Leitsatz (amtlich)
Die einem Lebensversicherungsvertrag zugrunde liegende Klausel „Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, müssen stets schriftlich erfolgen. Für uns bestimmte Mitteilungen werden wirksam, sobald sie uns zugegangen sind. Versicherungsvertreter sind zu ihrer Entgegennahme nicht bevollmächtigt.”
hält einer Kontrolle an §§ 9, 11 Nr. 16 AGBG stand.
Normenkette
AGBG §§ 9, 11 Nr. 16
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Aktenzeichen 12 U 243/95) |
LG Duisburg (Aktenzeichen 3 O 180/95) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 1997 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin macht geltend, die Zwangsvollstreckung der Beklagten in Ansprüche aus einer von ihrem Ehemann genommenen Lebensversicherung sei unzulässig.
Der Ehemann der Klägerin hatte bei der C. Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn am 1. Dezember 1985 eine Lebensversicherung (auf den Erlebens- oder Todesfall) mit einer Versicherungssumme von 700.000 DM genommen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen waren Überschußanteile zur Abkürzung der Vertragsdauer zu verwenden; im Erlebensfall sollten dem Versicherungsnehmer zudem Risikozuschläge erstattet werden, die in Höhe von 6.510 DM Bestandteil der jeweiligen Jahresprämie waren.
Diese Lebensversicherung diente der Absicherung eines Darlehens über 700.000 DM, das der Versicherer gemäß Darlehensvertrag vom 19. November/4. Dezember 1985 der Klägerin und ihrem Ehemann gewährt hatte. Demgemäß wurde im Versicherungsvertrag vereinbart, daß mit jeder Zahlung aus dem Versicherungsvertrag ein entsprechender Betrag des Darlehens nebst Zinsen und Nebenleistungen fällig wird und der Versicherungsnehmer mit einer erstrangigen Verrechnung einverstanden ist. Während der Laufzeit des Darlehens durften Rechte aus der Versicherung nicht abgetreten oder verpfändet werden; lediglich die über die Darlehensforderung hinausgehende Versicherungsleistung blieb zur freien Verfügung des Versicherungsnehmers. Die dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung (ALB) der Beklagten enthalten unter anderem folgende Regelungen:
In § 13 Abs. 4 Satz 1 ALB ist bestimmt:
„Die Einräumung und der Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts sowie eine Abtretung oder Verpfändung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag sind uns gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie uns vom bisherigen Berechtigten schriftlich angezeigt worden sind.”
§ 12 Abs. 1 ALB lautet:
„Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, müssen stets schriftlich erfolgen. Für uns bestimmte Mitteilungen werden wirksam, sobald sie uns zugegangen sind. Versicherungsvertreter sind zu ihrer Entgegennahme nicht bevollmächtigt.”
Der Ehemann der Klägerin geriet 1992 in Zahlungsschwierigkeiten. Durch vollstreckbare notarielle Urkunde vom 30. Dezember 1992 wurden gegen ihn Ansprüche der Beklagten in Höhe von mehr als 5 Mio. DM tituliert.
Mit Telefax vom 3. August 1994 und 9. August 1994 zeigte der Ehemann der Klägerin einem Agenten der C. an, er habe „die Lebensversicherung” am 25. Dezember 1992 an seine Ehefrau abgetreten.
Die Beklagte erwirkte am 22. August 1994 aufgrund der Urkunde vom 30. Dezember 1992 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, mit dem die Ansprüche und Rechte ihres Schuldners – des Ehemannes der Klägerin – gegen die C. Lebensversicherung aus dem Lebensversicherungsvertrag gepfändet wurden. Der Beschluß wurde dem Versicherer am 29. August 1994 zugestellt. Mit Schreiben vom 8. September 1994 leitete der Agent die Abtretungsanzeigen vom 3. und 9. August 1994 an die C. Lebensversicherung weiter. Der Ehemann der Klägerin übersandte dem Versicherer schließlich mit Schreiben vom 19. September 1994 eine notariell beglaubigte Abschrift einer Abtretungserklärung vom 25. Dezember 1992.
Die Beklagte erklärte schließlich am 29. Juni 1995 die Anfechtung der Abtretung der Ansprüche ihres Schuldners aus dem Lebensversicherungsvertrag gemäß § 3 des Anfechtungsgesetzes.
Die Klägerin hat behauptet, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag seien ihr am 25. Dezember 1992 abgetreten worden. Sie hat die Auffassung vertreten, die Abtretung sei mit der Anzeige beim Agenten des Versicherers wirksam geworden; soweit sich aus den Versicherungsbedingungen etwas anderes ergebe, seien diese wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam. Die von der Beklagten erklärte Anfechtung greife mangels Gläubigerbenachteiligung nicht durch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, die Zwangsvollstreckung der Beklagten für unzulässig zu erklären, soweit die Forderung aus dem Lebensversicherungsvertrag die Forderung aus dem Darlehensvertrag vom 19. November/4. Dezember 1985 von 700.000 DM übersteigt.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
A.
Die Drittwiderspruchsklage ist – wie vom Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht angenommen – unbegründet. Der Klägerin steht ein die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte hinderndes Recht im Sinne des § 771 Abs. 1 ZPO schon deshalb nicht zu, weil sie die ihr nach ihrer Behauptung abgetretenen Rechte und Ansprüche aus der vom Schuldner – ihrem Ehemann – genommenen Lebensversicherung bereits belastet mit dem Pfandrecht der Beklagten erworben hat. Denn die (behauptete) Abtretung ist erst zu einem Zeitpunkt wirksam geworden, als die Ansprüche des Schuldners bereits von der Beklagten gepfändet waren. Auf die Frage der Anfechtbarkeit der Abtretung – auf die das Berufungsgericht die Abweisung des Klaganspruchs gestützt hat – kommt es deshalb nicht an.
B.
I.
Nach dem Inhalt des vom Ehemann der Klägerin genommenen Lebensversicherungsvertrages sind die Rechte aus der Versicherung während der Laufzeit des durch den Versicherungsvertrag gesicherten Darlehens nicht abtretbar. Vom damit vereinbarten Abtretungsverbot (§ 399 BGB) blieb aber nach den weiteren vertraglichen Vereinbarungen der Anspruch auf Versicherungsleistungen ausgenommen, der über die Darlehensforderung hinausgeht. Dieser Regelung entsprechend kann sich also ein – abtretbarer – Anspruch des Versicherungsnehmers dann ergeben, wenn nach Verrechnung aller Versicherungsleistungen – und dazu rechnet entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch die vereinbarte Erstattung von Risikozuschlägen im Erlebensfall – auf die offene Darlehensforderung ein Überschuß verbleibt. Diesen vom Abtretungsverbot ausgenommenen Anspruch auf künftige Leistungen durch Abtretung erlangt zu haben, macht die Klägerin geltend; ihr Revisionsantrag trägt dem Rechnung.
II.
Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 ALB ist die Abtretung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherer gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie dem Versicherer durch den bisherigen Berechtigten schriftlich angezeigt worden ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine solche Klausel dahin auszulegen, daß eine Abtretung absolut unwirksam ist, solange der Berechtigte sie dem Versicherer nicht schriftlich anzeigt (BGHZ 112, 387; Senatsurteil vom 19. Februar 1992 - IV ZR 111/91 - VersR 1992, 561).
Da der von der Beklagten erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 22. August 1994 dem Versicherer am 29. August 1994 zugestellt worden ist, konnte die Klägerin den ihr (nach ihrer Behauptung) vom Schuldner abgetretenen Anspruch auf Versicherungsleistungen nur dann unbelastet vom Pfandrecht der Beklagten erwerben, wenn die Abtretung dem Versicherer vor dem 29. August 1994 angezeigt und damit wirksam geworden ist. Davon aber ist – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht auszugehen.
C.
I.
Das Berufungsgericht führt aus: Die zur Wirksamkeit der Abtretung führende Anzeige an die C. Lebensversicherung sei durch das Schreiben des Ehemannes der Klägerin an den Generalagenten vom 3. August 1994 – und damit vor Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Versicherer – bewirkt worden. Mit Zugang des Schreibens bei dem Agenten sei die Anzeige der Abtretung beim Versicherer erfolgt; auf dessen Weiterleitung an die C. komme es nicht mehr an. Zwar sei nach § 12 Abs. 1 Satz 3 ALB der Versicherungsvertreter – und damit auch der Agent – zur Entgegennahme von Anzeigen nicht bevollmächtigt. Diese Klausel verstoße jedoch gegen das Verbot gemäß § 11 Nr. 16 AGBG, wonach Anzeigen nicht an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden dürfen. In jeder Klausel, die vorsehe, daß eine Erklärung einer bestimmten Stelle zugehen müsse, liege ein solches verbotenes besonderes Zugangserfordernis. Zwar schreibe die hier in Rede stehende Klausel nicht vor, daß die Anzeige bei einer bestimmten Stelle des Versicherer eingehen müsse, sie habe jedoch im Ergebnis eine zumindest teilweise entsprechende Wirkung. Versicherungsvertreter seien im allgemeinen umfassend mit der Betreuung eines Kunden befaßt; der Kunde halte in der Regel mit ihnen Kontakt. Wenn er gleichwohl bestimmte Anzeigen nicht an den Agenten richten dürfe, so liege darin ein besonderes Zugangserfordernis.
Dem ist nicht zu folgen.
II.
§ 12 Abs. 1 ALB hält einer Kontrolle an §§ 9, 11 AGBG stand.
1. a) Vor der Prüfung der Regelung an Vorschriften des AGB-Gesetzes ist ihr Inhalt durch Auslegung zu ermitteln, denn ohne vorangegangene Auslegung fehlt die notwendige Klarheit, welcher Inhalt der Klausel im einzelnen anhand des AGB-Gesetzes zu kontrollieren ist (BGHZ 123, 83, 85).
b) § 12 Abs. 1 ALB will Mitteilungen erfassen, die „das Versicherungsverhältnis” betreffen. Damit wird für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es für die Auslegung ankommt, klargestellt, daß es bei der Klausel um Mitteilungen geht, die dem Versicherer nach Abschluß des Versicherungsvertrages zu machen sind. Denn vor Abschluß eines Versicherungsvertrages gibt es kein Versicherungsverhältnis. Demgemäß erfaßt die Klausel nicht solche Mitteilungen oder Erklärungen, die der Versicherungsnehmer dem Versicherer oder dessen Agenten bei der Entgegennahme des Antrags auf Abschluß der Versicherung abgibt (vgl. dazu Senatsurteil vom 11. November 1987 - IVa ZR 240/86 - VersR 1988, 234; BGHZ 116, 387, 389); ihr Anwendungsbereich stimmt vielmehr insoweit mit dem des § 43 Nr. 2 VVG überein.
Nach dem weiteren Inhalt der Klausel wird für die von ihr erfaßten Mitteilungen zudem die Schriftform bestimmt. Neben dieser Regelung der Form der das Versicherungsverhältnis betreffenden Mitteilung entnimmt der Versicherungsnehmer § 12 Abs. 1 Satz 3 ALB schließlich, daß Versicherungsvertreter zur Entgegennahme solcher Mitteilungen nicht bevollmächtigt, ihre Empfangsvollmacht also – abweichend von § 43 Nr. 2 VVG – eingeschränkt worden ist.
2. Das mit § 12 Abs. 1 ALB bestimmte Schriftformerfordernis für das Versicherungsverhältnis betreffende Mitteilungen des Versicherungsnehmers ist wirksam; es verstößt nicht gegen Vorschriften des AGB-Gesetzes.
§ 11 Nr. 16 AGBG hindert seine Vereinbarung für Anzeigen und Erklärungen gegenüber dem Versicherer gerade nicht. Die Regelung hält aber auch einer Inhaltskontrolle an § 9 AGBG stand; sie führt nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers.
Die Vereinbarung der Schriftform für die von der Klausel erfaßten Mitteilungen des Versicherungsnehmers weicht von Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes nicht ab. § 34a Satz 2 VVG gestattet ihr Ausbedingen für bestimmte, dem Versicherungsnehmer obliegende Anzeigen – darunter auch solche, die das Versicherungsverhältnis betreffen – vielmehr ausdrücklich.
Das mit § 12 Abs. 1 ALB bestimmte Schriftformerfordernis erfaßt – wie ausgeführt – nur solche Mitteilungen, die dem Versicherer nach Abschluß des Versicherungsvertrages zu übermitteln sind. Dem Versicherungsnehmer ist es deshalb möglich und zumutbar, bei gegebenem Anlaß von der in den Versicherungsbedingungen enthaltenen Schriftformklausel Kenntnis zu nehmen und sein Verhalten daran auszurichten. Darin ist einerseits keine unbillige Erschwerung der Rechtswahrnehmung durch den Versicherungsnehmer zu erkennen; andererseits entspricht das Ausbedingen der Schriftform durch den Versicherer – wie am Fall der Anzeige einer Abtretung besonders deutlich wird – dessen grundsätzlich anzuerkennenden Klarstellungs- und Beweissicherungsinteresse.
Bei den nach Vertragsschluß abzugebenden Erklärungen des Versicherungsnehmers gibt es auch nicht das typische Nebeneinander von mündlichen und schriftlichen Erklärungen, welches für die Aufnahme eines Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsagenten kennzeichnend ist. Es fehlt also im Anwendungsbereich der Schriftformklausel an dem bei der Antragstellung gegebenen einheitlichen Lebensvorgang, der eine juristische Aufspaltung verbietet (Senatsurteil vom 11. November 1987, aaO unter 3. c)) und deshalb auch das Ausbedingen der Schriftform für bestimmte Anzeigen des Versicherungsnehmers im Zusammenhang mit der Antragstellung hindert (vgl. auch Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 47 Rdn. 10).
3. Auch die Einschränkung der Empfangsvollmacht des Versicherungsvertreters (§ 12 Abs. 1 Satz 3 ALB) ist – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – wirksam.
a) Die Beschränkung der Empfangsvollmacht unterliegt der Kontrolle anhand des AGB-Gesetzes; es handelt sich um eine Vertragsbedingung im Sinne des § 1 AGBG.
Zwar trifft es zu, daß mit einer Beschränkung der Empfangsvollmacht der Vollmachtgeber grundsätzlich seine eigenen Verhältnisse, nicht die der Vertragsgegenseite regelt (vgl. Fricke, VersR 1993, 399, 402). Dieser Ansatz verfängt aber dann nicht, wenn eine Empfangsvollmacht – wie die des Versicherungsagenten – eine gesetzliche Ausgestaltung erfahren hat (§ 43 Nr. 2 VVG) und der Versicherer davon durch Allgemeine Versicherungsbedingungen abweicht. Die gesetzliche Ausgestaltung der Empfangsvollmacht des Agenten durch § 43 Nr. 2 VVG dient auch den Interessen und dem Schutz des Versicherungsnehmers. Dieser soll grundsätzlich darauf vertrauen können, daß der Agent mit den im Gesetz genannten Befugnissen ausgestattet ist. Die formularmäßige Beschränkung dieser Empfangsvollmacht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen greift in diese Rechtsposition des Versicherungsnehmers ein; sie betrifft demgemäß nicht nur die eigenen Verhältnisse des Versicherers (vgl. Beckmann, NJW 1996, 1378, 1379; Schirmer, r+s 1995, 273; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1998 - 1 A 6/96 - VersR 1998, 1137 unter II, 4; von der Kontrollfähigkeit von Vollmachtsbeschränkungen gehen ferner aus: Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 3. Aufl. § 9 Rdn. V 79-80; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 8. Aufl. § 11 Nr. 16 Rdn. 8).
b) Die Beschränkung der Empfangsvollmacht verstößt nicht gegen das Klauselverbot aus § 11 Nr. 16 AGBG.
§ 11 Nr. 16 AGBG soll den Vertragspartner vor Klauseln schützen, die ihm die Durchsetzung seiner Rechte durch Bindung von Anzeigen oder Erklärungen an übersteigerte Form- oder Zugangserfordernisse erschweren. Als besondere Zugangserfordernisse sind dabei solche anzusehen, die über die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen für empfangsbedürftige Willenserklärungen (§§ 130, 131 BGB) hinausgehen (h.M.: vgl. nur Wolf, aaO § 11 Nr. 16 Rdn. 10; Hensen, aaO § 11 Nr. 16 Rdn. 8).
Die Frage, ob Einschränkungen der Empfangsvollmacht ein solches besonderes Zugangserfordernis schaffen, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet (bejahend – auch für eine § 12 Abs. 1 Satz 3 ALB entsprechende Klausel –: Hensen, aaO § 11 Nr. 16 Rdn. 8; differenzierend: Wolf, aaO § 11 Nr. 16 Rdn. 10; Basedow in MünchKomm, BGB 3. Aufl. § 11 Nr. 16 AGBG Rdn. 252; zweifelnd: Trinkner in Löwe/Westphalen/Trinkner, AGBG 2. Aufl. § 11 Nr. 16 Rdn. 9; verneinend: Büsken, VersR 1992, 272, 277; Prölss in Prölss/Martin, aaO Vorbem. I Rdn. 101; Kollhosser in Prölss/Martin, aaO § 43 Rdn. 47). Auch in der Rechtsprechung werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. einerseits: LG Wuppertal VersR 1992, 174; andererseits: OLG Karlsruhe VersR 1992, 863).
Die hier in Rede stehende Beschränkung der Empfangsvollmacht des Versicherungsagenten – wie sie sich aus § 12 Abs. 1 Satz 3 ALB ergibt – schafft kein besonderes Zugangserfordernis im Sinne des § 11 Nr. 16 AGBG.
Vom Zugang einer empfangsbedürftigen schriftlichen Willenserklärung ist allgemein dann auszugehen, wenn die Erklärung derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, daß dieser unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Ob und wann diese Voraussetzungen bei Einschaltung einer Mittelsperson – so auch eines Versicherungsvertreters – gegeben sind, hängt davon ab, ob diese vom Adressaten zum Empfang der Erklärung bevollmächtigt worden ist. Regelungen der Empfangsbevollmächtigung gestalten und bestimmen demgemäß erst den Zugangsbereich des Adressaten und schaffen deshalb grundsätzlich noch kein „besonderes” Zugangserfordernis im Sinne des § 11 Nr. 16 AGBG. Im Anwendungsbereich des § 43 Nr. 2 VVG gilt nichts anderes. Zwar wird mit dieser Vorschrift die Empfangsvollmacht des Versicherungsagenten für während der Versicherung abzugebende Anzeigen oder Erklärungen des Versicherungsnehmers begründet, der Zugangsbereich des Versicherers mithin gesetzlich ausgestaltet. Indessen gestattet das Gesetz (vgl. § 47 VVG) dem Versicherer zugleich, von § 43 Nr. 2 VVG abweichende Bestimmungen zu treffen, die Empfangsvollmacht des Agenten also anderweit zu regeln, diese zu beschränken. Die Ausgestaltung seines Empfangsbereichs ist damit – unbeschadet der Regelung des § 43 Nr. 2 VVG – grundsätzlich in der Hand des Versicherers verblieben. Nimmt der Versicherer die ihm durch das Gesetz belassene Möglichkeit wahr, die Empfangsvollmacht des Agenten für schriftliche Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, auszuschließen, regelt er also auch damit die konkrete Ausgestaltung seines Empfangsbereichs und schafft kein besonderes Zugangserfordernis im Sinne des § 11 Nr. 16 AGBG. Die Auswirkungen einer solchen Einschränkung der Empfangsvollmacht des Agenten für den Versicherungsnehmer sind vielmehr am Maßstab des § 9 AGBG zu messen.
Ob dies – unter Geltung des AGB-Gesetzes – auch dann gilt, wenn der Versicherer die Empfangszuständigkeit auf einen bestimmten Bereich innerhalb seines Unternehmens (etwa den Vorstand) beschränkt, bedarf hier keiner Entscheidung.
c) Die Beschränkung der Empfangsvollmacht des Versicherungsagenten für Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, führt auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG.
aa) Die Vollmacht des Versicherungsagenten zur Entgegennahme von Anzeigen und Erklärungen, die „während der Versicherung” – also nach Abschluß des Versicherungsvertrages – vom Versicherungsnehmer zu machen sind, ergibt sich grundsätzlich aus der gesetzlichen Vorschrift des § 43 Nr. 2 VVG. Von dieser Vorschrift weicht § 12 Abs. 1 Satz 3 ALB zwar ab, indem er die Empfangsvollmacht des Agenten für alle schriftlichen Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, ausschließt. Damit wird jedoch nur eine Abweichung vollzogen, die das Gesetz dem Versicherer – wie der Zusammenhang der §§ 43, 47 VVG verdeutlicht – gestattet. Denn § 47 VVG setzt eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der Vertretungsmacht des Agenten bereits voraus und regelt lediglich als Folge, daß ein Dritter (etwa der Versicherungsnehmer) diese nur dann gegen sich gelten lassen muß, wenn er die Beschränkung bei Vornahme des Geschäfts oder der Rechtshandlung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die Vorschriften der §§ 43 ff. VVG stehen demgemäß einer Beschränkung der Empfangsvollmacht des Agenten aus § 43 Nr. 2 VVG, wie sie sich aus § 12 Abs. 1 Satz 3 ALB ergibt, nicht entgegen; sie lassen sie vielmehr zu.
bb) Allerdings ist nicht zu verkennen, daß eine Vollmachtsbeschränkung auch im hier gegebenen Anwendungsbereich der Klausel dem Versicherungsnehmer nachteilige Auswirkungen haben kann. Denn er verliert bei Mitteilungen, die er nach Abschluß des Versicherungsvertrages dem Versicherer zu machen hat, die Möglichkeit, sich unmittelbar und abschließend an „seinen” Agenten zu wenden, der ihm regelmäßig bereits bei Vertragsschluß als zuständiger Vertreter des Versicherers entgegengetreten ist, der ihn bei Vertragsanbahnung betreut und ihm deshalb als Ansprechpartner des Versicherers bekannt ist. Der Verlust dieser Möglichkeit wirkt indessen nicht so schwer, daß bereits von einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG ausgegangen werden könnte.
Wie dargelegt, konnte der Versicherer mit § 12 Abs. 1 Satz 1 ALB wirksam bestimmen, daß Mitteilungen des Versicherungsnehmers, die das Versicherungsverhältnis betreffen, schriftlich erfolgen müssen. Die Vollmachtsbeschränkung bewirkt demgemäß letztlich nur, daß eine solche schriftliche Mitteilung nicht dem Agenten, vielmehr unmittelbar dem Versicherer zuzugehen hat. Der Anwendungsbereich des § 12 ALB beschränkt sich zudem auf solche Mitteilungen, die der Versicherungsnehmer nach Abschluß des Versicherungsvertrages seinem Vertragspartner zu machen hat. Das setzt einen konkreten Anlaß zu einer Mitteilung voraus, bei dem es dem Versicherungsnehmer in der Regel möglich sein wird, sich im Versicherungsvertrag und den diesem zugrunde liegenden Bedingungen über die Form der Mitteilung und die Empfangszuständigkeit zu vergewissern (Kollhosser, aaO § 47 Rdn. 10). Bei fehlender Kenntnis von der Beschränkung der Empfangsvollmacht des Agenten wird der Versicherungsnehmer darüber hinaus durch die Vorschrift des § 47 VVG geschützt, weil er diese Beschränkung nur dann gegen sich gelten lassen muß, wenn er sie kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Hinzu kommt schließlich, daß es dem Versicherungsnehmer unbenommen bleibt, bei seinem ihm vom Versicherer als Ansprechpartner benannten Agenten auch dann Rat und Auskunft einzuholen, wenn dieser zur Entgegennahme schriftlicher Mitteilungen nicht bevollmächtigt ist.
Es ist danach nicht festzustellen, daß der Versicherungsnehmer durch die Beschränkung der Empfangsvollmacht des Agenten in seinen Möglichkeiten, dem Versicherer während des Versicherungsverhältnisses die erforderlichen Mitteilungen zukommen zu lassen, nachhaltig beeinträchtigt wird.
Auf der anderen Seite ist ein berechtigtes Interesse des Versicherers, von solchen Mitteilungen – etwa einer Abtretungsanzeige oder der Anzeige einer Gefahrerhöhung – unmittelbar und ohne zeitliche Verzögerung Kenntnis zu erlangen, nicht zu verkennen. Das wird bei der Abtretung von Versicherungsansprüchen etwa an der Möglichkeit der Mehrfachabtretung und den daran geknüpften Prioritätsfragen deutlich; es zeigt sich aber auch bei der Anzeige einer Gefahrerhöhung, wenn die rechtzeitige Ausübung der sich daraus ergebenden Rechte des Versicherers gewährleistet werden soll.
In einer Gesamtabwägung ergibt sich deshalb nicht, daß die hier in Rede stehende Beschränkung der Empfangsvollmacht des Versicherungsagenten zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG führt.
III.
Die (behauptete) Abtretung der Ansprüche des Schuldners an die Klägerin ist deshalb erst mit Zugang der Abtretungsanzeige bei der C. Lebensversicherung, mithin nach dem 8. September 1994 wirksam geworden. Bereits zuvor – am 29. August 1994 – aber war dem Versicherer der von der Beklagten erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zugestellt worden. Die Klägerin konnte die ihr vom Schuldner abgetretenen Rechte und Ansprüche deshalb nur belastet mit dem Pfandrecht der Beklagten erlangen; ihre Drittwiderspruchsklage erweist sich danach als unbegründet.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Dr. Schlichting, Terno, Seiffert, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.02.1999 durch Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538851 |
DB 1999, 1110 |
NJW 1999, 1633 |
EWiR 1999, 481 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 1998, 710 |
ZIP 1999, 1008 |
MDR 1999, 740 |
NVersZ 1999, 261 |
VersR 1999, 565 |
VuR 1999, 277 |
ZfS 1999, 298 |