Entscheidungsstichwort (Thema)
Anknüpfung der Pflichtteillast und Bewertungszeitpunkt/Beschränkung der Erbenhaftung in der Revisionsinstanz
Leitsatz (amtlich)
1. Maßgebend für die Anknüpfung der Pflichtteilslast gemäß § 2320 Abs. 2 BGB ist, wem der gesetzliche Erbteil des Pflichtteilsberechtigten zugewendet ist. Für die Bemessung der Höhe des erlangten Vorteils ist auf den Wert des erlangten Erbteils zur Zeit des Erbfalls abzustellen.
2. § 2322 BGB geht § 2318 BGB vor.
3. Entscheidet der Tatrichter über eine von dem beklagten Erben erhobene Dürftigkeitseinrede nicht, und behält es ihm auch nicht die Beschränkung seiner Haftung vor, dann kann das Revisionsgericht den Vorbehalt auch ohne Revisionsrüge nachholen.
Normenkette
BGB §§ 2320, 2318, 2322; ZPO § 780
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. September 1981 teilweise aufgehoben und das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 15. April 1980 teilweise abgeändert wie folgt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.960.000,– DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. März 1979 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Dem Beklagten bleibt vorbehalten, seine Haftung auf den Nachlaß zu beschränken.
Von den Kosten des Rechtsstreits und den Kosten der Nebenintervention hat die Klägerin 1/50 zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte; die übrigen Kosten der Nebenintervention werden dem Streithelfer auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der am 15. Mai 1975 verstorbene Kaufmann Rudolf H. (Erblasser) hinterließ die Klägerin, mit der er in dritter Ehe verheiratet war und in Gütertrennung lebte, und als einzigen Abkömmling die Tochter Anita aus seiner zweiten Ehe, die Mutter des Beklagten. In dem eigenhändigen Testament des Erblassers vom 19. März 1974 heißt es:
„Ich setze meine Ehefrau … zu 51% und meine Tochter Anita … zu 49% als meine Erben ein. Als Vorausvermächtnis soll meine Ehefrau meinen gesamten Grundbesitz (einschließlich Häuser) sowie mein ganzes privates Vermögen (Schmuck, Bankkonten, Bargeld usw.) erhalten. Meine Tochter soll hinsichtlich ihres Anteils Vorerbin sein; zu ihrem Nacherben ernenne ich meinen Enkel … (den Beklagten) … Für die Dauer von 10 Jahren ernenne ich … zum Testamentsvollstrecker. Er soll das Vorausvermächtnis an meine Ehefrau herausgeben; hierfür soll also keine Testamentsvollstreckung gelten …
Der Nachlaß bestand im wesentlichen aus dem im Testament erwähnten Grundbesitz und aus den Geschäftsanteilen an der Rudolf H… GmbH, die Großhandel mit Schmuck betreibt.
Die Mutter des Beklagten schlug die Erbschaft form- und fristgerecht aus, verlangt von der Klägerin ihren Pflichtteil und klagte davon zwei Teilbeträge in Höhe von 2 Mio. DM und 1,5 Mio. DM ein. In dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von 2 Mio. DM nebst Zinsen in Anspruch, weil der Beklagte an Stelle seiner Mutter Miterbe zu 49/100 geworden sei und den Pflichtteil seiner Mutter, in der Höhe von 2 Mio. DM von der Klägerin ausgezahlt sei im Innenverhältnis allein tragen müsse. Der Beklagte hat bezweifelt, daß er Miterbe geworden sei. Jedenfalls habe der Erblasser seinen Enkel nicht mit Pflichtteilsansprüchen belasten wollen. Im übrigen habe die Klägerin die GmbH durch Entnahme von Gesellschaftsmitteln entwertet; der Erbteil sei inzwischen dürftig.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage für begründet gehalten. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die von dem Streithelfer des Beklagten für diesen eingelegte Berufung unbedenklich zulässig. Der Streithelfer ist dem Beklagten bereits vor dem Landgericht beigetreten. Ein Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention gemäß § 71 Abs. 1 ZPO ist weder vor den Landgericht noch vor den Oberlandesgericht gestellt worden. Der Streithelfer war und ist daher gemäß § 71 Abs. 3 ZPO im Hauptverfahren zuzuziehen. Er war und ist berechtigt (§ 67 ZPO), alle Rechtshandlungen vorzunehmen; diese sind wirksam, soweit sie nicht mit den Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen, was hier nicht der Fall ist.
2. Das Berufungsgericht geht davon aus, die Mutter des Beklagten habe durch die Ausschlagung des ihr testamentarisch zugedachten Erbteils von 49% gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Pflichtteilsanspruch erlangt. Diesen Anspruch, der rechnerisch unstreitig zumindest 2 Mio. DM ausmache, habe die Klägerin erfüllt.
Der Beklagte, müsse den Pflichtteil gemäß § 2320 Abs. 2 BGB im Innenverhältnis der Miterben allein tragen. Der Beklagte sei infolge der Ausschlagung durch seine Mutter an deren Stelle testamentarischer Miterbe geworden; die Einsetzung des Beklagten als Nacherbe enthalte hier gemäß § 2102 Abs. 1 BGB auch seine Einsetzung als Ersatzerbe (§ 2096 BCB) für seine Mutter. Dafür, daß der Erblasser den Beklagten von der Pflichtteilslast ganz oder teilweise habe freistellen wollen, ergäben sich weder aus dem Testament noch aus der Beweisaufnahme genügend Anhaltspunkte.
Den hiergegen gerichteten Angriffen der Revision hält das angefochtene Urteil im wesentlichen stand.
Die Mutter des Beklagten war durch das Testament 19. März 1974 als Miterbin zu 49% berufen. Ihr gesetzlicher Erbteil hätte gemäß § 1931 Abs. 4 BGB 50 % betragen. Der Mutter hinterlassene Erbteil war daher größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Daraus folgt gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB, da insoweit jedenfalls in der Regel die Erbquote entscheidet (vgl. Urteil vom 19.2.1968 – III ZR 196/65 = LM BGB § 2306 Nr. 4), daß die Mutter des Beklagten, die ihren Erbteil, ausgeschlagen hat, ihren Pflichtteil verlangen kann. Der Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen den oder die Miterben (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB); mehrere Miterben haften gemäß § 2058 grundsätzlich als Gesamtschuldner. Miterben sind hier die Klägerin und – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen und begründet hat – auch der Beklagte. Nachdem die Klägerin den Pflichtteilsanspruch der Mutter des Beklagten in Höhe von 2 Mio. DM teilweise erfüllt hat, kann sie von dem Beklagten Ausgleichung gemäß § 426 Abs. 1 BGB verlangen; soweit die Ausgleichungspflicht des Beklagten reicht, ist außerdem der Pflichtteilsanspruch gegen den Beklagten gemäß § 426 Abs. 2 BGB auf die Klägerin übergegangen. Beide Ansprüche gehen entgegen der Meinung des Beklagten auf Geld.
Die Parteien sind im Verhältnis zueinander aber nicht, wie es die Regel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB vorsieht, zu gleichen Anteilen verpflichtet. Diese Norm greift nur ein, wenn nicht ein anderes bestimmt ist. Auch § 748 GB i.V. mit § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB ist hier nicht anwendbar. Die Verteilung der Pflichtteilslast im Verhältnis der Miterben zueinander ist vielmehr in § 2320 BGB besonders geregelt.
Nach Abs. 1 dieser Vorschrift hat derjenige Stelle des Pflichtteilsberechtigten, der an Stelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, die Pflichtteilslast im Innenverhältnis der Miterben in Höhe des erlangten Vorteils zu tragen. Das gleiche gilt gemäß § 2320 Abs. 2 BGB im Zweifel von demjenigen, dem der Erblasser den Erbteil des Pflichtteilsberechtigten durch Verfügung von Todes wegen zugewendet hat.
Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Zutreffend nimmt es an, der Beklagte sei als Ersatzerbe an die Stelle seiner Mutter getreten und habe den in erster Linie seiner Mutter zugedachten Erbteil erlangt. Nicht richtig ist es dagegen, wenn das Oberlandesgericht hieran die Schlußfolgerung anschließt, der Beklagte habe deshalb die Pflichtteilslast allein zu tragen. Maßgebend für die Anknüpfung der Pflichtteilslast gemäß § 2320 Abs. 2 BGB ist nicht der Verbleib eines dem Pflichtteilsberechtigten testamentarisch gerade zugedachten (dann aber ausgeschlagenen) Erbteils; dieser kann kleiner sein als der gesetzliche Erbteil und ist es auch hier. Entscheidend ist vielmehr auch für Abs. 2, wem der gesetzliche Erbteil des Pflichtteilsberechtigten zugewendet ist (vgl. RG DR 1941, 441, 442, der hierzu im amtlichen Nachschlagewerk des Reichsgerichts abgedruckte Leitsatz lautet: Der Erbteil im Sinne des Abs. 2 von § 2320 BGB ist der gesetzliche Erbteil; ferner RG JW 1918, 768, 769).
Demgemäß ist zunächst festzustellen, wie hoch der gesetzliche Erbteil des Pflichtteilsberechtigten gewesen wäre, und alsdann zu fragen, wem der Erblasser diesen Erbteil zugewendet hat.
Gemäß § 1931 Abs. 4 BGB hätte der gesetzliche Erbteil der Mutter des Beklagten 50% betragen. Diesen gesetzlichen Erbteil hat der Erblasser von Anfang an zu 1/50 seiner Ehefrau, der Klägerin, zugewendet; nur der verbleibende Erbteil von 49% des Nachlasses ist nach der Ausschlagung an den zum Ersatzerben berufenen Beklagten gefallen. Dementsprechend muß die Klägerin die Pflichtteilslast von vornherein zu 1/50 mit tragen.
Das Berufungsgericht hat nicht ausdrücklich erörtert, wie hoch der erlangte Vorteil des Beklagten ist; nur dieser Höhe muß der Beklagte die Pflichtteilslast übernehmen. Das ist jedoch unschädlich. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe (BU 12, 6) ist zu entnehmen, daß das Berufungsgericht sich insoweit den Wertfeststellungen durch das Landgericht anschließen wollte. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, die Klägerin habe zur Überzeugung des Gerichts durch Vorlage zweier Unternehmensbewertungen nachgewiesen, daß die dem Beklagten zugefallenen 49% Geschäftsanteile beim Erbfall einen Wert von über 2 Mio. DM hatten. Diese Feststellung ist rechtlich nicht zu beanstanden, dies um so weniger, als der Beklagte selbst vor dem Berufungsgericht zugestanden hat, daß der Wert der GmbH-Anteile (trotz angeblicher Entwertung) im September 1980 sogar noch „deutlich über 5 Mio. DM” lag. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber für unbegründet erachtet(§ 565a ZPO).
Gerade auf diesen Vorteil des Beklagten kommt es für § 2320 BGB an, nämlich auf den Wert dessen, was der Beklagte von dem gesetzlichen Erbteil seiner Mutter erlangt hat; dabei ist der Wert zur Zeit des Erlangens, also Erbfalles maßgebend. Nicht entscheidend ist dagegen der andere, möglicherweise erheblich geringere Vorteil des Beklagten, der darin liegt, daß seine Mutter die Erbschaft ausgeschlagen hat und daß er den ihm zugewendeten Erbteil nicht erst beim Tode seiner Mutter als Nacherbe, sondern schon von Anfang an als Ersatzerbe erlangt hat. Der Gedanke der Verknüpfung einer Ausschlagung mit einem dadurch erlangten Vorteil kommt zwar in § 2321 BGB zur Geltung. Dagegen ist § 2320 BGB nicht gerade auf den – engeren – Fall einer Ausschlagung durch den Pflichtteilsberechtigten zugeschnitten (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern knüpft umfassend an den Verbleib des gesetzlichen Erbteils des Pflichtteilsberechtigten und den auf diese Weise entstandenen Vorteil des Begünstigten an.
Eine weitere Entlastung von der Pflicht, den Pflichtteil seiner Mutter im Innenverhältnis der Parteien weitgehend tragen zu müssen, kann der Beklagte auch nicht mit dem Hinweis darauf erreichen, daß die Klägerin große Teile des Nachlasses durch Vorausvermächtnis erlangt habe.
Richtig ist allerdings, daß der Vermächtnisnehmer dem die Pflichtteilslast gemäß § 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB unter Umständen teilweise abnehmen muß; in diesen Fällen kann der mit dem Pflichtteil belastete Erbe das Vermächtnis so weit kürzen, daß er und der Vermächtnisnehmer den Pflichtteil nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung am Nachlaß tragen. Ein derartiges Kürzungsrecht des Erben kann gegebenenfalls auch dazu führen, daß der Vermächtnisnehmer an den Erben Zahlungen zu leisten hat (BGHZ 19, 309, 311), und dürfte, wenn es bestünde, auch bei der Verteilung der Pflichtteilslast nach § 2320 BGB nicht unberücksichtigt bleiben. Dennoch kann § 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB hier nicht eingreifen. Denn das Kürzungsrecht des Erben ist in § 2322 BGB für den Fall der Ausschlagung einer Erbschaft durch den Pflichtteilsberechtigten besonders geregelt. Derjenige dem die Ausschlagung zustatten kommt, kann das Vermächtnis nach dieser Vorschrift nur in dem Maße kürzen, daß die ihn treffende Pflichtteilslast gedeckt ist. Demgegenüber muß die weitergehende allgemeine Kürzungsmöglichkeit des § 2318 Abs. 1 BGB zurücktreten (Planck/Greif, BGB 4. Aufl. § 2322 Anm. 2; MK-Frank, BGB § 2322 Rdnr. 2; Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB 12. Aufl. § 2322 Rdnr. 3; Soergel/Dieckmann, BGB 11. Aufl. § 2322 Rdnr. 1, 2; Kipp/Coing, Erbrecht 13. Bearb. § 12 III 5; Kretzschmar, Erbrecht 2. Aufl. § 94 III 4d S. 702; Kreß, Erbengemeinschaft § 7 IV 4 S. 100; vgl. auch BGHZ 19, 309, 313 f.). Der mutmaßliche Erblasserwille geht in Fällen dieser Art nach der Auffassung des Gesetzgebers im allgemeinen eben nicht dahin, dem Ersatzmann, der erst infolge Ausschlagung Miterbe wird, auf Kosten des Vermächtnehmers Nachlaßwerte zukommen zu lassen. Deshalb ist der durch die Ausschlagung Begünstigte hier nur gegen Überschwerung geschützt. Mit Recht haben die Vorinstanzen weiter geprüft, ob der Erblasser die Pflichtteilslast in seinem Testament anders verteilt hat (§ 2324 BGB); die Auslegungsregel des § 2320 Abs. 2 BGB (vgl. RG JW 1918, 768, 769) kommt nur zur Anwendung, wenn nicht der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen eine andere Verteilung angeordnet hat (RG DR 1941, 441, 442). Eine derartige Anordnung hat das Berufungsgericht dem Testament nicht entnehmen können; weder das Testament noch die Umstände ergäben genügend Anhaltspunkte für einen entsprechenden Erblasserwillen. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden; der hiergegen gerichtete Angriff der Revision ist unbegründet.
Zwar spricht der Inhalt des Testaments dafür, daß der Erblasser dem Beklagten eine 49%ige Beteiligung an der GmbH habe sichern wollen. Diesen Willen des Erblassers hat die Mutter des Beklagten aber dadurch vereitelt, daß sie die Erbschaft ausgeschlagen hat und den Pflichtteil verlangt. Auf diese Weise hat die Mutter des Beklagten die ihr auferlegten erbrechtlichen Bindungen abgestreift. Das entsprach zwar ihrem Recht, hatte aber wegen des entstehenden hohen Pflichtteilsanspruchs zur Folge, daß sich die Absichten, die der Erblasser mit seinem Testament offenbar verfolgte, so nicht verwirklichen lassen. Daß der Erblasser diese Lage vorausgesehen und für diesen Fall eine eigene Anordnung hätte treffen wollen, ist weder aus dem Testament noch sonst ersichtlich. Hätte der Erblasser die jetzt entstandene Lage vorausgesehen, dann hätte er vor der Frage gestanden, ob die Belastung durch den Pflichtteil seiner Tochter im Ergebnis von der Kläger in oder von dem Beklagten oder von beiden getragen werden soll. Wie er sich entschieden haben würde, entzieht sich im Nachhinein einer zuverlässigen Feststellung; möglicherweise hätte er auch auf eine eigene Entscheidung dieser Frage verzichtet und insoweit die gesetzliche Regelung eingreifen lassen. Gerade für einen Fall, in dem eine eigene Entscheidung des Erblassers hierzu nicht erfolgt oder nicht festzustellen ist, trifft die gesetzliche Auslegungsregel des § 2320 Abs. 2 BGB Vorsorge. Deshalb ist es fragwürdig, die gesetzliche Auslegungsregel des § 2320 Abs. 2 BGB schon dann nicht anzuwenden, wenn sich im Wege der ergänzenden Auslegung der nur hypothetische (irreale) Wille des Erblassers begründen läßt, welche Anordnung er, wenn er die eingetretene Entwicklung vorhergesehen hätte, insoweit getroffen haben würde (so das Reichsgericht in dem Fall HRR 1938, 959). Diese Frage kann aber offen bleiben, weil hinreichende Anhaltspunkte für eine ergänzende Auslegung des Testaments im Sinne einer von der Regel des § 2320 BGB abweichende Verteilung der Pflichtteilslast im vorliegenden Fall fehlen.
Das Berufungsgericht ist nicht darauf eingegangen, daß der Beklagte sich darauf berufen hat, sein Erbteil sei inzwischen dürftig. Das war rechtsfehlerhaft. Der Erbe kann die Beschränkung seiner Haftung gemäß § 780 Abs. 1 ZPO nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Deshalb muß er bereits im Erkenntnisverfahren entsprechende Einreden geltend machen. Ist eine Einrede erhoben oder jedenfalls der allgemeine Vorbehalt gemäß § 780 Abs. 1 ZPO begehrt, kann das Prozeßgericht im allgemeinen entweder die Frage des Haftungsumfangs sachlich aufklären und darüber entscheiden oder aber sich mit dem Ausspruch des Vorbehalts der Haftungsbeschränkung begnügen und die sachliche Klärung insoweit dem besonderen Verfahren gemäß § 785 ZPO überlassen; eines besonderen Antrages bedarf es insoweit nicht (BGH Urteil vom 29.5.1964 – V ZR 47/62 = NJW 1964, 2298, 2300; Urteil vom 17.12.1953 – IV ZR 101/53 = LM § 1975 Nr. 1; RGZ 69, 281, 291). Das hat das Berufungsgericht unterlassen. Eine besondere Revisionsrüge war insoweit nicht erforderlich, da es hier nicht um einen Verfahrensfehler im Sinne von § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO, sondern um die materiellrechtliche Haftungsbeschränkung handelt. Der Senat holt daher den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung nach.
Fundstellen
Haufe-Index 609546 |
NJW 1983, 2378 |