Leitsatz (amtlich)
a) Muß wegen des Neubaus einer Bundesfernstraße die aufgrund privatrechtlichen Gestattungsvertrages in einem Grundstück verlegte Erdöl- und Salzwasserleitung verändert werden, so kann dies einen nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilenden Entschädigungsanspruch auslösen.
b) Zur Höhe der Entschädigung, wenn die Leitung aufgrund eines lediglich obligatorischen Nutzungsrechts betrieben wird.
Die in Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB für bestimmte bergrechtliche Befugnisse enthaltene Ausnahme vom Eintragungsprinzip gilt nur für dingliche Rechte.
Normenkette
GG Art. 14; PrAGBGB Art. 22; PrAllgBergG §§ 8, 142; BBergG §§ 77, 79; RhPfBergrechtG Art. 5 Abs. 1 Nr. 9 v. 3. Januar 1974 (GVBl RP 1974, 1)
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Teilurteil vom 23.09.1992) |
LG Koblenz |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. September 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin erwarb für den Neubau der Bundesautobahn A 65 in der Pfalz Grundstücke, in denen die Beklagte aufgrund eines mit der Inhaberin der bergrechtlichen Konzession (Bewilligung) geschlossenen Konsortialvertrages Erdöl- und Salzwasserleitungen verlegt hatte. Die Einbringung der Leitungen war der Beklagten von den früheren Grundstückseigentümern gegen Zahlung einmaliger Gestattungsgebühren erlaubt worden.
Die Parteien streiten darüber, wer von ihnen die Kosten der straßenbaubedingten Umlegung der Leitungen zu tragen hat.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Erstattung der von ihr entsprechend einer Kostenvorlagevereinbarung aufgewendeten 57.643,05 DM nebst Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten durch Teilurteil in Höhe von 49.113,86 DM nebst Zinsen zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die – zugelassene – Revision der Beklagten, die die Klägerin zurückzuweisen begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat der Klage, soweit es darüber entschieden hat, stattgegeben, weil die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Klägerin die Übernahme der durch die straßenbaubedingte Umlegung ihrer Leitungen entstandenen Kosten verlangen könne, so daß der Klägerin nach der zwischen den Parteien getroffenen Kostenvorlagevereinbarung ein entsprechender Erstattungsanspruch zustehe.
Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
II.
1. Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin zu folgen, daß die Klägerin nach der zwischen den Parteien getroffenen Kostenvorlagevereinbarung in Verbindung mit § 1004 BGB Erstattung der vorgelegten, durch den Neubau der Bundesautobahn ausgelösten Kosten der Verlegung der Erdöl- und Salzwasserleitungen der Beklagten einschließlich Zinsen verlangen kann, wenn der Beklagten kein (Gegen-)Anspruch auf Übernahme dieser Kosten zusteht. Die zwischen den Parteien streitige Frage der Kostentragungspflicht beantwortet sich also danach, ob die Klägerin – wenn die Beklagte sich mit der notwendigen Verlegung der Leitungen nicht einverstanden erklärt hätte – dieses Ziel nur unter Übernahme der Kosten oder gegen Entschädigung hätte durchsetzen können (vgl. Senatsurteil vom 3. Oktober 1985 – III ZR 103/84 = BGHWarn 1985 Nr. 263 = NVwZ 1986, 689, 690 und Senatsbeschluß vom 18. Dezember 1986 – III ZR 84/85 = BGHR BGB § 598 Konzessionsvertrag 1 und GG vor Art. 1/enteignender Eingriff – Straßenbau 2).
2. Ein Gestattungsvertrag mit Folgekostenregelung, aus dem sich ein vertraglich begründeter Kostenübernahmeanspruch der Beklagten ergeben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. zur Erstattung sog. Folgekosten bei Leitungen in Straßengrundstücken Kodal/Krämer Straßenrecht 4. Aufl. S. 641 ff. Rdn. 32 ff. m.w.N. sowie Senatsentscheidungen vom 18. Dezember 1986 – III ZR 84/85 = a.a.O., vom 17. September 1987 – III ZR 202/86 = Verwaltungsrecht/Allg. Grundsätze – Konzessionsvertrag 1, vom 22. Februar 1989 – III ZR 27/88, vom 26. April 1990 – III ZR 49/89 = VkBl, 1992, 464 = BGHR Verwaltungsrecht/Allg. Grundsätze – Gestattungsvertrag 1, vom 7. März 1991 – III ZR 3/90 = BGHZ 114, 30, vom 25. Juni 1992 – III ZR 186/91 = VkBl. 1992, 584 = BGHR Verwaltungsrecht/Allg. Grundsätze – Gestattungsvertrag 3).
Auf das sog. Veranlassungsprinzip, nach dem derjenige, der eine Anlage aus Gründen in seiner Sphäre ändert, die Kosten zu ersetzen hat, die anderen aus Anlaß der Änderung entstehen, kann die Beklagte sich nicht berufen. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsirrtum angenommen, daß das Veranlassungsprinzip als allgemeine Rechtsgrundlage für eine Kostenerstattung nicht anerkannt ist. Es gilt nur, soweit es in der jeweiligen gesetzlichen Regelung konkret zum Ausdruck gebracht ist (vgl. BGHZ 51, 319, 324 f. und Senatsentscheidungen vom 4. Oktober 1979 – III ZR 28/78 = BGHWarn 1979 Nr. 241 = WM 1980, 118, 120, vom 3. Oktober 1985 – III ZR 103/84 = NVwZ 1986, 689, vom 18. Dezember 1986 – III ZR 84/85 = BGHR BGB § 598 Konzessionsvertrag 1 und vom 22. Februar 1989 – III ZR 27/88, jeweils m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat auch einen Kostentragungsanspruch der Beklagten nach § 1023 BGB rechtsfehlerfrei verneint. Die in den von der Klägerin erworbenen Grundstücken verlegten Leitungen der Beklagten sind nicht durch eine Dienstbarkeit (§§ 1018, 1090 BGB) dinglich gesichert. Auch eine entsprechende Anwendung des § 1023 BGB kommt nicht in Betracht, wie die Vorinstanzen frei von Rechtsirrtum entschieden haben.
3. Dem Berufungsgericht kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es einen nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilenden (Entschädigungs-)Anspruch der Beklagten verneint hat.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte die in Rede stehenden Grundstücke für die Verlegung ihrer Erdöl- und Salzwasserleitungen aufgrund sog. Gestattungsverträge mit den Voreigentümern in Anspruch genommen. Als Entgelt für das ihr eingeräumte Nutzungsrecht hatte die Beklagte an die Voreigentümer einmalige – geringe – Gestattungsgebühren gezahlt. Der Beklagten stand gegen die Grundstückseigentümer (nur) ein obligatorisches Recht zur Verlegung und Unterhaltung der Leitungen zu. Hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
b) Ein solches obligatorisches, dinglich nicht gesichertes Nutzungsrecht genießt grundsätzlich den Schutz des Art. 14 GG.
Art. 14 GG schützt allerdings nur konkrete subjektive Rechtspositionen, die einem Rechtsträger bereits zustehen, nicht dagegen die Chancen und Aussichten, auf deren Verwirklichung ein rechtlich gesicherter Anspruch nicht besteht. Bei dem vorzeitigen Entzug eines – auch langfristigen – obligatorischen Nutzungsrechts bestimmt sich die Enteignungsentschädigung daher nur danach, welche vertragliche Rechtsposition der Nutzungsberechtigte im Einzelfall gegenüber seinem Vertragspartner innehatte und was er von seinem Recht hat abgeben müssen. Ist seine Rechtsstellung dadurch begrenzt, daß das Vertragsverhältnis durch Kündigung beendet werden kann, so besteht auch bei tatsächlicher, rechtlich aber nicht gesicherter Übereinstimmung der Vertragsparteien über die langfristige Fortsetzung des Vertragsverhältnisses enteignungsrechtlich allenfalls eine tatsächliche Erwartung auf die Nichtbeendigung des Vertragsverhältnisses. Der Wegfall einer solchen rechtlich nicht gesicherten Erwartung auf Fortbestand eines Vertragsverhältnisses begründet keinen Anspruch auf Entschädigung nach Art. 14 GG. Zu einer eigentumsähnlichen Rechtsposition kann sich ein solches Nutzungsrecht ohne rechtliche Absicherung grundsätzlich auch bei langer Dauer nicht verdichten (vgl. Senatsurteile BGHZ 83, 1, 3 ff., vom 3. Oktober 1985 = BGHWarn 1985 Nr. 263 = NVwZ 1986, 689, 690 und BGHZ 117, 236, 237).
c) Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten mit den Voreigentümern geschlossenen Gestattungsverträge nicht als Mietverträge angesehen, für die die Klägerin nach § 571 BGB einzustehen hätte, sondern als jederzeit kündbare Leih- oder ähnliche Verträge, die der Beklagten keine nach Art. 14 GG geschützte Rechtsposition vermittelt hätten.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
Das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den Voreigentümern stellt sich als Mietverhältnis dar. Die Voreigentümer hatten sich verpflichtet, der Beklagten den Gebrauch ihrer Grundstücke für die Verlegung und Unterhaltung bestimmter Erdöl- und Salzwasserleitungen zu gewähren, und die Beklagte hatte dafür eine – wenn auch geringe – Gestattungsgebühr zu entrichten (§ 535 BGB). Dem Vorliegen eines Mietverhältnisses steht entgegen der Annahme des Berufungsgerichts weder entgegen, daß der Mietzins nicht wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte der Gebrauchsdauer, sondern in einer einmaligen Zahlung zu entrichten war, noch der Umstand, daß das für die Gestattung der Inanspruchnahme zu zahlende Entgelt sehr niedrig festgesetzt war (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1970 – VIII ZR 179/68 = BGHWarn 1970 Nr. 116 = MDR 1970, 1004; Senatsurteil BGHZ 117, 236, 238). Zur Annahme eines Leihverhältnisses oder eines Nutzungsverhältnisses eigener Art besteht daher kein Anlaß.
Mit der Veräußerung der Grundstücke durch die Voreigentümer an die Klägerin ist diese nach § 571 BGB in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Verpflichtungen eingetreten.
d) Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Maße das Nutzungsrecht der Beklagten, soweit es vom Eigentumsschutz umfaßt wird, durch die Straßenbaumaßnahmen der Klägerin beeinträchtigt worden ist, d.h. inwieweit der Beklagten aufgrund des Mietverhältnisses eine konkrete subjektive Rechtsposition gegenüber der Klägerin zustand.
Die Gestattungsverträge zwischen der Beklagten und den Voreigentümern (vgl. § 566 BGB) sind nicht vorgelegt worden. In Unterlagen, die die Beklagte eingereicht hat, ist auf Vereinbarungen mit den Eigentümern in den Jahren 1958, 1969 und 1975 hingewiesen, auch darauf, daß die Leitungen nach Stillegung im Erdreich belassen werden sollten, wenn nicht sachlich zwingende Gründe dieser Absicht später entgegenstünden. Im Hinblick auf §§ 564, 565 Abs. 1 Nr. 3, 566, 567, 571 BGB (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 117, 236 ff.) erscheint es jedenfalls zumindest nicht ausgeschlossen, daß einem Herausgabeverlangen der Klägerin nach § 1004 BGB eine auf das Mietverhältnis gestützte Einwendung der Beklagten entgegenstand. Eine solche Rechtsposition der Beklagten konnte die Klägerin nicht vorzeitig entschädigungslos entziehen (vgl. Krohn Enteignung, Entschädigung, Staatshaftung 1993 Rdn. 151 ff. m.w.N.).
Das Berufungsgericht wird die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen haben.
e) Dabei ist zunächst – für jedes Grundstück gesondert – zu ermitteln, welche Rechtsposition der Beklagten aufgrund des jeweiligen Gestattungsvertrages hinsichtlich der verlegten Erdöl- und Salzwasserleitungen gegenüber den früheren Grundstückseigentümern und jetzt (§ 571 BGB) gegenüber der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin zustand. Denn danach bemißt sich, was die Beklagte im Einzelfall infolge der straßenbaubedingten Umlegung der Leitungen von ihrem Recht, d.h. von ihrer rechtlich gesicherten und geschützten Nutzungsmöglichkeit, hat aufgeben müssen.
Ob und inwieweit die Beklagte für die straßenbaubedingte Umlegung ihrer Leitungen zu entschädigen ist, beurteilt sich nach den allgemein für die Entschädigung obligatorischer Nutzungsrechte wie Miete und Pacht entwickelten Grundsätzen (vgl. dazu Krohn a.a.O. Rdn. 151 ff.; Aust/Jacobs Enteignungsentschädigung 3. Aufl. S. 143 ff., 215 ff.; Krohn Wertermittlungsforum 1986, 1 ff.; Krohn/Löwisch Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung 3. Aufl. Rdn. 279 f.; Gelzer/Busse Umfang des Entschädigungsanspruchs 2. Aufl. Rdn. 603 ff.; jeweils m.w.N.).
Eine geschützte Rechtsposition kann der Beklagten, sofern nicht eine kürzere Mietdauer vereinbart war, im Hinblick auf § 567 BGB längstens auf 30 Jahre zustehen, gerechnet ab Vertragsbeginn (vgl. Senatsurteil BGHZ 117, 236). Sofern der hiernach maßgebliche Zeitraum bereits verstrichen ist, kommt eine Entschädigung der Beklagten nicht in Betracht, weil ihr jedenfalls keine rechtlich gesicherte Erwartung (mehr) zustand, daß ihr Nutzungsrecht an dem Grundstück fortbestehen werde (vgl. BGHZ 117, 236). Sofern das Mietverhältnis zur Zeit der straßenbaubedingten Umlegung der Leitungen noch nicht abgelaufen war, kommt eine Entschädigung nur wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses in Betracht, d.h. die Beklagte ist für die Nachteile zu entschädigen, die ihr gerade durch den vorzeitigen Entzug ihres Mietrechts entstehen (vgl. Senatsurteil BGHZ 83, 1, 7; Krohn a.a.O.; BGB-RGRK/Kreft 12. Aufl. vor § 839 Rdn. 119).
War die Beklagte – wie regelmäßig ein Mieter (§ 556 Abs. 1 BGB; BGHZ 81, 146, 150 m.w.N.) – verpflichtet, die Leitungen bei Beendigung des Mietverhältnisses zu entfernen, steht ihr ein Entschädigungsanspruch in Höhe der streitigen Verlegungskosten nicht zu. Denn die Beklagte hätte solche Kosten bei Vertragsablauf ohnehin aufwenden müssen. Ihr Nachteil besteht dann nur darin, daß diese Kosten vorzeitig anfallen. Die der Beklagten zu leistende Entschädigung beschränkt sich deshalb insoweit grundsätzlich auf den Zwischenzins (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1971 – III ZR 162/69 = BGHWarn 1971 Nr. 261 = NJW 1972, 528, 529 f.).
Die Beklagte kann eine Entschädigung in Höhe der streitigen Verlegungskosten aber auch dann nicht verlangen, wenn sie nach den Gestattungsverträgen berechtigt war, die Leitungen (als verlorene Investitionen) auf Dauer im Erdreich zu belassen, und zwar auch bei Stillegung und nach Beendigung des Mietverhältnisses. Denn die durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition der Beklagten ist, wie ausgeführt, dadurch gekennzeichnet, daß ihre Nutzungsberechtigung keine dauernde ist. § 567 BGB will die sog. Erbmiete verhindern; darin liegen Sinn und Zweck der Bestimmung (vgl. auch BGH Urteil vom 27. September 1951 – I ZR 85/50 = LM BGB § 581 Nr. 2 unter I 2 a). Anders als ein dinglich Berechtigter, insbesondere ein Grundeigentümer, muß sich ein Mieter wie die Beklagte rechtlich darauf einstellen, daß das Grundstück zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, spätestens nach 30 Jahren, zu räumen ist. Gerade darin zeigt sich die Schwäche seiner Rechtsposition im Verhältnis zum Grundeigentum.
Der Zwang zur vorzeitigen Aufgabe des Mietverhältnisses, wie es hier in Betracht kommt, kann aber Investitionen der Beklagten unrentierlich gemacht haben, die die Beklagte sonst, ohne die straßenbaubedingte Umlegung der Leitungen, noch eine Zeitlang hätte ausnutzen können. Derartige Folgekosten stellen sich als Nachteile dar, die enteignungsrechtlich grundsätzlich entschädigungsfähig sind. Dies gilt allerdings nur in dem Umfang, als sich in ihnen der Entzug gerade einer bestehenden – gesetzlich oder vertraglich begründeten – Rechtsposition der Beklagten ausdrückt (vgl. Krohn a.a.O.).
Durch die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht haben die Parteien Gelegenheit, hierzu noch ergänzend vorzutragen.
4. Das Berufungsgericht hat eine auf bergrechtliche Vorschriften gegründete eigentumsähnliche Rechtsposition der Beklagten, in die – wie die Beklagte geltend gemacht hat – nicht entschädigungslos eingegriffen werden könne, verneint und auch insoweit einen (Gegen-)Anspruch der Beklagten auf Übernahme der Leitungsverlegungskosten durch die Klägerin abgelehnt. Dagegen wendet sich die Revision jedenfalls im Ergebnis ohne Erfolg.
a) Das Berufungsgericht hat den im Jahre 1950 zwischen der Inhaberin der bergrechtlichen Konzession (jetzt nach § 153 BBergG: Bewilligung) und der Beklagten geschlossenen Konsortialvertrag dahin ausgelegt, daß darin lediglich der Beklagten schuldrechtlich das Recht auf Mitnutzung der Konzession eingeräumt worden (Aufsuchen und Gewinnen von Erdöl und anderen Bitumina), nicht aber auch – ganz oder teilweise – eine Übertragung der erteilten Konzession selbst und des in dieser enthaltenen Gewinnungsrechts erfolgt sei.
Das wird von der Revision nicht angegriffen und läßt einen durchgreifenden Rechtsfehler auch nicht erkennen.
b) Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht die Beklagte, obwohl diese Bergbauunternehmerin sei, nicht als Grundabtretungsberechtigte im Sinne der §§ 77 ff. BBergG angesehen habe. Die Revision macht insoweit (unter Hinweis auf Boldt/Weller BBergG § 79 Rdn. 8 b, 8 c) geltend, die Berechtigung zur Grundabtretung, zu deren Abwendung die Beklagte hier die Nutzungsverhältnisse mit den Voreigentümern begründet habe, entfalte auch ohne Eintragung ins Grundbuch dingliche Wirkung.
c) Ob die Beklagte im Streitfall berechtigt ist, Grundabtretung zu verlangen (§ 8 Abs. 1 Nr. 4, §§ 77 ff. BBergG), und ob die insoweit von der Revision gegen das Berufungsurteil erhobenen Einwendungen durchgreifen, bedarf nicht der Entscheidung.
Auch eine Befugnis der Beklagten (oder der Inhaberin der Konzession/Bewilligung, von der die Beklagte ihre Rechtsstellung ableitet), unter Umständen eine Grundabtretung zur Erzwingung eines Leitungsrechts zu beantragen (§§ 77 ff. BBergG; vgl. auch BGH, Beschluß vom 7. Mai 1992 – V ZR 192/91 = BGHR ZPO § 148 Revisionsinstanz 1 = WM 1992, 1422 f.), läßt ein nur obligatorisches Nutzungsrecht – wie es hier in Rede steht – nicht zu einem einer Dienstbarkeit nahekommenden dinglichen Recht erstarken (vgl. Senatsurteile vom 4. Oktober 1979 – III ZR 28/78 = BGHWarn 1979 Nr. 241 = WM 1980, 118, 120 m.w.N.; BGHZ 117, 236, 239).
Im übrigen wäre eine Grundabtretung nach § 79 BBergG nur zulässig, wenn sie nach Maßgabe der dort genannten Voraussetzungen erforderlich wäre. Das ist nicht der Fall, wenn – wie hier – der Zweck der Grundabtretung durch eine den Eigentümer weniger belastende Maßnahme, nämlich eine Verlegung der Leitungen, erfüllt werden kann (vgl. Senat BGHZ 117 a.a.O.).
d) Eine dingliche Berechtigung der Beklagten ergibt sich entgegen der Annahme der Revision hier auch nicht aus Art. 22 des preußischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 20. September 1899 (PrAGBGB – PrGS. S. 177) in der hier anzuwendenden (unveränderten) Fassung für das Land Rheinland-Pfalz.
aa) Nach Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB bedürfen die Gebrauchs- und Nutzungsrechte, die nach §§ 8, 142 des preußischen Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (PrABG – PrGS. S. 705) im Wege des Zwangsverfahrens erworben werden können, zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Eintragung.
Bei den genannten bergrechtlichen Befugnissen handelt es sich um das Recht, auf fremdem Grund und Boden zu schürfen (§§ 3 ff. PrABG), und um die Befugnis des Bergwerksbesitzers, ein fremdes Grundstück zu benutzen, soweit es für den Betrieb des Bergbaus notwendig ist (§§ 135 ff. PrABG – bergrechtliche Grundabtretung).
Die entsprechende Geltung dieser Vorschriften für das Aufsuchen und Gewinnen von Erdöl und anderen Bitumina sowie für Anlagen zur Lagerung und Fortleitung von Erdöl ergibt sich aus dem preußischen Gesetz zu Erschließung von Erdöl und anderen Bodenschätzen vom 12. Mai 1934 (PrErdölG – PrGS. S. 257).
bb) In der Pfalz galten früher die Vorschriften des bayerischen Bergrechts, insbesondere das bayerische Berggesetz vom 13. August 1910 (Bayer. GVBl. S. 815) mit späteren Änderungen, seit 1. Januar 1966 in der Fassung der rheinland-pfälzischen Neubekanntmachung für den Regierungsbezirk Pfalz vom 5. Januar 1966 (RhPf GVBl. 1966 Sd.Nr. Pfalz S. 86).
Mit Wirkung vom 1. Juli 1974 wurde das in Rheinland-Pfalz geltende Bergrecht vereinheitlicht; der Geltungsbereich des Allgemeinen Berggesetzes für die ehemals preußischen Staaten sowie einiger ehemals preußischer bergrechtlicher Nebengesetze wurde auf das gesamte Landesgebiet ausgedehnt (vgl. RhPf LT-Drucks. 7/2035 Vorbl. sowie S. 20, 21; LT-Drucks. 7/2495; Plen.Prot. 7/42 S. 1605, 7/49 S. 2083 f.). Unter Aufhebung des ehemals bayerischen Bergrechts wurde auch in der Pfalz das ehemals preußische Bergrecht in Kraft gesetzt, insbesondere – soweit hier von Interesse – das PrABG vom 24. Juni 1865, das PrErdölG vom 12. Mai 1934 und Art. 22 Nr. 2 des PrAGBGB vom 20. September 1899, und zwar jeweils in der Fassung der rheinland-pfälzischen Neubekanntmachung für die Regierungsbezirke Koblenz, Trier und Montabaur vom 27. November 1968 (RhPf GVBl. 1968 Sd.Nr. Koblenz, Trier, Montabaur S. 89, 119 und 62) mit späteren Änderungen (vgl. Art. 1, 3, 5 Abs. 1 Nr. 9 und Art. 6, 10 des Landesgesetzes über das Bergrecht im Lande Rheinland-Pfalz vom 3. Januar 1974, RhPf GVBl. S. 1; Neubekanntmachung des ABGRhPf vom 12. Februar 1974 RhPf GVBl. S. 113).
Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB in der nunmehr in ganz Rheinland-Pfalz geltenden Fassung (vom 27. November 1968, RhPf GVBl. 1968 Sd.Nr. Koblenz, Trier, Montabaur S. 62; RhPf GVBl. 1974 S. 1, 8) entspricht dabei dem ursprünglichen Wortlaut des Gesetzes vom 20. September 1899 (PrGS. S. 177).
§ 27 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. f des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 18. November 1976 (AGBGB – RhPf GVBl. S. 259) hat Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB von der Aufhebung des ehemals preußischen AGBGB vom 20. September 1899 ausdrücklich ausgenommen.
cc) Ob und inwieweit Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB durch das Inkrafttreten des Bundesberggesetzes (BBergG vom 13. August 1980, BGBl. I S. 1310) am 1. Januar 1982 berührt worden ist, bedarf nicht der Entscheidung (vgl. insoweit Boldt/Weller BBergG § 79 Rdn. 8 b, 8 c; Palm ZfB Bd. 122 [1981] S. 415 ff.; Anz Braunkohle 1982, 49, 51).
In dem Katalog der nach § 176 Abs. 1 BBergG insbesondere außer Kraft tretenden landesrechtlichen Vorschriften ist Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB nicht enthalten. Auch das Landesgesetz über das Bergrecht im Lande Rheinland-Pfalz vom 3. Januar 1974 (RhPf GVBl. S. 1), dessen Art. 5 Abs. 1 Nr. 9 die Bestimmung in der Pfalz in Kraft gesetzt hat, ist dort nicht aufgeführt. Ob der Gegenstand des Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB im Bundesberggesetz geregelt ist oder ihm widerspricht (vgl. die Generalklausel im Eingangssatz des § 176 Abs. 1 BBergG) oder ob es sich dabei um eine Vorschrift des Landesrechts über die grundbuchmäßige Behandlung von Bergbauberechtigungen handelt, die nach § 176 Abs. 2 BBergG unberührt geblieben ist (vgl. dazu Boldt/Weller a.a.O. § 176 Rdn. 4), kann dahinstehen.
Das der Beklagten von den früheren Grundstückseigentümern vertraglich eingeräumte Nutzungsrecht fällt wegen seiner lediglich obligatorischen Natur nicht unter Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB.
dd) Die in Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB für bestimmte bergrechtliche Befugnisse enthaltene Ausnahme vom Eintragungsprinzip gilt nur für dingliche Rechte.
§ 22 PrAGBGB ist Art. 12 des durch Art. 89 Nr. 28 PrAGBGB ganz aufgehobenen preußischen Gesetzes über den Eigentums erwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Gerechtigkeiten vom 5. Mai 1872 (PrEEG – PrGS. S. 433) nachgebildet. Schon diese Bestimmung knüpfte die in ihr enthaltene Ausnahme vom Eintragungsprinzip an die Voraussetzung der Dinglichkeit der betroffenen Rechte (vgl. Turnau PrGBO 5. Aufl. 1892 PrEEG § 12 Anm. 1 S. 675, Anm. 4 d S. 684; Stranz/Gerhard PrAGBGB 1900 Art. 22 Anm. 8 S. 167, Anm. 19 S. 170; Crusen/Müller PrAGBGB 1901 Art. 22 Anm, II A 3, 4 S. 254 f.; Klostermann PrABG 6. Aufl. 1911 § 5 Anm. 4 S. 41 f.; § 135 Anm. S. 365, 367). Soweit § 12 PrEEG auch Miete und Pacht erwähnt – heute rein obligatorische Rechte –, beruht dies darauf, daß Miete und Pacht nach früherem preußischen Recht (PrALR) dingliche Wirkungen haben konnten, die zwar nicht schon mit dem Abschluß des Miet- und Pachtvertrages, aber mit Übergabe des Besitzes eintrat (vgl. Turnau a.a.O. Anm. 4 c S. 683; auch Stranz/Gerhard a.a.O. Anm. 3, 4 S. 165; Crusen/Müller a.a.O. Anm. II A 4 S. 255, Anm. II B 2 b S. 257; Klostermann a.a.O. S. 368).
In entsprechender Weise ist auch unter der Geltung des § 22 PrAGBGB die Ausnahme vom Eintragungsprinzip für die in der Vorschrift erwähnten Rechte an die Voraussetzung ihrer Dinglichkeit geknüpft, wobei nicht geregelt wird, wie diese Rechte entstehen (vgl. Stranz/Gerhard a.a.O. Anm. 8 S. 167, Anm. 19 S. 170; Crusen/Müller a.a.O. Anm. II A 4 S. 255, Anm. II B 2 b S. 257 ff.; s.a. Klostermann a.a.O. S. 367 f.). Ob es sich insoweit um die Begründung eines dinglichen Rechts oder einer nur obligatorischen Nutzungsberechtigung handelt, hängt von dem jeweiligen Entstehungsakt ab und ist im Wege der Auslegung anhand des im Einzelfall gegebenen Sachverhalts, insbesondere der getroffenen Vereinbarungen, zu beurteilen (vgl. RG ZfB Bd. 61 [1920] S. 221 f.; BGH, Urteil vom 25. September 1963 – V ZR 203/61 = ZfB Bd. 105 [1964] S. 228 ff. = BGHWarn 1963 Nr. 186; Isay PrABG I. Bd. 2. Aufl. 1933 § 5 Anm. 12, 14; II. Bd. 1920 § 135 Anm. 16–19; s.a. PrObTrib ZfB Bd. 18 [1877] S. 407 ff. sowie Klostermann a.a.O. S. 368/369).
Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht auch ihre Einbettung in das bergrechtliche Grundabtretungsverfahren (§§ 153 ff, PrABG; §§ 135 ff. ABGRhPf; jetzt §§ 77 ff. BBergG). Das dort zwangsweise (§§ 8, 142 ABG) durch die Bergbehörde begründete Benutzungsrecht hat stets dinglichen Charakter (vgl. Isay a.a.O. § 5 Anm. 14, § 8 Anm. 8, § 135 Anm. 19).
ee) Im Streitfall ist der Beklagten durch die früheren Grundstückseigentümer, wie ausgeführt, kein dingliches, sondern lediglich ein obligatorisches Recht zur Verlegung und Unterhaltung der streitigen Erdöl- und Salzwasserleitungen eingeräumt worden. Ein Gebrauchs- und Nutzungsrecht im Sinne des Art. 22 Nr. 2 PrAGBGB liegt infolgedessen nicht vor. Die Revision hat damit insoweit keinen Erfolg.
Unterschriften
Krohn, Werp, Rinne, Wurm, Deppert
Fundstellen
Haufe-Index 1444683 |
BGHZ |
BGHZ, 166 |
NJW 1993, 3131 |
NVwZ 1994, 93 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1994, 172 |
DVBl. 1993, 1371 |