Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Darlegungslast und Beweislast, wenn der Geschäftsführer der Gesellschaft einen Kassenfehlbetrag ersetzen soll.
Orientierungssatz
Erst wenn die Gesellschaft anhand ihrer Bücher und Buchungsunterlagen den Kassenfehlbestand bewiesen hat, kommt es darauf an, ob der für die Buchführung und Kassenführung zuständige Geschäftsführer ihn aufklären kann, indem er die Verwendung und den Verbleib der fehlenden Beträge im einzelnen darlegt und erforderlichenfalls beweist.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Juni 1984 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 20.000 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Beklagte war seit 1980 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma Z & Co. Brennstoffhandel GmbH. Am 7. Januar 1981 gründeten er und der Kaufmann D die klagende GmbH zu dem Zweck, den Brennstoffhandel der Firma Z & Co. GmbH fortzuführen. Diese wiederum sollte nach außen vorübergehend die Geschäfte der Neugründung führen, bis diese im Handelsregister eingetragen war. Die Gründer waren am Kapital je zur Hälfte beteiligt und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Diese Gesellschaft wurde am 1. Juni 1981 ins Handelsregister eingetragen. Am 10. Juli 1981 übertrug der Beklagte seinen Geschäftsanteil an der Klägerin auf seinen Mitgesellschafter, der seitdem auch alleiniger Geschäftsführer ist. Gleichzeitig erhielt dieser auch die Anteile an der Firma Z & Co. GmbH. Am 21. Januar 1982 wurde die Auflösung der Klägerin im Handelsregister vermerkt, am 2. November 1982 wurde sie gelöscht.
Die Klägerin hat in erster Instanz geltend gemacht, der Beklagte habe in der Zeit vom 16. Januar 1981 bis 29. Mai 1981 von ihrem Konto bei der Stadtsparkasse D insgesamt 203.000 DM abgehoben und von Kunden insgesamt 184.227,10 DM kassiert; alle diese Beträge habe er für sich verbraucht; zusätzlich habe der Beklagte 20.000 DM von ihrem Konto auf sein Privatkonto überwiesen. Die Klägerin hat auf Ersatz dieses und des zuerst genannten Betrages sowie auf teilweisen Ersatz der Kundengelder, insgesamt auf Zahlung von 295.113,61 DM geklagt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 223.000 DM stattgegeben und sie hinsichtlich der Kundengelder abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist in Höhe von 208.000 DM, die Anschlußberufung der Klägerin insgesamt erfolglos geblieben. Der Senat hat die Revision des Beklagten nicht angenommen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zum Ersatz der auf sein Privatkonto überwiesenen 20.000 DM richtet; im übrigen verfolgt der Beklagte mit der Revision seinen Antrag weiter, die Klage vollen Umfangs abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung, soweit der Senat sie angenommen hat.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte vom Konto der Klägerin bei der Stadtsparkasse D insgesamt 204.000 DM abgehoben, aber nur 16.000 DM für Zwecke der Gesellschaft verwandt; weil der Beklagte weder dargelegt noch bewiesen habe, die übrigen 188.000 DM ordnungsgemäß ausgegeben zu haben, hat er sie nach Ansicht des Berufungsgerichts veruntreut; wegen der hieraus hergeleiteten deliktischen Haftung läßt das Berufungsgericht auch die Aufrechnung nicht durchgreifen, die der Beklagte hilfsweise erklärt hat, weil er von Kreditinstituten in Höhe von 137.342,20 DM aus übernommenen Bürgschaften und in Höhe von 50.000 DM durch Verwertung von Kassenobligationen in Anspruch genommen worden sei.
1. Diese Ausführungen greift die Revision erfolgreich mit Sach- und Verfahrensrügen an.
a) Rechtlich nicht haltbar ist die Verteilung der Beweislast, von der das Berufungsgericht ausgeht, soweit es die Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz prüft. Das Berufungsgericht hat den Beklagten für beweispflichtig gehalten, weil die von der Klägerin behauptete Verwendung der Gelder für private Zwecke im Gefahrenkreis des Beklagten liege und deshalb von der Klägerin nicht bewiesen, vielmehr nur vom Beklagten widerlegt werden könne; da dieser für einen ordnungsgemäßen Verbleib der Gelder nichts vorgetragen habe, stehe zugunsten der Klägerin fest, daß jene veruntreut worden seien. Nach diesen Ausführungen hätte der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Geschäftsführer nicht nur seine Schuldlosigkeit, sondern außerdem zu beweisen, die Gesellschaft nicht geschädigt zu haben. Das aber widerspricht dem Grundsatz, daß der Geschädigte seinen Schaden, mithin die Gesellschaft, die von ihrem früheren Geschäftsführer Ersatz verlangt, die zweckwidrige Verwendung der Geldbeträge zu beweisen hat (vgl. Sen.Urt. v. 12.11.1970 – II ZR 171/68, WM 1971, 125, 126; v. 20.3.1972 – II ZR 160/69, WM 1972, 1121, 1122). Etwas anderes ergibt sich auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.2.1957 (BGHZ 23, 288) nicht, das das Berufungsgericht als Beleg für die von ihm für richtig gehaltene Beweislastumkehr heranzieht. Dort wird dem Schuldner nicht zugemutet, die behauptete Schädigung zu widerlegen, vielmehr hat er nur seine Schuldlosigkeit zu beweisen, wenn er wegen positiver Forderungsverletzung in Anspruch genommen wird und die Schadensursache in seinem Gefahrenkreis liegt.
Dem Berufungsgericht ist allerdings einzuräumen, daß zu Lasten der Gesellschaft an den Nachweis des Schadens keine Anforderungen gestellt werden können, die sie unmöglich erfüllen kann. Sie kann insbesondere, wenn ihre Geschäftsunterlagen die Art und Weise der Verwendung von Gesellschaftsmittel nicht ergeben, aus eigener Kenntnis nicht wissen, ob der Geschäftsführer diese ordnungsgemäß im Interesse der Gesellschaft verwandt oder für gesellschaftsfremde Zwecke verbraucht hat. Da die Gesellschaft aber regelmäßig im Besitz der Geschäftsbücher ist, kann sie anhand ihrer Bücher und Buchungsunterlagen ohne weiteres feststellen, ob und in welcher Weise ein Fehlbestand vorliegt. In dem Maße, wie das der Fall ist und anhand der Bücher nachgewiesen wird, ist im Verhältnis zu dem für die Buch- und Kassenführung verantwortlichen Geschäftsführer zugunsten der Gesellschaft anzunehmen, daß der Inhalt der Geschäftskasse nicht für Zwecke der Gesellschaft ausgegeben worden ist. Denn im Verhältnis zu dem für die ordnungsgemäße Rechnungslegung zuständigen Geschäftsführer kann die Gesellschaft davon ausgehen, daß er die Bücher so geführt hat oder durch Angestellte hat führen lassen, daß sie ein richtiges und vollständiges Bild von allen Geschäftsvorfällen vermitteln, die im Betrieb angefallen sind. Für die Beweisführung der Gesellschaft gilt aber auch dann nichts anderes, wenn feststeht, daß in den Büchern nicht alle Geschäftsvorfälle erfaßt sind und die Buchführung somit nicht ordnungsgemäß ist. In dem Falle ist zwar nicht auszuschließen, daß der sich aus den vorhandenen Buchungen und Buchungsunterlagen ergebende oder von der Gesellschaft sonstwie bewiesene Kassenfehlbestand auf Buchungsfehlern beruht; hieraus kann aber der Geschäftsführer, der die unvollständige Rechnungslegung und damit die Minderung ihres Beweiswerts zu verantworten hat, keinen Vorteil ziehen. Im Verhältnis zu ihm ist auch bei unzulänglicher Buchführung davon auszugehen, daß nicht verbuchte Auszahlungen nicht erfolgt, die Gelder der Geschäftskasse vielmehr sonstwie abhandengekommen sind und der Kassenfehlbetrag somit nicht nur in den Büchern, sondern tatsächlich besteht (vgl. Sen.Urt. v. 9.5.1974 – II ZR 50/72, LM GmbHG § 43 Nr. 5). Steht fest, daß und in welchem Maße der buchmäßige (Soll-) Bestand vom tatsächlichen (Ist-) Bestand – der Kasse oder des Warenlagers – abweicht, so hat die Gesellschaft bei der gegebenen Sachlage der ihr zufallenden Beweislast genügt. Sache des Geschäftsführers ist es dann, die Beweisvermutung der Geschäftsunterlagen zu entkräften, indem er die Verwendung und den Verbleib der fehlenden Beträge im einzelnen darlegt und erforderlichenfalls beweist. Wird der Fehlbestand nicht aufgeklärt, so geht das zu Lasten des für die Buch- und Kassenführung verantwortlichen Geschäftsführers (vgl. Sen.Urt. v. 9.5.1974, aaO).
Danach verbleibt der Gesellschaft (nur) der Beweis für den buchmäßigen Fehlbestand. Soweit der Senat im Urteil vom 12.11.1970 (aaO) – wegen der Besonderheit des damaligen Falles (Falschbuchungen mit Einverständnis aller Gesellschafter) – ausgeführt hat, daß die Gesellschaft darüber hinaus etwaige Behauptungen des Geschäftsführers über den Verbleib der Gelder zu widerlegen habe, hat damit kein allgemeingültiger Grundsatz ausgesprochen werden sollen; ein solcher könnte jedenfalls nicht aufrechterhalten werden.
Für die Buchführung verantwortlich sind nach § 41 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich alle Geschäftsführer. Fallen Buch- und Kassenführung in die Zuständigkeit verschiedener Geschäftsführer und ist streitig, ob der Fehlbestand darauf beruht, daß der für die Kassenführung zuständige Geschäftsführer Auszahlungen nicht belegt, oder darauf, daß der andere Geschäftsführer ordnungsgemäß belegte Auszahlungen nicht verbucht hat, so können die Geschäftsbücher gegen den die Kasse verwaltenden Geschäftsführer auch dann als Beweismittel verwandt werden, wenn er für die Buchführung mitverantwortlich gewesen ist. Denn selbst wenn diese einem Geschäftsführer als eigenes Arbeitsgebiet zugewiesen worden ist, haben die übrigen insoweit wenigstens eine Überwachungspflicht, die sie zwingt einzugreifen, wenn sich Anhaltspunkte ergeben, daß der zuständige Geschäftsführer in seinem Arbeitsbereich die Geschäfte nicht ordnungsgemäß führt.
b) Im vorliegenden Fall hat nach alledem die Klägerin darzulegen und zu beweisen, daß die Verwendung der unstreitig vom Beklagten abgehobenen Beträge im Buchwerk der Gesellschaft nicht erfaßt ist, daß – mit anderen Worten – ein Kassenfehlbestand vorliegt. Das Berufungsgericht hat zwar darüber Beweis erhoben, ob der Beklagte die Verwendung der Gelder belegen konnte, ohne darauf eine eindeutige Antwort gefunden zu haben. Es hat aber zu der voraufliegenden Frage, ob aus den Buchführungsunterlagen der Klägerin überhaupt herzuleiten ist, daß die Verwendung der abgehobenen Gelder nicht belegt und verbucht worden ist, keine Feststellungen getroffen. Schon wegen dieser Verkennung der der Klägerin obliegenden Darlegungs- und Beweislast kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.
c) Erst wenn die Klägerin den Fehlbestand bewiesen hat, kommt es darauf an, ob der Beklagte als der für die Buch- und Kassenführung zuständige Geschäftsführer ihn aufklären kann. Zwar ist für die Buchführung der Mitgeschäftsführer D allein zuständig gewesen, aber auch der Beklagte hätte dafür einzustehen, wenn von D ordnungsgemäß belegte Auszahlungen nicht verbucht worden sein sollten; denn er hatte D zu überwachen und selbst für eine ordnungsgemäße Verbuchung zu sorgen, nachdem er – wie er selbst vorträgt – erkannt hat, daß D seine Pflichten vernachlässigte. Hinzu kommt, daß während der Erkrankung D im April 1981 die Buchführung insgesamt in die Zuständigkeit des Beklagten fiel. Der Beklagte hatte aber nicht nur dafür zu sorgen, daß die Gelder bestimmungsgemäß verwandt und verbucht wurden; er hatte auch seinem für die Buchführung zuständigen Mitgeschäftsführer Belege zukommen zu lassen, aus denen Tag, Empfänger, Zweck und Betrag einer jeden Auszahlung ersichtlich waren. Bedenken, daß der Beklagte für einen lediglich buchmäßigen Fehlbetrag einzustehen haben könnte, den im Innenverhältnis der beiden damaligen Geschäftsführer der nunmehrige Alleingesellschafter D zu vertreten hätte, bestehen insofern nicht, als mit dem vom Beklagten zu erbringenden Beweis für die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder der Fehlbestand aufgeklärt wäre, so daß die Klage – ungeachtet der lückenhaften Aufzeichnungen – abgewiesen werden müßte.
Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung zur Aufklärung des Kassenfehlbestandes unter Nennung von Betrag und Empfänger Ausgaben in Höhe von mehr als 200.000 DM im einzelnen aufgeschlüsselt und dafür Beweis angetreten. Da das Berufungsgericht – wie die Revision mit Recht rügt – sich damit nicht befaßt hat, hat sein Urteil auch aus diesem Grunde keinen Bestand.
d) Sollte die erneute Verhandlung ergeben, daß der Kassenfehlbestand vorhanden ist und der Beklagte ihn nicht aufzuklären vermag, so würde der Beklagte gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG für den Schaden haften, sofern er nicht darlegt und erforderlichenfalls beweist, daß er alle für einen ordentlichen Geschäftsführer gebotene Sorgfalt angewandt hat, um die mißbräuchliche Verwendung der Gelder zu verhindern, oder der Fehlbestand auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre oder ihm die Einhaltung des Sorgfaltsgebots unverschuldet unmöglich war (vgl. Sen.Urt. v. 9.6.1980 – II ZR 187/79, LM GmbHG § 43 Nr. 9).
2. Das angefochtene Urteil muß aber noch aus einem weiteren Grunde aufgehoben werden. Selbst wenn das Berufungsgericht im weiteren Verlauf des Rechtsstreits zu dem Ergebnis käme, daß der Beklagte die zweckmäßige Verwendung der Gelder nicht bewiesen hätte, stünde zwar dessen Schadensersatzpflicht fest, nicht aber – wie das Berufungsgericht annimmt – auch die weitere Behauptung der Klägerin, daß der Beklagte die Gelder vorsätzlich veruntreut und damit eine unerlaubte Handlung begangen hat. Vorsatz wird nicht vermutet, er ist dem Schädiger nachzuweisen. Damit ist der Annahme des Berufungsgerichts, daß der Beklagte im Hinblick auf § 393 BGB mit Gegenforderungen nicht aufrechnen könne, der Boden entzogen.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Beklagte nicht der Firma Z & Co. GmbH, sondern der Klägerin zur Herausgabe verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, daß die Firma Z & Co. GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte ebenfalls war, nach außen die Geschäfte der Klägerin solange führen sollte, bis diese im Handelsregister eingetragen war, und daß schon während dieses Gründungsstadiums die Geschäftsvorfälle beider Gesellschaften in einer einheitlichen Buchführung erfaßt worden sind. Hieraus hat das Berufungsgericht den rechtlich zulässigen Schluß gezogen, daß der Beklagte, wenn er nach außen als Geschäftsführer der Z & Co. GmbH aufgetreten ist, im Innenverhältnis die Geschäfte der Klägerin geführt hat. Entgegen der Ansicht der Revision war diese unterschiedliche Zuordnung der Geschäfte im Außen- und Innenverhältnis rechtlich möglich, ohne daß dadurch die unbeschränkte Haftung der Geschäftsführer nach § 11 Abs. 2 GmbHG begründet wurde, die zu vermeiden der Zweck der Regelung war. Zur Begründung einer solchen Haftung hätte es eines Handelns für die noch nicht im Handelsregister eingetragene Klägerin auch nach außen bedurft; daß es im Innenverhältnis deren Geschäfte waren, reichte nicht aus. Alles, was die Klägerin dem Beklagten an Vermögenswerten anvertraut hat, hatte er als ihr Geschäftsführer ordnungsgemäß zu verwalten und nach Beendigung seiner Geschäftsführung herauszugeben.
Fundstellen
Haufe-Index 648047 |
NJW 1986, 54 |
ZIP 1985, 1135 |