 581 Abs. 2, 547 a BGB zu gestatten, mit den vorstehend unter 1 c) dargestellten Auswirkungen, wobei es ihn zufolge des Beseitigungsrechts des Verpächters (Vermieters) mit den Kosten der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands belastet, so sind durch diese Sonderregelung weitergehende Befugnisse des Pächters (Mieters), gleich aus welchem Rechtsgrund, ausgeschlossen.
III. Der Revision mußte danach der Erfolg versagt bleiben.
Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels fallen dem Kläger zur Last (§ 97 ZPO).
Unterschriften
Braxmaier, Hoffmann, Wolf, Merz, Dr. Skibbe
Fundstellen
Haufe-Index 542378 |
BGHZ |
BGHZ, 146 |
NJW 1981, 2564 |
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